Der Titel ist der Name eines besonders schwierigen, am Ende aber siegreichen Rennpferds: Emmerich Kálmán war über der Arbeit an der für den Broadway bestimmten Operette „Arizona Lady“ im Jahre 1943 verstorben; ein Jahr später erfolgte die Uraufführung in Bern, instrumentiert von Wilhelm Friebe. Norbert Biermann hat das Particell nun neu in Partitur gesetzt. Dabei hat sich Biermann mit seiner überaus virtuosen Orchestrierung kundig die Spezifik des zwischen Budapest, Berlin, Wien und New York changierenden Stils von Kálmán getroffen. Das zweimalige Pferderennen gemahnt allerdings an die Ascott-Gavotte von Alan Jay Lerners „My fair Lady“.
In den Vorjahren gab es an der Komischen Oper Berlin kurz vor Weihnachten in ähnlicher Form bereits Kálmáns Operetten „Die Bajadere“ und „Die Herzogin von Chicago“. Die im Gesamtspielplan als konzertante Aufführung angekündigte Operette „Arizona Lady“ hat Barrie Koskie voller Schwung und Witz in Szene gesetzt. Zwar stehen vor dem Orchester auch Pulte für die Solisten, aber die benutzen diese bestenfalls als Requisitenablage, zum Mitlesen oder zum rhythmischen Trommeln, spielen und tanzen davor unabhängig von den Noten und auch gerne auf den Stühlen.
Die Wildwest-Handlung des zweiaktigen Librettos von Alfred Grünwald und Gustave Beer ist überaus simpel gestrickt: Lona Farrell ist die strenge Herrin einer Ranch. Der alternde Sheriff Harry Sullivan wirbt um sie, aber sie verliebt sich in den frisch eingestellten Cowboy Roy Dexter, der zunächst für einen steckbrieflich gesuchten Verbrecher gehalten wird, da eine mexikanische Tänzerin falsches Zeugnis gegen den verflossenen Geliebten ablegt.
Wie in einem Serien-Movie stimmt der Chor (einstudiert von David Cavelius) bereits textlos, mit „Aah“, melodisch in die musikalische Einleitung ein, wie auch das fünfköpfige, aus dem Chor der Komischen Oper ausgegliederte Lindenquintett Berlin im Stil der Comedian Harmonists.
Mit Microports klingen Katharine Mehrling als sexy pfiffige Rancherin und der im Udo Lindenberg-Musical gefeierte „Hinterm Horizont“-Darsteller Serkan Kaya als Roy Dexter textverständlich und vokal mehr nach Pop-Szene, denn nach Berlins beliebtestem Opernhaus und dessen sängerischem Niveau. Als Erzählerin der Geschichte bekennt die Entertainerin Mehrling, angesichts der vielen neuen Namen in dieser Story fehle ihr selbst bisweilen der Durchblick, und sie beschwert sich, dass ein – in Koskies Inszenierung allerdings unsichtbares – Pferd ihr die Show stehle. Erotisch lasziv fummelt sie am Revolver ihres Untergebenen herum.
Jens Larsen ist nicht nur der Sheriff, sondern schlüpft als Gedankenleser Cavarelli auch unter einen gelben indischen Turban (Kostüme: Katrin Kath). Den Vogel schießt wieder einmal der Bassist Stefan Sevenich ab, in einer perfekten Travestienummer als mexikanische Tänzerin.
Der Verlust des diesmaligen Verzichts auf Übertitel (in den Vorsitzen) wird bei der kaum textverständlichen Mirka Wagner als Nelly Nettleton deutlich; gemeinsam mit Michael Pflumm bildet die Soubrette das Buffopaar, einmal mit Begleitung der Autohupe.
Vor dem Happy-End haben die Berliner Verantwortlichen noch ein amerikanisches Lied Kálmáns für die weibliche Hauptrolle eingeschoben, einen vom Susaphon obligat begleiteten Love Song mit Chor-Refrain.
Trefflich klingt das mit zweifachem Holz und vier Hörnern besetzte Orchester der Komischen Oper Berlin, angereichert um Harfe, Flügel und Glockenspiel und sogar Pferdewiehern, unter der schwungvoll mitreißenden Leitung von Kai Tietje, nur in melodramatischen Passagen zu laut. Der Dirigent greift auch selbst zur Mundharmonika und begleitet ein von zwei Soloviolinen umspieltes Jodler-Couplet selbst auf dem Akkordeon.
Zum beschwingten Schlussapplaus erklingen die Ohrwürmer dieser Operette als Medley. In der Loge applaudiert unter einem Cowboyhut auch Kálmáns Tochter Yvonne, allerdings sehr viel verhaltener als Barrie Koskie selbst.
Vor Beginn hatte der Hausherr der Komischen Oper Berlin den Bogen von Kálmán zu Schönberg geschlagen, dessen „Moses und Aron“ er hier als nächstes inszenieren wird: Kálmán habe in New York den ebenfalls emigrierten Schönberg besucht, der seinerseits im Fernsehen den wöchentlichen Wildwest-Film nicht ausgelassen haben soll.
- Weitere Vorstellung: 30. 12. 2014