Die Spannung war groß: Salvatore Sciarrino, einer der bedeutendsten italienischen Komponisten des 20./21 Jahrhunderts, hatte für die Staatsoper Hamburg eine Oper geschrieben: „Venere e Adone“. Es ist immer schwer, einen antiken Mythos zu vertonen und ihn mit einem aktuellen Sinn aufzuladen. Leider muss man sagen: gelungen ist das nicht. Denn weder die Regie noch die Musik konnten vermitteln, um was es wieder mal ging: Die Liebe und die Frage danach, was sie eigentlich ist.
Dabei kann man Sciarrino bescheinigen: er verlässt mit viel Mut so ziemlich alles, was Operntradition ist. Und er vermeidet Modernitäten wie den Zusatz von Elektronik, sondern vertraut dem geheimnisvollen Zauber seiner Klangerfindung, von der wir so vieles Wunderbare kennen. Die Singstimme – so sagte er in einem Interview – müsse völlig neu definiert werden, nicht von Ton zu Ton aus Intervallen bestehen. Und der 76jährige pflegt seinen berühmten Stil immer weiterer Reduktion mit bewundernswerter Radikalität. Inspiriert hat ihn, der schon Themen wie Shakespeares „Macbeth“ eher handlungsarm als vielmehr dessen innere Schrecklichkeiten vertont hat, ein Text des Barockdichters Giovan Battista Marino und das Gemälde von Watteau „Die Einschiffung nach Kythera“, auf dem nicht ganz klar ist, ob es sich um eine Liebes- oder Todesinsel handelt.
Sind hier so viele Ansätze positiv, so befriedigt das Endergebnis nicht: gerade in Bezug auf die Singstimme erwartete man viel von einem Italiener, der in der großen Tradition der italienischen Gesangskunst steht. Die gruselige Geschichte des Mythos um das Liebespaar „Venere e Adone“, in dem von Amors Pfeil, der in die Hände von Adonis gerät, das „Ungeheuer“, ein Eber, getroffen wird. Der entwickelt auf einmal Liebesgefühle und reißt sein Objekt Adonis in Stücke. Damit wird er zum menschlichsten aller Protagonisten und das taugt natürlich zur Grundsatzfrage nach der Liebe. Die Oper ist, so der Regisseur Georges Delnon, letztendlich ein „Hymnus auf die Liebe“. Wo so viel passiert oder besser passieren soll, staunt man doch, dass es siebzig Minuten lang kaum Stil, also dramaturgische Unterschiede gibt.
„Schiffbruch eines Mythos“ heißt der bedeutungsschwangere Untertitel der Oper. Die Protagonisten, die Götter Vulkan und Mars, das Liebespaar, Amor, das Ungeheuer, die beiden Stimmen als La Fama, singen alle (fast) gleich, beginnen immer mit einem etwas wabernden undefinierbaren sehr langen Ton und sprechen/singen dann in einem Parlandostil weiter. Die anfängliche Spannung, die durchaus auch durch das requisitenarme Bühnenbild – weiße und schwarze, bedrohliche Wolken – (Varvara Timofeeva und Video von Marcus Richardt) und die Fantasiekostüme (Marie-Thérèse Jassen) entsteht, verliert sich schnell durch die minimalistische immergleiche atmosphärisch geisterhafte Tonlichkeit des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg unter Kent Nagano. Die Musik scheint immer um die Töne und Stimmungen, die sie eigentlich produzieren will, fahl zerstäubend, hauchdünn und fragmentarisch herumzuschleichen.
Unter diesen Umständen schwer zu sagen, wie die SängerInnen eigentlich gesungen haben, aber Laila Claire und der Countertenor Randall als Venus und Adonis, Matthias Klink und Cody Quattiebaum als Mars und Vulcano, Kady Evanyshyn als Amor, gaben sich viel Mühe in einem sozusagen Brecht’schen Darstellungsstil. Lediglich Evan Hughes als schwarzes Ungeheuer und die beiden etwas bunteren „Fama“ Vera Talerko und Nicholas Mogg gelingt teilweise die Profilierung von Charakteren und Perönlichkeiten wirklich. Herzlicher, auch begeisterter Beifall.
- Die nächsten Aufführungen: 3.,6. und 8.6. um 19.30.