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Markgräfliches Opernhaus Bayreuth
Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth nach der Restaurierung: Blick zur Bühne mit neu rekonstruiertem Bühnenbild. Foto: Achim Bunz
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Opulentes Juwel der europäischen Theaterlandschaft

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Nach umfangreicher Restaurierung wurde das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth wiedereröffnet
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Bayreuth ist zwar als Wagner-Festspielstadt weltberühmt, weniger aber ist bekannt, dass im Markgräflichen Bayreuth des 17. und 18. Jahrhunderts eine Operntradition von europaweiter Ausstrahlung existierte, die mit ihrer architektonischen Hinterlassenschaft, dem Markgräflichen Opernhaus, ein einzigartiges theaterarchitektonisches Juwel besitzt. Wie durch ein Wunder hat es die Zeiten und Kriege unbeschadet überstanden. Vom UNESCO Welterbekomitee wurde es 2012 in den Rang des Welterbes erhoben. Es gilt als bedeutendste erhaltene Spielstätte des Barockzeitalters, weil es an künstlerischer Qualität, an kulturhistorischer Bedeutung und historischer Authentizität konkurrenzlos ist.

Die meisten anderen erhaltenen Barocktheater sind im Gegensatz zu Bayreuth nur noch unvollständig erhalten oder erheblich verändert worden im Laufe der Zeit. Die Erbauung des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth sollte sich eigentlich am neu errichteten Knobelsdorfschen Opernhaus orientieren, das Friedrich der Große 1743 in Berlin errichten ließ, doch nach einem  Zerwürfnis Wilhelmines mit ihrem Bruder wurde der Bayreuther Hofarchitekte Joseph St.-Pierre mit dem Bau der steinernen Außenhülle beauftragt. Zwei Mitglieder der renommiertesten Theaterarchitekten-Dynastie Italiens, Carlo und Giuseppe Galli Bibiena, die auch das Teatro Filarmonico in Verona und das dem Bayreuther frappierend ähnliche Kaiserliche Hoftheater in Wien entwarfen, gestalteten und bemalten den prächtigen, hölzernen Zuschauerraum. Er konnte sich mit den ersten Bühnen Europas messen. Zu Recht gilt das Markgräfliche Opernhaus als eines der vollendetsten Logentheater und als eine der spektakulärsten Schöpfungen der europäischen Festarchitektur des Barock. Es wurde im September 1748 nach einer Bauzeit von nur vier Jahren anlässlich der Hochzeit der einzigen Tochter des Markgrafenpaars, Prinzessin Elisabeth Friederike Sophie, mit einer Aufführung der Oper „Il trionfo d’Ezio“  des europaweit gefeierten Johann Adolph Hasse eröffnet. Erst als zweite Oper folgte sein „Artaserse”. 

Markgräfin Wilhelmine hat nahezu ihr ganzes, kurzes Leben als Intendantin, Komponistin und Librettistin dem Theater gewidmet, um das fränkische „Paradies an Langeweile“ zu ertragen. Sie investierte Unsummen in ihre musische Leidenschaft. Unter ihrer Ägide erlebte das kleine Markgrafentum Bayreuth eine nie dagewesene kulturelle Blüte. Nach dem Ende der Markgrafschaft 1791, als der letzte Markgraf in einem Geheimvertrag seine Fürstentümer Kulmbach und Bayreuth an den preußischen Staat abtrat,  fiel das Markgräfliche Opernhaus in einen Dornröschenschlaf, der erst endete, als Richard Wagner sich auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte zur Aufführung seiner Nibelungentetralogie für das Haus interessierte, es dann aber doch als ungeeignet für sein Vorhaben befand, immerhin aber  1872 aus Anlass der Grundsteinlegung seines Festspielhauses Beethovens Neunte Sinfonie darin aufführte.

Das Haus war bis vor sechs Jahren aufgrund von mehreren früheren, unsachgemässen Restaurierungen in einem bedenklichen Zustand. Daher hat die Bayerische Schlösserverwaltung in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem internationalen Rat für Denkmalpflege ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen: Man wollte langfristig die originalen Bauteile erhalten, das Haus baulich instand setzen und es für einen modernen bespielbaren Theaterbetrieb herrichten. Die technische Infrastruktur wurde komplett erneuert. Die Saalbeleuchtung wurde auf wärmereduzierte LED-Technik umgestellt. Auch die Bühnenmaschinerie wurde auf heutigen Standard gebracht. Es soll künftig von Mai bis Oktober wieder ein Spielbetrieb möglich sein. Nun ist die Stadt Bayreuth gefordert, ein Konzept zu entwickeln. Das Land Bayern hat sich die Sanierung des Hauses immerhin 29 Millionen kosten lassen. Eine „Investition in die Zukunft“, wie der prominenteste Festredner des Staatsakts der Wiedereröffnung, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, betonte. Erfreulicherweise haben die Restauratoren den Urzustand des Hauses bloßgelegt und konserviert, ohne die Spuren der Zeit, des Gebrauchs und der Abnutzung zu retuschieren. Alles, was nicht dem ursprünglichen Zustand entsprach, wurde entfernt. Daher hat man die 1935/36 vorgenommenen Übermalungen abgetragen, um die Geschlossenheit der originalen, (helleren) Farbfassung aus der Bauzeit des Hauses und die illusionistische Malerei wiederherzustellen. Vor allem aber hat man das in den 1930er Jahren erheblich verkleinerte Bühnenportal wieder rückgebaut, um die ursprüngliche Bühnenöffnung von 13,5 m Breite und 10 m Höhe wieder herzustellen. Wie zur Entstehungszeit bildet der Zuschauerraum mit der Bühne, sie war schon zu ihrer Zeit mit 30 m Tiefe eine der größten Europas, nun wieder einen einheitlichen und opulenten Festraum.

Wiedereröffnet wurde das Haus mit Johann Adolf Hasses Oper „Artaserse“. Die Studierenden der Theaterakademie August Everding für Musik und Theater in München haben unter Leitung des Regisseurs Balasz Kovalik eine eigene gekürzte Fassung der Hasse-Oper erstellt, mit eingestreuten Lesungen von Briefen der Markgräfin Wilhelmine, um ihr Leben in dem exotischen Metastasio-Stück über die persische Königsfamilie zu spiegeln, was reichlich verwirrend und irritierend gerät. Wohl nur in preußischer Familiengeschichte versierte Zuschauer dürften den geschwätzigen Abend verstehen. Dass man ausgerechnet die 77-jährige Anja Silja, Altstar der Neubayreuther Wagnerfestspiele, als Wilhelmine auftreten lässt, befremdet, denn die ehrenwerte alte Dame wäre allenfalls in der Rolle der rezitierenden Großmutter von Wilhelmine glaubwürdig. Wilhelmine war eine junge Frau von 39 Jahren, als sie ihr Opernhaus einweihte, sie starb schon zehn Jahre später. Auch dass man in einem Bühnenbild nach einem Entwurf von Csaba Antal Theater auf dem Theater spielt, ist nicht sonderlich originell. Ein kleines Modell des Markgräflichen Theaters wir auf der Bühne desselben hin und her geschoben, gedreht nach allen Seiten. Szenen aus dem von einem grausamen Vater überschatteten Leben Wilhelmines werden nachgespielt. Der Abend gerinnt zu holzhammerhaftem, moralinsaurem Betroffenheitstheater, das allerdings im Bannkreis der szenisch präsenten Kartoffel (die der Alte Fritz in Brandenburg einführte) nicht anders als grotesk zu bezeichnen ist, zumal die Darsteller zeitweise Tiermasken tragen. Trotz prachtvoller Barock-Kostüme von Sebastian Ellrich und der teilweise vorzüglichen Gesangsleistungen der jungen Sänger wird der Abend lang und langweilig, obwohl die Hofkapelle München unter der energischen Leitung von Michael Hofstetters schwungvoll aufspielt. Nachdem man die Produktion im Mai auch noch im Münchener Cuvilliés-Theater zeigt, wird sie gewiss bald vergessen sein. Aber es bleibt ein einzigartiges Juwel, der vielleicht hochkarätigste Diamant unter den historischen Opernhäusern Europas.  
 

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