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Foto: Wilfried Hösl
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Packendes Kammerspiel versandete in Versatzstücken – Musikalisches Triptychon in München

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Ein musikalisches Triptychon über das Sterben, schwankend zwischen Wut, Mitleid und Resignation. So lässt sich vielleicht am besten zusammenfassen, was Dramaturg Miron Hakenbeck für seine erste Regiearbeit an der Bayerischen Staatsoper aus drei höchst unterschiedlichen Einzelwerken zusammengeleimt hat. Wobei der Abend gleich mit „Rothschilds Geige“ extrem stark startete.

Was vor allem der Verdienst von Hauptdarsteller Sergej Leiferkus war, der Benjamin Fleischmanns Einakter (vollendet von dessen Lehrer Schostakowitsch) quasi im Alleingang trug und die langen Monologe des Sargmachers Jakow vor Intensität beben ließ. Dass der Bariton ganz in seiner Rolle aufgehen konnte, lag dabei zu einem guten Teil auch an Dirigent Daniel Grossmann, der Fleischmanns von jüdischem Kolorit durchsetzte Partitur vom Orchester Jakobsplatz ganz ohne wehmütige Träne im Knopfloch musizieren ließ und in der grandios gesteigerten Schlussapotheose zu beeindruckender Form auflief.

Was damit auf der Marstall-Bühne als packendes Kammerspiel begann, versandete jedoch in der Folge immer mehr zwischen den üblichen Versatzstücken einer langsam aber sicher arg überstrapazierten Theaterästhetik, die sich immer wieder gern am leicht angegammelten Ostschick der 60-er Jahre ergötzt.

Und schon beim zweiten Teilstück des Abends kam dem Regisseur dann leider der innere Dramaturg in die Quere, der auf der Suche nach einer assoziativ passenden Ergänzung bei Hanna Kralls Erzählung „Die Entscheidung“ fündig geworden war. Einem Traktat über Suizidgedanken und Sterbehilfe, das in kleine Episoden zerstückelt vom Tonband kam und mit viel pantomimischer Aktion sowie beudeutungsschwangeren Projektionen künstlich aufgeblasen wurde. Womit man zur Not noch hätte leben können, würde der eingeschobene Sprechtext mit seiner rauschenden Tonkollage aus Bach und Verdi den Abend in musikalischer Hinsicht nicht völlig auseinanderreißen.

Dabei hätte sich auch ohne dieses unnötige Beiwerk ganz leicht eine logische Brücke zu Sarah Nemtsovs Kammeroper „Herzland“ herstellen lassen, die in der Nachfolge Fleischmanns einen Zeitsprung nach vorne macht und den Holocaust-Überlebenden Paul Celan ins Zentrum rückt. Auch, wenn die jüdischen Elemente in ihrer unspektakulären Musik oft wesentlich kleinteiliger ausfallen und nur fragmetarisch in Erscheinung treten. Die Identität blitz immer wieder kurz auf, droht jedoch wiederholt assimiliert zu werden und sich in großen monotonen Flächen aufzulösen. Nach Assoziationen muss man da eigentlich kaum noch suchen. Schön wäre es für den Zuhörer allerdings gewesen, wenn auch hier die Übertitel zum Einsatz gekommen wären. Wenn man nämlich die Aktion derart zurücknimmt wie Hakenbeck dies tut und die Diskussionen zwischen Celan und seiner Frau weitgehend als zahmes Ehedrama am heimischen Esstisch ausfechten lässt, wäre Textverständnis oberstes Gebot. Und die war bei Anna Radziejewskas wabernden Vokalisen eben nicht annähernd gegeben. Was zur Folge hatte, dass sie ihrer Figur deutlich weniger Profil verleihen konnte als Partner Urban Malmberg, der seine stimmlichen Achterbahnfahrten mit hoher Exaktheit bewältigte. Im szenischen Niemandsland kämpfte allerdings auch er leider auf verlorenem Posten.

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