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Foto: Astrid Ackermann
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Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Hochschule für Musik Hanns Eisler

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Während im britischen Sprachraum die Opernversion von Shakespeares „The Merry Wives of Windsor“, William Waltons „Sir John in Love“, langsam aber beharrlich von Verdis Alterswerk verdrängt wird, rutschten auch die Aufführungszahlen der nur im deutschen Sprachraum bekannten, komisch-fantastischen Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ zugunsten von Verdis „Falstaff“ auf einen nachgeordneten Platz. Otto Nicolais 1849 in Berlin uraufgeführte Oper steht nun unweit des Uraufführungsorts, im Studiosaal der Hochschule für Musik Hanns Eisler, auf dem Programm.

Will man heute Nicolais Oper mit ihren immer noch zündenden Melodien, witzigen und im dritten Akt auch bissigen musikalischen Einfällen sowie ihren – insbesondere für nicht deutschsprachige Sänger – komplizierten Dialogen zur Aufführung bringen, so ist ein kräftiger Zugriff durch Dramaturgie und Regie angebracht.

Die Konzeption des Regisseurs Georgios Kapoglou liest sich im Programmheft nicht schlecht: Da ist von Parallelen des Biedermeier zu den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts und von Edgar Wallace die Rede. Auf der Theaterbühne der Hochschule sieht es allerdings nicht danach aus. Ein unatmosphärisches Einheitsbühnenbild für ersten und zweiten Akt, mit Musterstreifen-Hängern, allerlei Sitz-Puffs, einem Türeingangs-Rahmen, der im zweiten Akt als Theke bespielt wird und einer unsäglich unförmigen Kiste anstelle jenes Waschkorbes, in den Sir John von den Weibern zur Themse verfrachtet wird, wird in den ersten beiden Nummern als Restaurant bespielt, was weder für Verständnis der Handlung noch fürs Spiel selbst etwas bringt. Im dritten Akt hat Ausstatterin Verena Neumann aus besagten Streifenhängern und einigen schematischen Wäschestücken eine für Auf- und Abtritte durchlässige Eiche gebildet. Die aus Frankfurt am Main ausgeliehenen Kostüme rücken die Handlung näher an unsere Zeit; dem entgegen wirken die umständlichen, nur im dritten Akt merklich veränderten Texte der Mono- und Dialoge.

Eigentlich …

Mag sein, dass auch im Spiel die in den sechziger Jahren herrschende Spießigkeit angestrebt wurde, aber in erster Linie vermittelt sich leider nur Unbeholfen- und Verklemmtheit – insbesondere dann, wenn sich die Weiber lustig lasziv geben. Die Abstinenzlerin Frau Fluth ist hier selbst dem Alkohol verfallen und lässt es sich im Wald von Windsor auch gern von Nachbar Reich besorgen, der ein Kettenraucher ist (wobei es meines Wissens in den Sechzigerjahren noch keine E-Zigaretten gab). Während Herr Reich bei seinen Auftritten für viel Qualm sorgt, bleiben alle Trinkgefäße grundsätzlich leer. Da driften Szene und Erzählweisen heftig auseinander, denn eigentlich setzt Regisseur Kapoglou auf drastischen Realismus.

Zu den positiven Überraschungen dieser Produktion gehört das sauber spielende Orchester der Hochschule Hanns Eisler, mit virtuoser Solo-Violinistin (Mayumi Kanagawa), tragenden Holzbläsern, sattem Blech, exquisiter Harfe (Marie Bender) und wirkungsstark operierendem Schlagwerk. Großartig, wie der asiatische Dirigent Seongyun Kim (anstelle des auf dem Besetzungszettel ausgedruckten Stewart Emerson) sich in Nicolais Tonsprache einfühlt und sich zum Anwalt deutscher Hochromantik macht.

Überdurchschnittlich gute Gesangsleistungen

Die Diskrepanz von Spiel und Musik wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass die Aufführung mit überdurchschnittlich guten Gesangsleistungen aufwartet. Extrem schwer hat es der hochgewachsen schlanke Andrei Zhukov, den Falstaff zu verkörpern: mit ordentlicher Stimmführung (bei im zweiten Akt herabgelassenen Hosenbeinen) setzt er mehr auf sein kahlköpfiges Nosferatu-Outfit als auf die im Text unverändert apostrophierte Dickleibigkeit. Unverständlicherweise wird statt seiner im Schlussbild Herr Fluth, der eifersüchtige Ehemann, vom Chor der Elfen bestraft. Stimmlich und als Persönlichkeit zeigt Changbo Wang in der Partie des Herrn Fluth die rundeste Leistung des Abends. Anfängliche Ausspracheprobleme bekommt die spielfreudige, die Partie der Frau Fluth ohne Abstriche bewältigende Gina May Walter zusehends in Griff, auch wenn sie statt des vom Komponisten vorgeschriebenen Lachens nach der Probe ihres Liebesgeständnisses hier Kotzgeräusche von sich geben muss.

Homogen klingen Duett und Terzett der drei Weiber. Caroline Schnitzer begrüßt als Frau Reich ihre Nachbarin in alter Oststandpunktstradition als „Genossin“. Die schönste Stimme des Abends bietet die Südkoreanerin Hanna Jung als Anna Reich, allerdings muss ihre Höhe noch runder und voller werden. Justus Wilcken als ihr im dritten Akt Joints rauchender Vater, gelingt trotz Überzeichnung ein in sich gerundetes Personenprofil. Annas Freier, Fei Su als Junker Spärlich, der stets mit einer Barbie-Puppe als Anna-Fetisch hantiert und Iddo Beit-Halachmi als Dr. Cajus, mit einer im Spiel (wirklich absichtlich?) zu Bruch gehenden Geige, werden von Anna zunächst als Zirkuspferdchen dressiert und dann in der klassischen roten und grünen Verkleidung verkuppelt. Hier stehen sie zu ihrer unfreiwillig eingegangenen, gleichgeschlechtlichen Ehe.

Trefflich singt der zwanzigköpfige, von Stelios Chatziktoris einstudierte Chor. Als Elfen legen die ChoristInnen weiße Bademäntel mit Kapuzen an und drohen mit Haushaltsgeräten, die jedoch nicht gegen Falstaff zum Einsatz kommen, sondern zum rhythmischen Auf-den-Bühnenboden-Schlagen genutzt werden.

Die Schlussbotschaft des jungen Ensembles, nach gut dreistündiger Aufführungsdauer, auf roten Zetteln dem Publikum vorgehalten, lautet: „Frau und Mann sind gleichberechtigt“. Das erntete bei der Premiere einhelligen Applaus.

  • Weitere Vorstellungen: 27., 29., 30. April, 2., 3. Mai 2016

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