Licht, die Faszination des Lichts als Farbe in der Musik, Klangfarbe in der Bewegung. Farbe, Licht, Klang als Teil des naturhaften Klingens: „Das milde, gefährliche, traumhafte, lebendige, tote, klare, diesige, heisse, heftige, kahle, plötzliche, dunkle, frühlingshafte, einfallende, nach außen dringende, gerade, schräge, sinnliche, bezwingende, giftige, beruhigende, helle Licht. Das Licht“, das sind die Worte des 2007 verstorbenen schwedischen Regisseurs Ingmar Bergmann, die der Komposition „Laterna Magica“ der finnischen Komponistin Kaija Saariaho zugrunde liegen.
Die Auftragskomposition der Berliner Philharmoniker erklang in Luzern als schweizerische Erstaufführung am 2. September nach der Uraufführung in Berlin am 28. August 2009. Mit den Assoziationen zu frühen lebendigen Bilderfolge der „Laterna Magica“ verfolgt Kaija Saariaho die Idee der Klangfarben-Sinnlichkeit, die von einem „Instrument“ wie dem großen Orchester in verschiedenartiger Weise zu entwickeln und zu hören ist. Die Klangfarbe übernimmt die Rolle der Harmonik, sie entwickelt sich aus dunklem „Farblicht“ zu heftigen, plötzlichen Lichteffekten, erscheinen beruhigend und bezwingend. Zu hören oder zu erkennen waren die semantischen Bezüge der Worte Ingmar Bergmanns nicht, sie wurden dekomponiert, leise, geflüstert in die Blasinstrumente, sie verbergen ihren Sinn im Klang, im Klanggeräusch als Teil der Klangfarben-Harmonik. Die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle gestalteten die Partitur souverän, bewiesen hiermit ihr Engagement für zeitgenössische Ausdrucksformen des Klanges, die im Innern des Stückes fehlende Spannung konnte jedoch keine Begeisterungsstürme entfachen, zu wenig signifikant, in Erinnerung blieben die Klänge der „Laterna Magica“.
Den bezug zur Natur, zur Klangfarbe als natur der Instrumente bildete das erste Stück des Programms: Benjamin Brittens „The Young Person´s Guide to the Orchestra“ op. 34, Variations and Fugue on a Theme of Purcell, das der Vielfalt klanglicher Möglichkeiten des Orchesters hören lässt, im Tutti machtvoll majestätisch, differenziert in den spezifischen Eigenheiten der jeweiligen Instrumente.
Die „Symphonie fantastique“ op. 14 von Hector Berlioz geriet zu einer begeisternden Klanggeschichte. Das Thema der Symphonie, der Gedanke des Dichters an seine Geliebte, durchzieht die „Opium-Träumereien“ des ersten Satzes, das Thema beherrscht den „Ball“ , die Faszination des Walzers mit sechs Harfen. Die „Szene auf dem Lande“ mit der einsamen Schäfermelodie, die aus der Stille auftaucht, der Stille der Natur, die aber hier eher bedrohlich erscheint, denn beruhigend, unwirklich, irrational führt in den Fantasien des Dichters zum „Ganz zum Richtplatz“, dem Traum, er habe die Geliebte gemordet und werde nun geköpft, abrupt wird der Gedanke an die Geliebte durch die realistische Klangsprache des fallenden Kopfes unterbrochen. Voller Intensität, Spielfreude und Rasanz fügte das Orchester das „Dies Irae“ mit dem „Hexensabbat“ des letzten Satzes zusammen, fast atemlos hing das Ohr an den Klangereignissen voller Brisanz, mitreißend im Forte, spannungsreich im Pianissimo. Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen, zu „Standing Ovations“ hin. Berlioz Gedanke fand seine Realisierung: „Musik ist die Kunst, durch Töne die empfindsamen, verständigen, gebildeten und mit Vorstellungskraft begabten Wesen anzurühren.“ Dem Orchester und seinem Dirigenten gelang dieses „Anrühren“ durch Klang und Farbe, gelang es, das beruhigende und gefährliche Licht der Farbe, des Klanges in der Natur in der Vorstellungskraft des Publikums zu erzeugen. Ein lange nachklingendes Ereignis.