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Trilogie der verbrannten Erde © Thomas Müller

Trilogie der verbrannten Erde © Thomas Müller

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Perspektiven zur Klimakatastrophe: Dumbworld mit drei Miniopern beim Kunstfest Weimar

Vorspann / Teaser

Bereits im Pandemie-Sommer war das 2009 in Irland gegründete Kollektiv Dumbworld beim Kunstfest Weimar zu Gast und präsentierte mit dem Deutschen Nationaltheater an verschiedenen Orten im Stadtraum den siebenteiligen Zyklus „Wegwerfopern“. Zu seiner Rückkehr 2024 blieb es bei einer artistischen Umsetzung von drei neuen Miniopern als Film: Die deutsche Erstaufführung von „Trilogie der verbrannten Erde“ des irischen Komponisten Brian Irvine (geb. 1965) ereignete sich als Projektion im Hof der Weimarer Universitätsbibliothek. 

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Es war einer brütend warmen September-Abende, an denen man seit Beginn der Klimamessungen eigentlich weitaus kühlere Temperaturen erwartete. Auf der Mauer des Gebäudes erinnert sich Vater Eisbär zu Beginn von Brian Irvines „Won’t bring Back the Snow“ (‘wird den Schnee nicht zurückbringen) mit fast toxischen Intervallsprüngen und ein bisschen Sentiment in der Stimme an die Jagd auf Robbenbabys und das schöne wilde Raubtierdasein. In der ersten von drei „sarkastischen Kurzopern als Kommentar zur Klimakatastrophe“ gerät er allerdings mit seiner durch Social Media und Smartphone zahm gewordenen Tochter aneinander. Wenn die beiden Generationen von artgerechter Lebenshaltung sprechen, meinen sie nicht dasselbe. Der Vater spricht von der natürlichen, das Kind von der digitalen Wildnis. Ob die Lebensform der Alten oder die Umgangsformen der Digital Natives die Umwelt mehr belasten, steht im Hintergrund des fein gestaffelten Schlagabtausches. 

An die dreißig Zuschauer hatten sich zur Premiere eingefunden, Kopfhörer aufgeklemmt und ihre Blicke zu den Videoclips der drei Zehn-Minuten-Opern Irvines gerichtet: Kleines Produktionsteam, ein aufgewecktes Ensemble und dramaturgisch sinnfällige Video-Effekte. Das verschlankte Personalaufkommen der Irish National Opera demonstrierte perfekte Musiktheater-Effizienz. Im Dunkel können die Zuschauer ihre Position(en) auf dem Hof frei wählen. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Projektionsfläche und die Isolation durch die Headsets bewirken, dass man weniger von den Reaktionen der anderen mitbekommt als in einer ‚normalen‘ Theatersituation. Im Grunde etabliert sich hier ein nichtphysisches Musiktheater, das sich während der Pandemie stark entwickelte – als Minioper in filmischer und virtuoser digitaler Aufarbeitung. Die Zusammenkunft vor Publikum wird zum Outdoor-Event, die Kürze der Stücke ließe eine Veranstaltung bei niedrigeren Temperaturen zu. 

Auch die Musik wirkt hier leicht synthetisch. Brian Irvine ist ein musikalischer Multistilist und holt sich die passenden Klangsprachen aus allen ihm zusagenden Musiknischen. Extreme der Tongebung treten nur punktuell auf. Irvine schätzt Ensemble-Sätze, welche Belustigung über sich selbst zeigen. Seine Partitur schmiegt sich den kurzen Sätzen John McIlduffs an. Nach den ohne Zäsuren ineinander übergehenden Miniopern gibt es kurzen heftigen Applaus. Scorched Earth Trilogy“ liefert Botschaften auf knappsten Raum. Die visuelle Seite zeigt mit Mülltonnen und einem Speiseeis-Icon in Rainbow-Colours alles Nötige. Am Ende blühen Blumen mit einer zu schönen Üppigkeit, um wahr zu sein. Die motorische Verspieltheit der Musik und das Videodesign geben der Erde gegen die Klimakatastrophe keine Chance. 

Trickle Down Economics“ (Abwrackwirtschaft) ist eine genderneutrale Wallstreet-Groteske. Da verrichten Wirtschaftsfunktionäre ihr kleines amtliches und dann auch noch ihr physisches Geschäft. Die Pfütze mit den Papierunterlagen steigt und steigt. Dann bildet sich auf den immer größeren Abwassermassen eine Schlammoberfläche, die den sich Super-Rettungen und Super-Renditen versprechenden Businesshaien bis zum Hals steht und sie dann überspült. Erst kommen die großen Fische, dann die Riesenboote mit Klimaflüchtlingen. Super-Rendite, Super-Zahlen, Super-Katastrophe! – In „Revival“ wagen Heranwachsende dann, ihre Gasmasken abzulegen. Sie gießen dem sauren Boden und erste Pflänzchen sprossen. Doch da werden das Ambiente und das Panorama nicht rosarot, sondern bleiben vorerst schwarz. Nur Irvines Musik wagt getragene Tröstungsakkorde, an die niemand so recht glauben will. 

Es gab in den letzten Jahren immer wieder hochsommerliche Tage zum Kunstfest Weimar in den letzten August- und ersten September-Tagen. Aber seit Langem waren die Nächte nicht so warm wie 2024. Insofern ist dieses filmische durchaus auch prärealistisches Musiktheater.

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