Bedenkt man die Nähe von Komponist und Spielstätte, dann lag es für die Studierenden und Dozenten der Fachbereiche Gesang und Musiktheater sowie für das Hochschulorchester der Hochschule für Musik und Tanz Köln auf der Hand, Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ als Stück aufzugreifen. Lange Zeit war an der Hochschule nichts aus der leichten Muse gespielt worden und thematisch fügte "Orpheus" sich beinahe organisch in den Spielplan des Kooperationspartners „Bayer Kultur“.
Immerhin war der Komponist 1819 als Jakob Offenbach in Köln geboren worden. Hätte es damals schon die Hochschule für Musik gegeben, vielleicht wäre der talentierte Jugendliche nicht im Alter von 14 Jahren zum Cellostudium nach Paris aufgebrochen?
Nicht zum ersten Mal war der Wahlpariser nun zu Gast im Rheinland, erst letztes Jahr im April haben Studenten zusammen mit wenigen Professionellen unter der Leitung von Igor Folwill Hoffmans Erzählungen an der Bühne von Solingen aufgeführt. Und schon vor Jahren standen „Pariser Leben“, „Verlobung unter der Laterne“ und verschiedene kleine Einakter auf dem Programm.
Insgesamt fünfmal wurde die Opera bouffe „Orpheus in der Unterwelt“ von den Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz Köln aufgeführt und der jeweilige Applaus bescheinigte ihnen ein Fest für Augen und Ohren gegeben zu haben. Die ersten beiden Auftritte fanden im Erholungshaus der Bayer AG in Leverkusen statt, die übrigen drei im hauseigenen mit perfekter Bühnentechnik ausgestatteten Konzertsaal der Hochschule. „Für unsere Studierenden bedeutet die gesteigerte Anzahl der Aufführungen und die weitere Spielstätte einen Zugewinn an ‚echter’ Bühnenerfahrung“, so Reiner Schuhenn, Rektor der HfMT Köln. In den Anfängen musste sich die Opernschule über Jahre mit zwei Aufführungen begnügen, was dem großen Aufwand aller Beteiligten wenig gerecht wurde. Nun sind es in der Regel drei Vorführungen und bei Kooperationen wie dieses Jahr mit „Bayer Kultur“ auch mehr. Wolfgang Rihm’s „Jakob Lenz“ konnte die Hochschule letztes Jahr sogar sieben Mal darbieten.
Wie bei einer professionellen Opernproduktion begann auch in der Kölner Hochschule das Opernprojekt mit dem Casting der Protagonisten. So war der Termin für ein offizielles Vorsingen bereits für den Beginn des Wintersemesters im Oktober 2010 anberaumt. Bewerben durften sich Studierende ab dem 3. Studienjahr, des Master Studiengangs und Konzertexamenskandidaten. Ein vierköpfiges Team, darunter der szenische Leiter Igor Folwill und der musikalische Leiter Stephan E. Wehr, wählte aus rund einhundert Sängern und Sängerinnen die passenden Stimmen für die einzelnen Rollen von Offenbachs Orpheus aus. „Der Orpheus stellt zwar auch Anforderungen an die Sänger, aber nicht so exklusiv, wie andere Opern“, so Prof. Folwill. Die insgesamt vierzehn singenden Darsteller konnten zum größten Teil doppelt besetzt werden, sodass eine große Zahl von Studierenden zum Zuge kam. Die ein- oder mehrmalige Teilnahme an einem solchen Opernprojekt ist für jeden ein Highlight seiner Studienkarriere, ist es doch für die meisten der erste professionelle öffentliche große Auftritt. Das gilt natürlich auch für den Opernchor, die Orchestermusiker und die im Stück auftretenden Solisten. Das Erlebnis im Scheinwerferlicht auf der Bühne zu stehen, bzw. im Orchestergraben zu sitzen, ist für das spätere Berufsleben nicht zu unterschätzen, wenn es auch im geschützten Hochschulrahmen stattfindet. So gehören dennoch die Erfahrung von Konkurrenz, Disziplin, Kritik, Verantwortung, Erprobung der eigenen Leistungsfähigkeit, aber auch gemeinsamer Spielfreude dazu.
Insgesamt war die Aufführung von Orpheus in der Unterwelt eine wahre Sinnenfreude. Mit Leichtigkeit verstanden es die Sänger und Sängerinnen die Bühne schauspielerisch und gesanglich auszufüllen, wenn auch einige Stimmen noch etwas Mühe hatten den Orchestergraben zu überspringen. „Einfach sei dies aber auch nicht für ausgereifte Stimmen“, erklärt Wehr, „denn das Orchester sitzt im Konzertsaal der Hochschule halt am akustisch besten Platz.“ Bühnenbild (Manfred Kaderk) und Kostüme (Angela Schütt) ergänzten sich zu schönen, farblich durchkomponierten Einzelbildern. Für Überraschungen sorgten der Auftritt des als Gast den Diener Hans Styx spielenden bekannten Tenors und ehemaligen Rektors der Kölner HfMT Josef Protschka sowie die im Orpheus personifizierte Öffentliche Meinung. Als Die Öffentliche Meinung plötzlich laut aus dem Publikum ihre Stimme erhob, da waren einige Besucher sichtbar einen kurzen Moment dazu geneigt, die Störenfriedin zum Schweigen aufzufordern und die öffentliche Ordnung nicht zu stören!