„O je, o je, wie rührt mich dies...“ lamentieren Rosalinde und Gabriel von Eisenstein zusammen mit ihrer Kammerzofe Adele. Acht Tage muss der feine Herr des Hauses in den Knast. Welch eine Schmach! Andererseits eröffnet just dieser Umstand seiner Gattin doch interessante Perspektiven hinsichtlich ihrer Freizeitgestaltung! Ein Tête-à-Tête mit Alfred, ihrem ehemaligen Verehrer? Der kam ja gerade erst überraschend durchs Badezimmerfenster und machte ihr erneut Avancen. Weshalb also nicht die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen! Das Hausmädchen wird rasch fortgeschickt, den Gatten darf man ohnehin hinter Gittern wähnen … – sturmfreie Bude also.
Perlt ab: Eine „Fledermaus“ an der Oper Dortmund ohne Fehl und Tadel
Die folgende Geschichte von der „Fledermaus“ ist hinreichend bekannt und man darf sich auf das pikante Verwechslungsspiel freuen, das sich im Hause des Prinzen Orlofsky abspielen wird. Die „Rache der Fledermaus“ nimmt hier ihren Lauf. Am Ende, wenn sich die ganze bürgerliche Gesellschaft im Gefängnis wiedersieht, gibt es einen Schuldigen: den Champagner, den „Feuerstrom der Reben“.
Champagner fließt auch in der Inszenierung von Hinrich Horstkotte. Er füllt sogar imaginär die riesige Badewanne, in der Orlofsky sein rauschendes Fest abhält. Die Wanne indes bleibt nur Staffage ohne weitere Bedeutung. So wie die Szene, mit der Johann Strauß’ Ouvertüre bebildert wird: Da wuselt jede Menge Personal vor einem Badehaus des ausgehenden 19. Jahrhunderts; Türen der Kabinen werden geöffnet und geschlossen, man neckt sich, man hascht sich. Dann verwandelt sich die Bühne zur heimeligen Wohnung Eisensteins. Und das von Direktor Frank kontrollierte Gefängnis erweist sich im dritten Akt als die Unterseite der zuvor erlebten Badewanne im XXL-Format. Mit Gitterrost, Abfluss und Zufluss – kein schöner Ort.
Horstkotte erfindet schöne, nette Bilder, steckt als Kostümbildner das Personal in farbenfrohes Textil. Das alles ist opulent und auch schön anzusehen. Witze werden gemacht, auch optisch: so ist Orlofsky hier kein vom Leben angeekelter Prinz, sondern eine etwas alberne Göre mit einer Figur, die an „quadratisch-praktisch-gut“ erinnert und mit Prinz-Eisenherz-Frisur herumlaufen muss. Dennoch wirkt das Ganze nicht wirklich witzig, schon gar nicht hintersinnig in dem Sinne, als sähe man einer bürgerlichen k.u.k-Gesellschaft hinter ihre Fassade. Der Champagner, könnte man sagen, ist schon etwas abgestanden …
Gesungen wird gut! Fritz Steinbacher als genasführter Eisenstein spielt toll und singt glanzvoll, Tanja Christine Kuhn ist seine Gattin Rosalinde mit kraftvoller Stimme, die als „ungarische Gräfin“ auch den Csárdás drauf hat; Sooyeon Lee mimt klangschön mal die kalkulierende Zofe, mal die „Unschuld vom Lande“, Countertenor David DQ Lee fügt sich als Tolpatsch in die Personenkonstellation ein. Für den Operntenor Alfred mobilisiert Sungho Kim strahlende Italianitá, Morgan Moody schlüpft stimmlich und darstellerisch überzeugend in die Rolle des Gefängnisdirektors. Herrlich aufgeregt wuselt Christian Pienaar als Advokat Dr. Blind durch die Szenen.
Die Dortmunder Philharmoniker unter Motonori Kobayashi sprudeln die Strauß-Melodien ohne Fehl und Tadel und mit fein schattierten Farben hervor. Dynamisch hält Dortmunds Erster Kapellmeister ein durchweg sängerfreundliches Niveau; was fehlt, ist das scheinbar Spontane und auch das Hintersinnige, das Strauß in seiner Partitur anlegt. So geht das Orchester konform mit der Regie: man kann sich unterhalten lassen, aber das Prickelnde, das Feinperlige eines Champagners geht dem Abend ab.
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