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Pionierarbeit für zeitgenössische Musik in Mecklenburg-Vorpommern

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Neue Musik! Noch immer stößt sie auf Gleichgültigkeit, Ablehnung oder zumindest tief verwurzelte Skepsis. Komponisten, Interpreten und der Kreis ihrer Anhänger müssen im Übrigen noch immer mit einer Musikpraxis leben, die sie weitgehend in Reservate spezieller Veranstaltungs- und Darbietungsfor-men verbannt – was andererseits natürlich auch Chancen einer kompakten und öffentlichkeitswirksam zielgerichteten Vermittlung bietet.

Nicht zufällig hatten deshalb der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Deutschen Komponistenverbandes, der Verein für Neue Musik Mecklenburg-Vorpommern und die Hochschule für Musik und Theater Rostock ihr nunmehr zum zweiten Male veranstaltetes Festival für Neue Musik „Brücken“ genannt. Der von Peter Manfred Wolf, Hochschulprofessor und überaus engagierter Künstlerischer Leiter des Unternehmens nachdrücklich geäußerte und sehr begründete Wunsch: das Angebot möge auf unvoreingenommene Offenheit stoßen und auf diesem Wege Rezeptionsmöglichkeiten für das eröffnen, was Neuer Musik zwar oft genug abgesprochen wird, sie aber tatsächlich auch kann: interessieren, provozieren, erfreuen, unterhalten, bewegen, ja hinreißen! Wer die Veranstaltungen zwischen dem 21. und 28. Mai 2006 in Schwerin, vor allem aber in Rostock erlebt hat, kann das nur bestätigen. Konzert, öffentliche Probe, Workshop mit Schülern und Studenten, Diskussion und Vortrag (Prof. Dr. Werner Klüppelholz) – dies die tabulos und mit selbstverständlicher Lockerheit gehandhabten Veranstaltungsformen. Dann aber wahre Highlights mit der persönlichen Anwesenheit zweier ganz Großer der Neue-Musik-Szene: Mauricio Kagel und Sven-David Sandström; ersterer einer der über Jahrzehnte hinweg inspirierendsten Anreger weltweit, letzterer ein synthetisierender „Transformator“ skandinavischer Musikkultur in die Szene zeitgenössischer Weltmusik. Beider Anwesenheit – sozusagen geballte Kompetenz zum Anfassen – war ein Glücksfall, ebenso wie der dreier hervorragender Spezialensembles: des „ensemble recherche“ aus Freiburg, des in diesem Falle sogar 23 studentische Akteure umfassenden „Ensemble Neue Musik der Hochschule für Musik und Theater Rostock“ (Leitung Edith Salmen) und des Rostocker „ensemble mv-connect“. Und dann war da noch die Musik selbst: 46 Werke von 24 Komponisten; von Kagel allein 13, von Sandström 11. Hinter diesen Zahlen verbarg sich ein Bild von so erstaunlicher wie eindrucksvoller Vielfalt und eine Woche höchst lebendig wirkender Neuer Musik. Nicht weniges davon dürfte den Besuchern als interessantes Angebot oder auch unmittelbar packendes Kunstwerk im Gedächtnis geblieben sein.

Das begann mit der ausschließlich Kagel (Con voce, Match, Mitter-nachtsstück) und Sandström (just a bit, Pieces, Inside, Combinations) vorbehaltenen Eröffnung und endete mit einem Porträtkonzert des letzteren (Sonata per flauto solo, Mosaic for string trio, Diabas for violin solo, Closeness for clarinet solo, Close to...for clarinet and piano, Cello Sonata for cello solo). Dazwischen fesselte Kagel mit einem brillant inszenierten „Tribun“, den beiden faszinierenden Klaviertrios (Liszt-Trio Weimar) und manch anderem Kammermusikwerk.

Zu Wort kamen aber auch Cecile Ore, Marcus Schmickler, Hans Abrahamsen, Carola Bauckholt. Yuval Shaked und Bernt Sørensen mit stets hörens- und diskussionswürdigen Beispielen einer Suche nach neuen und attraktiven formalen wie klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten. Hierzu zählte auch das traditionelle Konzert mit Kompositionen aus dem landeseigenen Verband (Oliver Korte, Peter Manfred Wolf, Peter Tenhaef, Andreas Pieper, Malte Hübner, Gordon Kampe, Birger Petersen und Lutz Gerlach). Und wer den gerade ob seiner unorthodoxen Stücke hinreißenden, neben Kagels Trios wohl expressivsten Abend mit dem jungen Akkordeonisten Alexander Matrosow erlebt hat, weiß, wie variabel und perspektivreich Neue Musik tatsächlich sein kann. Das ist die sicher wichtigste Botschaft dieses von bewundernswertem Engagement getragenen Festivals. Möge sie künftig verstärkt Gehör finden!

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