Österreichs südlichstes Bundesland Kärnten mit seiner Hauptstadt Klagenfurt am Wörthersee hat es finanziell gesehen nicht leicht. Der frühere Landeshauptmann Jörg Haider ritt mit seinem Stadion-Neubau 2006 anlässlich der EM 2008 das Land tief in die Schulden, bis heute hat es sich nicht davon erholt. Darunter leidet vor allem die freie Kulturszene. Umso eindrucksvoller ist das kleine feine Festival „Musikforum“, ursprünglich 1968 von Friedrich Gulda ins Leben gerufen, das seit 1987 in einem ehemaligen Zisterzienserkloster vor den Toren der Stadt stattfindet.
„Neue Welten 5 – Australia & Oceania meet Europe“ war das Schwerpunktthema 2016 nach Nordamerika (2012), Asien (2013), Afrika (2014) und Lateinamerika 2015. In der Programmgestaltung versuchte man eine Würdigung der indigenen Völker, die eine besondere Rolle spielen sollten. So lud man als „Artist in Residence“ den Didgeridoo-Virtuosen William Barton ein, der mit seiner Mutter Aunty Delmae Barton, einer Sängerin, anreiste. Musikalisch hat sich das Musikforum seit seiner Neugründung immer weiter geöffnet. Die Cellistin Melissa Coleman, Mitglied des renommierten Koehne Quartetts, das seit über 20 Jahren jährlich in Viktring mit dabei ist, beschreibt das so: „Hier ist ein Festival entstanden, das vormals hauptsächlich klassisch orientiert war, sich inzwischen zu einem Event mit internationalem Flair und offen für Stilrichtungen wie Jazz, improvisierte und Weltmusik weiterentwickelt hat.“
Tagsüber finden Workshops und Meisterkurse statt, ab 18 Uhr konnte man sich die Ergebnisse im Kellertheater anhören. Sehr charmant, was die „Schüler“ aller Altersstufen etwa von Asja Valcic (Cello) und dem Akkordeon-Virtuosen Klaus Paier zum Besten gaben. Vor allem wenn man am Vor-abend beim Konzert in der Stiftskirche teilweise die Originalversionen der Profis gehört hatte. „Space- and Timeless“ war dieser Ohrenschmaus betitelt, der in diesem stimmungsvollen Ambiente, stattfand. Der Bajan-Spieler Friedrich Lips gab zur Einstimmung etwa Bachs Toccata und Fuge in d-Moll zu Gehör, eindrucksvoll, was er dabei aus diesem, einer Kirchenorgel gegenüber viel kleineren Instrument herausholte. Das perfekt aufeinander eingespielte Duo Paier Valcic, das sich kaum mehr anschauen muss, die Augen waren meistens geschlossen, bestritt dann den Hauptteil des Konzertes mit Stücken aus seinem Album „Timeless Suite“. Die aufeinanderfolgenden, meist selbst komponierten Tänze mit Titeln wie „Incontro Con Stravinsky“, „Saskia’s Dance“ oder „Amelie’s Fairy Tale“ sind eine Hommage an die europäische Kammermusik und stilistisch angesiedelt zwischen Klassik, Weltmusik und Jazz. Die ungewöhnliche Instrumentenpaarung der beiden Künstler überzeugte dabei auf jeder Ebene. Als Special Guest war der Geiger Gregor Hübner eingeladen worden, mit dem am Ende des Abends auch noch im Trio musiziert wurde. Er sampelte sich sozusagen selbst und spielte zu den aufgenommenen Loops, was ihn wie ein Streichquartett klingen ließ und in die Akustik der Kirche wunderbar passte.
Das Konzert am nächsten Abend sollte eigentlich im stimmungsvollen Arkadenhof stattfinden, wurde aber wegen des Wetters in den Freskensaal verlegt: die Viktringer Jazzdozenten Harry Sokal (sax), Paul Gulda (p), Peter O’Mara (git), Peter Herbert (b), Klemens Marktl (dr), Gregor Hübner (vio) gaben zusammen mit William Barton und dem Multiinstrumentalisten Stephen Kent ein fulminantes Abschlusskonzert. Hier konnte man live erleben, dass die Didgeridoo-Klänge aus Australien wunderbar mit europäischen Jazzklängen harmonieren.
Klassischer wurde es am darauffolgenden Abend mit dem Koehne-Quartett, das zusammen mit dem Gast aus Down Under Stücke australischer Komponisten wie Paul Stanhope, Peter Sculthorpe und William Barton selbst zum Besten gab. Der französische Komponist Denis Dufour steuerte die Auftragskomposition „In Quarto“ bei, die tonal durch die australische Tierwelt führte.
Zahlreiche weitere Konzerte, Vorträge, Filmvorführungen, eine Ausstellung, Lesungen und ein Round Table zum Thema „Begegnungen zwischen Pazifik und Europa“ vervollständig-ten das anregende und Kontinente-umspannende Programm des Musikforum. Tagsüber gibt es Ausflugsmöglichkeiten wie einen Besuch des Mahler’schen Komponierhäusl am Südufer des Wörther Sees. Wer also schönste österreichische Landschaft mit Kultur verbinden will, ist hier genau richtig.