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Simon Rattle dirigiert Janáčeks »Das schlaue Füchslein«. Foto: Monika Rittershaus
Simon Rattle dirigiert Janáčeks »Das schlaue Füchslein«. Foto: Monika Rittershaus
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Peter Sellars’ animalische Inszenierung von Janáčeks „Füchsin Schlaukopf“ in der Berliner Philharmonie

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Einmal in Janáčeks 1924 komponierter Oper „Příhody lišky Bystroušky“ steht die vom Förster gefangene, sich dann befreiende Füchsin im Mondlicht plötzlich als ein junges Mädchen da, verwandelt sich dann aber zurück. Der amerikanische Regisseur Peter Sellars sieht die Begeisterung des Försters für die junge Füchsin von Anfang an als eine Metapher für die Liebe des alternden Mannes zu einem jungen Mädchen – so wie der Komponist sich durch seine leidenschaftliche Beziehung zu Kamila Stösslová zu dieser Oper inspirieren ließ.

Nachdem der Förster in der ersten Szene ein (singendes) Fuchs-Kind gefangen hat, wandelt sich dieses in wenigen Augenblicken zur schlanken, hochgewachsenen Frau mit blonder Mähne, und das erste Zwischenspiel zeigt den Förster mit ihr in einer leidenschaftlich wilden, körperlichen Liebesszene.

Das passiert auf einem nackten, achteckigen Spielpodest vor dem Orchester, auf dem auch der Dirigent Simon Rattle positioniert ist – als ein sich frei bewegender, fast tanzender Mittler zwischen animalischen Welten und überbordenden Klängen der von Janáček entfesselten Natur.

Aggressiv reagiert die Försterin (Paulina Malefane) auf das Mitbringsel ihres Mannes: es ist die pure Eifersucht gegen jene schöne Frau, die vom Förster mit einer Handschelle an den Tisch gefesselt wird. Und auch die anderen Autoritäten des Dorfes, der Pfarrer und der Schulmeister träumen und denken, wenn sie von Terynka sprechen, nur an die ungebärdig schöne wilde Füchsin – quasi eine Umkehrung der sexuellen Beziehung der Forscherin Dian Fossey zu den von ihr betreuten Gorillas.

Bis Charles Mackerras sich für Janáčeks originale Partitur einsetzte, wurde eine von Max Brod inhaltlich domestizierte und von Vaclav Talich klanglich gemäßigte Fassung gespielt. Allein Walter Felsenstein hatte sich in Berlin mit seiner legendären, glücklicherweise auf DVD noch zu erlebenden Inszenierung dem Original angenähert, allerdings jedoch den männlichen Fuchs mit einem Tenor besetzt, obgleich diese Partie für Sopran komponiert ist. Möglicherweise hat Janáček diese Besetzung im Hinblick auf die musikalische Erotik zwischen Octavian und Sophie in Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“ gewählt. In Sellars’ Neuinszenierung erhält die Liebesszene von Füchsin und Fuchs als Hosenrolle eine homoerotische Komponente.

Die jungen Füchse und auch die meisten anderen Tiere des Waldes werden von Kindern, den Vokalhelden des Education Programms der Berliner Philharmoniker, gespielt und gesungen. Deren wilde Tanz-Bewegungen sind abgeleitet von heutigen Musikstilen, welche die Kinder in einem Handy hören, und auch die Stimmen des Waldes, die erwachsenen Choristen des Vocal-Consorts Berlin, tanzen jazzig. Selbst der Hochzeitstanz des sich küssenden Fuchs- Paares, umringt von der Feiergesellschaft des Waldes, gemahnt an Twist. Abgesehen von Tisch und Stühlen, die bisweilen im Spiel herein- oder herausgetragen werden, kommt diese Produktion ganz ohne Dekorationen aus.

Den vorproduzierten Videos auf vier Flachbildschirmen, optimal mit der Musik koordiniert, gelingt es, am bloßen Illustrieren vorbeizukommen: Flora und Fauna, schwebende Mücken und Käfer, sich paarende Libellen – aber auch Hühner-Massentierhaltung in verlangsamten oder beschleunigten Bildern. Und wenn in der Szenenangabe der Oper von einem „herbstlichen Wald“ die Rede ist, dann peitscht in den Videos dieser Inszenierung der Sturm die Baumkronen und wird so der musikalischen Stringenz des Vorspiels zum dritten Akt gerecht. Danach gibt es in der Ästhetik der Videoeinspielungen einen bewussten Bruch: ein folkloristischer Hochzeitstanz des Wilderes nach dem Tod der von ihm erschossenen Füchsin sorgt für Erschrecken vor der Zivilisation, wie auch die Stills der im pantomimischen Spiel unsichtbar bleibenden Requisiten des von der Füchsin gerissenen Hasen und der vom Förster ausgelegten Fuchs-Falle.

Selten nur holen orchestrale Unpässlichkeiten der ansonsten hinreißend disponierten Berliner Philharmoniker den Hörer in die Realität zurück. Simon Rattles Begeisterung für Rhythmik wird hier zum inneren Motor im Klangkosmos jenes Tongewebes, das kongenial die Bewegungsvielfalt der Natur um uns einfängt. Dabei geht Rattle auf in Sellars’ neuer szenischer Deutung, deren Libretto mehr als einmal textlich damit spielt, dass die Geschichte einmal zu einem Comic und dann auch noch eine Oper werden wird.

Obendrein ist der in tschechischer Originalsprache erklingende Abend ein Sängerfest mit großartigen gesanglichen und verblüffend exzessiven körperlichen Leistungen eines durchwegs schwarz, aber nicht uniform gewandeten Ensembles. Sympathisch, wie souverän Gerald Finley den in seiner Leidenschaft aufgehenden Förster mit weichem Bariton verkörpert, hinreißend Lucy Crowe als Füchsin Schlaukopf, die mit jubelnden Spitzentönen für das Aufbegehren der Frau in einer neuen Zeit gegen die alte Gesellschaft eintritt.

Burkhard Ulrich, der zuvor auch den Hahn im aufgeregten Hennenstall verkörpert hatte, bewegt sich als Schulmeister berauscht tierisch – auf drei Beinen. Angela Denoke ist ein gleichermaßen schlaksiger wie spannungsgeladener Fuchs, Sir Willard White als Dachs wie als Pfarrer stets überaus intensiv – sogar in einer stummen Szene im Schlussakt.

Die Anspannung des Publikums, angesichts der in einem nicht originären Theaterraum geschaffenen, spannenden Musiktheaterproduktion, entlädt sich am Ende mit fast hysterischem Jubel.

Musik-Freunde, die sich vor der Premiere mit Schildern „Karte gesucht“ bemühten, noch ein Ticket für die restlos ausverkaufte Philharmonie zu ergattern, seien eine Aufmunterung für die Leser, ebenfalls ihr Glück zu versuchen, noch eine der nachfolgenden Aufführungen besuchen zu können.

Ein Meisterwerk in musikalisch fesselnder, szenisch mitreißender Umsetzung!

  • Weitere Aufführungen: 13. und 14. Oktober 2017.

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