Seit 1920 existieren die Salzburger Festspiele, deren Gründer-Trio Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss, Max Reinhardt sich sehr wohl dessen bewusst war, dass Zeit und Ort höchst signifikant gewählt waren. Gerade nach den Zerstörungen, Verwerfungen, Verunsicherungen durch den Ersten Weltkrieg, den Krisen von Nation, Thron und Altar, dem Ende von Donaumonarchie, Wilhelminismus und Zarentum und der alten Ordnungen galt es, ein Zeichen zu setzen: Im Zentrum des „christlichen Abendlands“, ja in dessen katholischer „Mitte“, sollte ein temporäres kulturelles, wenn nicht kultisches Sammelbecken höchster, edelster geistiger Werte und Kräfte geschaffen werden.
Das ideologische Programm war eindeutig: antimodern, gegen die Kapitalen des künstlerischen Fortschritts – Berlin, Paris oder, o Schreck, o Graus, New York, gar Moskau – gerichtet. Nur dem Wahren, Schönen, Guten in allerhöchster Potenz fühlte man sich verpflichtet, schlechthinniger Sinnstiftung. Das Konzept war nicht nur konservativ, sondern restaurativ. Hofmannsthals „Jedermann“, bis heute noch im Salzburg-Sommer unverzichtbar, zielte, schielte unverblümt auf die Restitution eines erhaben-katholischen Werte-Kanons nach mittelalterlichem Modell. Karl Kraus’ giftige Paraphrase „Unser täglich Barock gib uns heute“ traf die Gemengelage recht genau. Natürlich gab es großartige Mozart-, Wagner- und Verdi-Aufführungen – etwa unter Toscanini –, und der Traditions-Kult schloss ästhetische Reform-Bemühungen nicht aus; doch in die NS-Kulturpolitik wurden die Festspiele 1938 bis 1944 mühelos integriert.
Das Widerspiel von opulenter Repräsentation und künstlerischen Neuerungen, in den Gründungsplänen immerhin schon angelegt, wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg weiter, prägt das Festival übrigens nach wie vor. Allerdings ging es nun weniger um die Rekonstruktion eines heilsversprechenden Weltbildes – und mehr um die Demonstration des „Wir sind wieder wer“, kulminierend im neuen Großen Festspielhaus von 1960. Adornos spöttisches Epitheton über Karajan, „Genius des Wirtschaftswunders“, hatte keineswegs nur punktuelle Richtigkeit. Man täte der langen Ära Karajan Unrecht, reduzierte man sie einzig auf Pomp und Glamour, kulinarischen Overkill. Immerhin gab es wichtige Musiktheater-Novitäten und nicht zuletzt im Schauspiel manch Verstörendes.
Trotzdem: In manchen Programmheften der siebziger Jahre waberte kräftig der „Jargon der Eigentlichkeit“ (Adorno), wurde mit hohem Ton und hohlen Phrasen abendländelnde Sinnstiftung betrieben, dem barocken Ambiente überzeitliche Bedeutung per se attestiert. Stets wurde in Salzburg der Eindruck geschürt: All die Kriege, Krisen, Katastrophen, auch Revolutionen, zumindest Revolten müssen auf anderen Sternen stattgefunden haben.
So war es auch diesmal: vom Wirtschafts-Desaster der letzten Jahre keine Spur; ja, mitunter schien es eher, als habe die Luxus-Komponente wieder zugelegt. Im Gegenteil: Die zum Teil hausgemachten, also hauptsächlich in Wien entfachten Stürme um manche Neuerungen oder auch nur verbale Provokationen Gerard Mortiers sind lange vorbei. Sein Nachfolger Peter Ruzicka hat den Reform-Kurs behutsam weitergeführt, Jürgen Flimm wenig riskiert. Ihm folgt Alexander Pereira, erster österreichischer Festspielintendant seit Karajan, zudem gebürtiger und „gelernter“ Wiener. Von ihm erwartet man weiterhin hohes künstlerisches Grund-Niveau und – auch auf Grund seines als Zürcher Opernintendant erworbenen und erwiesenen Geschicks im Umgang mit öffentlichen wie privaten Geldgebern – nicht zuletzt einen finanziell soliden Kurs, zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ob von Pereira ästhetisch prägende, weiterführende Impulse ausgehen, bleibt abzuwarten, nicht ohne Skepsis.
Flimm hat immerhin letztes Jahr mit Nonos „Al gran sole“ Eindruck gemacht, der für die Konzerte verantwortliche Markus Hinterhäuser mit der Serie des „Kontinent Varèse“ einen Schlüsselkomponisten des zwanzigsten Jahrhunderts vorgestellt. Die musikalische Moderne also ist in Salzburg gut aufgestellt. Davon zeugte nun auch der „Kontinent Wolfgang Rihm“, ausladende Hommage an den prominentesten und produktivsten nicht nur deutschen Komponisten aus der Generation der Fünfzig- bis Sechzigjährigen. Doch nicht nur das: Endlich, nach fünfzehn Jahren Wartezeit, fand die Uraufführung von Rihms „Dionysos“ statt, überdies integraler Bestandteil eines übergreifenden Zusammenhangs im Zeichen des Mythischen: „Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“, lautet das Motto 2010, bei dem sich – Salzburg bleibt Salzburg – einem doch wieder leicht die Haare sträuben. Nicht, dass der Satz von Grund auf verkehrt wäre – aber der überlebensgroße Faltenwurf verweist abermals auf das Abendland ganz und gar mit Haut und Haaren. Und provoziert damit erneut die bange Frage, ob es nicht auch einmal ein wenig kleiner oder wenigstens auch nur heutiger ginge: Jedermann, Dionysos, Ödipus, Phädra, Elektra, Don Giovanni, Lulu, Orpheus, Romeo und Julia – alles, was thematisch erhaben, gut und teuer, also mythisch, archetypisch, irgendwie überzeitlich daherkommt, hat Konjunktur. Allenfalls Faust, Hamlet oder Tristan fehlen noch. Als hätte es andere, aufklärerisch-kritischere Tendenzen nie gegeben, als hätten etwa Brecht oder Kagel nie gelebt. Natürlich lassen sich in nicht wenigen Komödien, auch Western oder selbst B-Krimis analog archaische „patterns“ entdecken. „Entmythologisierung“ wäre demnach, zumal in Salzburg, kein schlechter Vorsatz.
Natürlich ist Wolfgang Rihm viel zu klug, zudem literarisch-theoretisch versiert, ungemein belesen und vielfältig kenntnisreich, um ahnungslos in die Mythen-Fall zu tappen. Er weiß genau, dass das Ur-Anfängliche nicht so leicht zu haben ist, dass der subversive Einspruch aus der Gegenwart dazugehört. So wäre er auch schwerlich auf die Idee verfallen, eine regelrechte Dionysos-Oper im antiken Gewand zu schreiben. An Gips aller Arten liegt ihm nicht. Deshalb hat er sich bei seinem Projekt auch Zeit gelassen. Und nicht einmal unähnlich Verdi oder Ligeti, die sich lange mit dem Plan einer „Lear“- oder „Sturm“-Oper trugen, herumschlugen, vor der sie dann doch zurückzuckten, hat er zwar vor fünfzehn Jahren dem Dirigenten Ingo Metzmacher, damals noch in Hamburg, ein „Dionysos“-Musiktheater versprochen, dann aber doch immer wieder gezögert, andere Projekte vorgezogen.
Nun ist Rihm, bei aller schier protuberanzenhaften Produktivität, kein „linearer“ Arbeiter. Insofern führt selbst das an sich nicht untriftige Wort vom „work in progress“ in die Irre. Eher ist das Mäandernde typisch für sein Schaffen, besser noch das Bild des Netzwerks – mit mehreren gleichzeitigen Kraft- und Ausstrahlungszentren. Drei von ihnen lassen sich nukleusartig mit Literaten verbinden: Heiner Müller, Antonin Artaud, Friedrich Nietzsche – jeder für sich ein „poète maudit“, radikaler Gegentyp zu sämtlichen normativen Vorstellungen vom Klassiker. Und so wie Rihm stets mit Nietzsche kompositorisch dialogischen Umgang pflegte, so hat sich der späte Nietzsche mit Dionysos, quasi Bruder Zarathustras, identifiziert, in seinen „Dionysos-Dithyramben“ den Wechsel von hybrider „Übermensch“-Selbstberauschung und desperater Décadence eines „Geschlagenen“ thematisiert. Rihm folgt ihm, indem er ausschließlich Sätze und Worte aus diesen oft rätselhaft fragmentarischen Gedichten übernimmt, sie aber zu einem ganz eigenen Text formt. So entsteht – also doch „work in progress“ – aus einem Labyrinth ein weiteres, multimedial anderes. In dieses wird man im Salzburger Haus für Mozart hineingezogen, -gesogen. So dass man zusätzlich fast von einer „summa“ der verzweigten Rihm’schen Ästhetik sprechen kann. Aber nicht als finale Addition, sondern als quasi surreales „concetto“, in dem sich Altes und Neues, Eigenes und Fremdes wie in filmischen Vor- und Rückblenden verschränken.
Dabei ist Rihm kein Exhibitionist, der vor einem sein Innerstes nach Außen kehrt. Da reicht es völlig, dass seine Hauptfigur lakonisch „N.“ heißt. Gemeint sind aber mit ihr natürlich Nietzsche, die Anspielung auf den antiken Rausch-Gott, das hochfahrend-zerschmetterte Subjekt der Dithyramben, aber auch – überraschende Volte – der Satyr Marsyas, dem Apoll zur Strafe für seinen Übermut das Fell über die Ohren zieht. Nietzsche-Dionysos also auch als Schmerzensmann, ewig hoffnunslos „Ringender“. Der Strahle-Gott, dem alles leicht fällt, freilich outet sich erst später; zunächst tritt er stereotyp als „Ein Gast“ auf. Auch dies ist eine Anspielung. Denn den ihm ergebenen Komponisten Peter Gast stilisierte Nietzsche in wahnhafter Überschätzung analog zu dem von ihm als mediterranen Antipoden Wagners gepriesenen Bizet zum Gegengift für das Bayreuther Mystagogentum. Dass man in Ariadne auch die von Nietzsche vergötterte Cosima Wagner zu sehen hat, versteht sich. Im zweiten Teil der „Opernphantasie“ tritt eine Nobelpros-tuierte auf: Esmeralda. Man kennt sie aus Thomas Manns „Doktor Faustus“-Roman, in dem sie den Tonsetzer Adrian Leverkühn luetisch infiziert; wobei auch dieser Figur Nietzsche eingeschrieben scheint.
Gast, Marsyas, Esmeralda: Der Literatur- und Kunst-Connaisseur mag sich an solchen Subtilitäten delektieren, hehres Bildungsgepränge bleibt es doch auch. Selbstverständlich zielt Rihm nicht auf die Narrativität einer Literatur-Oper, trotz aller hochfliegenden Nietzsche-Verse, sondern auf letztlich surreal phantasmagorische Bild-Rätsel. Da wird Nietzsche auf dem (Vierwaldstätter) See von Nymphen kokett umgarnt, die er vergeblich zu erhaschen trachtet. Dafür gelingt es ihm, Ariadne im Boot zu fesseln, doch wieder scheitert er erotisch. Dann wieder erklimmen er und „Ein Gast“ einen Gipfel, geraten in ein Bordell. Doch immer wieder versagt er, während Apolls Überlegenheit immer mehr dominiert, bis zur Häutung des Hilflosen. Die letzte Szene führt die nun selbständig agierende Haut an den Ort von Nietzsches entscheidendem Zusammenbruch in Turin, wo diese/er ein geschlagenes Pferd umarmt. Doch Ariadne erscheint noch einmal, nimmt sich als „Pietà“ seiner an: Erlösung. Und das Personal verneigt sich – fast wie im „Don Giovanni“ oder „Falstaff“. Da erweist sich Rihms „Dionysos“ geradezu schockhaft auch als Kryptokomödie.
Auch und gerade weil Rihms Werk Nietzsche-Cosima-Opern von Siegfried Matthus und Franz Hummel vorausgingen, bleibt es ein Solitär, in der Fülle und Tiefe seiner Verflechtungen höchst eindringlich. Und es ehrt die Salzburger Festspiele überaus, dass sie diese enorm anspruchsvolle Uraufführung so souverän zustande brachten. Einige Einwände freilich sollen nicht unterdrückt bleiben. Sie gelten fast weniger der nach wie vor erratisch-kontroversen Figur Nietzsche oder dem Mythischen, das Rihm genügend, bisweilen sogar ironisierend aufdröselt. Heikler ist der Romantiker-Topos des Künstlers als ewigem Schmerzensmann, zerrissenem Wahrheits-, Schönheits- und Liebesglückssucher. So wie Nietzsches Verse ab und an ihr Zeitliches haben, so auch die Thematik und Figur. Vor allem aber fehlen Widerlager: „Ein Gast“ alias Apoll mag als Gegengestalt noch plausibel sein. Fatal indes ist ein anderer Kontrast. Die dem leidenden Anti-Helden, gleichwohl aller Sympathien sicher, zugeordneten Frauen sind pures Klischee: mehr oder minder hirnlos amoralische Stratosphären-Koloratur-Zwitschermaschinen – in Pierre Audis Inszenierung noch dazu austauschbare ondulierte Salon-Blondinen der zwanziger Jahre. Der große Einsame, halb erhabene, halb lächerliche Übermensch-Denker bleibt allemal isoliert. Dagegen wäre an sich wenig einzuwenden; nur muss man das nicht so frauenfeindlich ausspielen.
Das ist nicht nur eine Frage der Optik. Rihm hat in den letzten Jahren eine unerhörte Virtuosität im Umgang mit hohen Frauenstimmen erlangt und versteht es meisterhaft, auch mit historischen Anspielungen zu jonglieren. Sodass man nicht selten vexierbildhaft bestimmte Opernvorbilder mithört und -denkt. Zumindest fällt es schwer, am Anfang nicht den des „Rheingold“ zu assoziieren: Underdog jagt hoffnungslos lasziv-flotten Girlies hinterher – und auch an die „Parsifal“-Blumenmädchen fühlt man sich einmal erinnert, oder sogar an die „Ariadne“-Meerjungfrauen. Natürlich hat jeder seinen eigenen Assoziations-Horizont. Aber wenn man bei manch quirligen Sopran-Höhenflügen gar die Nähe zur „Arabella“-Fiakermilli zu spüren glaubt, werden die Traditionsbezüge doch bedenklich. Selbstverständlich zitiert Rihm nicht; er ist kein Collagen-Komponist, beherrscht eher frappierend die Kunst der Allusiion, des „als ob“.
Das ist freilich nur die eine Seite der unerhört reichen „Dionysos“-Partitur; die andere erscheint in den apokalyptischen Wechselbädern aus gleißendem Gipfelgellen und nachtschwarzem Abgrund. Da erreicht die expressive Attacke immer wieder geradezu haptische Unmittelbarkeit und Dringlichkeit. Vor allem aber ist der Fächer musikalischer Gestalten, aber auch Stil-Sphären enorm weit gespannt. Da gibt es bruitistische Eruptionen, ja Exzesse, dann kann er wieder einen Walzer evozieren – und im Salon singt „N.“ sein „Wanderer“-Lied am Flügel, als sei es irgendwo zwischen Schubert und Schumann entstanden. Auf einen Nenner bringen lässt sich dies alles nicht, und das ist gewiss gut so. Denn der Gesamt-Eindruck ist durchaus chimärisch. Zwar weiß man, dass es Rihm mehr und mehr auch um die Wiedergewinnung der, vor allem vokalen, „Linie“ geht – so wie auch Stockhausen immer wieder betonte, wie sehr ihm auch gerade am „Melos“ gelegen sei. Und nicht nur das frenetisch Schroffe möchte er erkunden, auch weichere, rundere, womöglich sogar „schönere“ Klangbereiche will er sich erschließen.
Hüten freilich sollte man sich vor der Konstruktion eines klar abgegrenzten früheren und späteren Rihm-Stils. Denn schon der Rihm der „Abgesangsszenen“ der siebziger Jahre erwies Mahler seine Reverenz. Auch einen elegisch wohllautenden, schier Schubert’schen Klavier-Ländler hat er geschrieben. Insofern wäre es verfehlt, würde man Rihms neuere Werke, vor allem also den „Dionysos“, in krasse Opposition zu „sound and fury“-Werken wie der gewaltigen „Klangbeschreibung“ oder der nur begrenzt semantischen Text- wie Stimmbehandlung der „Eroberung von Mexiko“ oder noch mehr der mutiplen Aggregat-„Zustände“ der „Seraphin“-Serie stellen. Manches war schon vorher vorhanden, manches wird nun wieder wachgerufen. Gleichwohl kann Rihms immense Verfügbarkeit über seine unerhört vielfältigen Mittel auch riskant werden. So wie dem mythischen – nun also doch wieder – König Midas alles zu Gold wird, was er berührt (also auch Essen und Trinken), so könnte zumindest auch Rihms Setzen auf „Fasslichkeit“ der tönenden Erscheinungen, „Aufführbarkeit“ der Stimmen irgendwann zum Danaergeschenk werden: Textverständlichkeit sich der Konvention annähern – und das Zuschreiben auf die Sopran-Equilibristik der fabelhaften Mojca Erdmann zum Selbstläufer. Vielleicht kann Rihm da manchmal allzu umstandslos sogar eher zu viel als zu wenig.
Pierre Audis Inszenierung in den meist zutreffend fremd bleibenden Bildern des überaus vielseitigen Künstlers Jonathan Meese vermied pseudorealistische Konvention. Verstörendere Brechungen freilich wären dem Werk womöglich hilfreicher. Der Bariton Johannes Martin Kränzle als „N.“, der Tenor Matthias Klink als „Ein Gast“/Apollo, auch die anderen Frauenstimmen exzellierten über die Maßen. Und Ingo Metzmachers erfüllter Einsatz für die Partitur mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin war fulminant. Das lange Warten wie Treiben des Dirigenten hat sich exemplarisch gelohnt. Rihm weiß, was er an ihm hat. Beider Könnerschaft hat sich wechselseitig potenziert.
Trotzdem durchzuckte mich eine Reminiszenz. Denn in Salzburg wurde 1966 schon ein wenn auch ganz und gar anderes Dionysos-Stück uraufgeführt: Henzes „Bassariden“. Und Hans Heinz Stuckenschmidt überschrieb damals seine überaus ausführlich-einlässliche F.A.Z.-Kritik mit dem so lakonischen wie doppeldeutigen Satz: „Richard Strauss hat seinen Nachfolger gefunden.“ Völlig aus dem Kopf gehen wollte die Formulierung nicht. Zumal Rihm keinen Hehl daraus macht, wieviel ihm Strauss bedeutet, den er seit einiger Zeit sogar über den früher von ihm noch weitaus höher geschätzten Mahler stellt. Selbst Lachenmann hat zumindest im Gespräch angedeutet, dass auch er nicht mehr so rigide wie einst Mahler gegenüber Strauss vorzieht. Selbstverständlich ist sich Rihm dessen bewusst, dass es eine einheitlich verbindliche Avantgarde-Ästhetik schon lange nicht mehr gibt, vermutlich sogar nie gegeben hat. Die Offenheit von Rihms Komponieren ist allemal eine besondere Qualität. Er sollte sie in mehrfacher Hinsicht bewahren.