Auf der Musikmesse Frankfurt 2003 stellte die Wiener Universal Edition eine neue World Music Notenreihe vor, mit leichten Arrangements von Volksliedern aus aller Welt (Russland, Israel, Amerika, Irland, Kuba). Als künstlerische Mitarbeiterin für den mit Musik aus Israel wurde Timna Brauer gewonnen. Anlässlich der Ziehung eines UE-Preisrätsels unter dem Thema World Music stellte die neue musikzeitung der Wiener Künstlerin einige Fragen.
Seit Ihrer Ensemblegründung gemeinsam mit Elias Meiri 1985 sind Sie der Weltmusik verpflichtet und haben in fast jedem Ihrer musikalischen Projekte diese als Schwerpunkt. Würden Sie sich selbst als Pionierin der Weltmusik bezeichnen?
Timna Brauer: Die anderen sollen mich als Pionierin bezeichnen. Ich selbst fühle mich überhaupt nicht als irgendeine Pionierin, ich gehe nur meinem Instinkt nach. Mein Mann, Elias Meiri, ist ausgebildeter Jazz Pianist, ich habe eine klassische Gesangsausbildung, habe an der Sorbonne auch Jazz parallel zu den Musikwissenschaften studiert. Es war aber von Anfang an so, dass das, was wir aufgenommen, arrangiert oder produziert haben, immer diesen World Music Touch hatte, sprich: Ich habe mich immer meiner orientalisch-israelisch-jemenitischen Wurzeln besonnen, ebenso wie meiner österreichisch-wienerischen. Und es hat mich immer die Frage fasziniert, wie man diese authentischen Klänge verweben kann. Das Orientalische ist also ebenfalls immer präsent und in meinen Werken drückt sich auch die Sehnsucht nach dem Orient immer mit aus – egal ob wir einen Duke Ellington im Swingstil haben oder Mozart verjazzen.
: Inwiefern ist im Hinterkopf auch die Absicht präsent, mit Ihrer Musik eine Brücke zwischen den Parteien zu schlagen, bei denen Krieg und Auseinandersetzung schon so lange fast selbstverständlich im täglichen Leben stehen? : Das ist ein ganz großer Wunsch und gerade „Voices for Peace“, ein Projekt für zwei Chöre, Solisten und Orchester, versucht diesen umzusetzen. Der Grundgedanke ist, einen israelischen und einen palästinensischen Chor gemeinsam auf der Bühne singen zu lassen und die Rollen zu tauschen – orthodoxe Juden singen über Allah und Maria und Muslimen und Christen singen die heiligsten Gebete der Juden. Wir haben ganz bewusst keine Folklore oder rituellen Gesänge, sondern dieses heikle Thema der Religion für das Repertoire ausgesucht, und glauben, dass dieser Rollentausch etwas bewirkt in den Köpfen. In dieser Gruppe funktioniert das nun schon seit vier Jahren und egal wie die Situation noch eskalieren mag – diese Gruppe hält zusammen. Dies ist quasi mein Beitrag. Es ist zwar sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein, doch es bedarf vieler solcher Tropfen und wenn jeder ein klein wenig dazu beitragen würde, dann würde die Welt auch ganz anders aussehen. : Welche Möglichkeit zum gemeinsamen Musizieren sehen Sie grundsätzlich in der Weltmusik? : Was uns neben den angesprochenen gemeinsamen Musikprojekten seit vielen Jahren begleitet, sind Weltmusikprojekte für Kinder, wobei das Hauptprogramm mit dem Titel „Reise durch die Weltmusik“ genau diese Thematik in den Mittelpunkt stellt. Ich bin dabei mit einem multikulturellen Ensemble unterwegs, um auf humorvolle Weise die vielen verschiedenen Stile der Weltmusik zu präsentieren. Das heißt, Kinder ahmen Stimmtechniken nach oder erraten, aus welchem Land diese oder jene Musik kommt. Die Kinder komponieren auch aus dem Stegreif und erlernen Rhythmen. Das Ganze endet in einem großen Fest, bei dem die Kinder auf die Bühne kommen und Rhythmen in Tänzen wie Tango, Bauchtanz, Afro und Walzer umsetzen.Dabei ist es erstaunlich, wie selbstverständlich und frei sich ein Sechsjähriger in unserer eher steifen westeuropäischen Kultur mit Bewegungen aus dem Bauchtanz oder einem afrikanischen Lied identifiziert – er ist dann der Häuptling, der Afrikaner, weil Kinder einfach noch keine Vorurteile haben. Und dieses Konzept funktioniert von 4-jährigen Kindern bis hin zu 16-jährigen Teenagern. Gerade weil niemand belehrt werden soll, sondern auf der Bühne der Spaß bei der Sache vorherrscht, mit der sich alle identifizieren. Wichtig ist, etwas gemeinsam zu tun, damit Vorurteilen vorzubeugen und zu Offenheit, Toleranz und vor allem zur Neugierde zu erziehen.
: Wie würden Sie in unserer „Pop-Gesellschaft“ den Stellenwert der Weltmusik nun einordnen? : Ich glaube, sehr viele Künstler inspirieren sich hier. Die Popmusik ist beherrschend und gerade von der östlichen Seite war wohl Ofra Haza hier Pionierin, indem sie ihre Lieder „verpopt“ und diese in die weite Welt hinausgetragen hat. : Sie haben in der Reihe World Music der Universal Edition den Band „Israel“ herausgegeben. Welchen Stellenwert spielt die Weltmusik für Sie in der Musikpädagogik? : Sie steckt sicher noch in den Kinderschuhen – gerade hier in Österreich ist es relativ schwer, überhaupt einen Lehrer für bestimmte nicht-westliche Instrumente zu finden. Es hat sich in der Ausbildung leider noch keine Weltmusik-Szene etabliert. Doch bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, in der Schule nicht nur Mozart zu vermitteln, sondern beispielsweise auch eine klassische vietnamesische Musik zumindest zu erwähnen. : Können Sie den Aufbau Ihres pädagogischen Ensembleheftes World Music „Israel“ kurz beschreiben? : Inhaltlich wollten wir die Vielfalt der israelischen Musik präsentieren. In Europa ist eher das Osteuropäisch-jüdische populär, sprich Klezmer, Klarinette, die charakteristische jüdische Hochzeitsmusik, das jiddische Lied. Weniger bekannt ist das Sephardische, also das Jüdisch-spanische aus dem Mittelalter und das Orientalische. Das Jemenitische ist überhaupt unbekannt. Diese Vielfältigkeit ist, was Israel ausmacht. Es gibt in Israel mittlerweile nicht nur die Musik der Länder, aus denen die Juden kamen, sondern es gibt auch eine eigenständige israelische Musik sowohl im Pop-Bereich als auch in der Neuen Musik, aber die Gesamtheit aller ursprünglichen Einflüsse auf die israelische Musik sind dennoch spürbar und das sollte in diesem Band vermittelt werden.