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Plattform für den musikalischen Nachwuchs

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Londons Park Lane Group mit regelmäßigen Konzertserien
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Im London der 50er des zurückliegenden Jahrhunderts gab es keinerlei Organisation, die den Nachwuchs vorstellte und ihm die Chance bot, sich einem Publikum zu präsentieren. Mit dem festen Willen, ein Forum für sich und andere zu schaffen, trafen daher 1956 drei Studenten der Guildhall School of Music and Drama einen gewissen Mr. GP Catchpole in dessen Londoner Stadtpalais Park Lane House an Londons berühmter Park Lane gegenüber der Ostseite des Hyde Park. Bei ihm fanden sie offene Ohren und tatkräftige Mithilfe, verfügte er in seinem leider inzwischen abgerissenen Haus doch über ein kleines Theater mit 150 Plätzen und einen ebenso großen Saal.

Da besagter Mr. Catchpole häufig verreiste, schlug er den Studenten vor, während seiner Abwesenheit hier ihr Vorhaben zu verwirklichen – und dies kostenlos; lediglich für den Strom mussten sie selber aufkommen. Damit schlug die Geburtsstunde der Park Lane Group(PLG), die hier bis 1960 ein festes Zuhause hatte und jährlich mit vier Konzertserien noch unbekannte Musiker in London zum ersten Mal vorstellte, darunter schon 1956 etwa den Klarinettisten Alan Hacker, die Sopranistin Gwyneth Jones und den Pianisten John Ogdon. Der wachsende Erfolg führte zu einer ständigen Erweiterung der Aktivitäten; doch mit dem Auszug aus Park Lane House 1961 blieb nichts anderes übrig, als kleinere Londoner Konzertsäle zu mieten, was die jährlichen Kosten erheblich steigerte. Für die Vision der PLG, eine prominente Plattform für hervorragende junge Musiker zu bieten, gewichtige und fantasievolle musikalische Anlässe zu organisieren und das Leben und Werk bedeutender Musiker zu feiern, steht gegenwärtig ein jährliches Budget von rund 250.000 Euro zur Verfügung, wozu allerdings der Arts Council of England inzwischen nichts mehr beiträgt. Vielmehr ist die PLG auf Musik orientierte Trusts, gemeinnützige Stiftungen und auf Gelder aus Industrie und Wirtschaft angewiesen, während der Freundeskreis der PLG einen weiteren nicht unerheblichen Beitrag leistet und einen so genannten „Endowment Fund“, ein Stiftungskapital, zur Stabilisierung beiträgt.

Die seit Jahrzehnten am stärksten im öffentlichen Bewussstein verankerte Konzertreihe „New Year Series“ findet die zweite Januarwoche über im Purcell Room an Londons Southbank Arts Centre statt. Von Montag bis Freitag stellen sich täglich in einem einstündigen Rezital um 18 Uhr und einem zweiteiligen Konzert um 19.30 Uhr junge Künstler vor, die nach ihrer Bewerbung und einem überstandenen Vorspiel ebenfalls im Purcell Room in den Monaten Februar, März und April des Vorjahres als besonders förderungswürdig augesiebt worden waren. Dabei gelten als Bedingungen ein maximales Alter von 29 Jahren beim Vorspiel, das gegenwärtige Studium an einer britischen Musikhochschule oder das Engagement in einem in Großbritannien beheimateten Orchester/Ensemble. Allerdings können die für würdig befundenen Künstler ihre Stücke nicht selbst bestimmen. Dies unterliegt einem zwölf-köpfigen Programmkomitee, das sich der zeitgenössischen Musik verpflichtet sieht, an Kontrasten und innerer Homogenität der Konzerte interessiert ist und zugleich einen Komponisten bestimmt, dessen Œuvre besonders herausgestellt wird – zumeist jener zeitgenössische Komponist, der im Repertoire der Finalisten am häufigsten auftaucht.

In diesem Jahr hatten sich für das Marathon aus 10 Konzerten 166 Musiker beworben. Reduziert auf 26 Mitwirkende sah man sich mit Streichquartett, Streichtrio, Harfenduo, Klavier zu vier Händen, Klavierduett, Fagott, Querflöte, Violine, Violoncello, Sopran und Klavier sowie der Interpretation von 58 Werken konfrontiert. Die Rolle des so genannten „featured composer“ kam dem 1977 in Osaka geborenen und gegenwärtig bei George Benjamin am King’s College in London studierenden Japaner Dai Fujkura zu. Mit insgesamt sechs Kompositionen legte er eine erstaunliche stilistische Vielfalt an den Tag, ohne allerdings bereits zu überzeugen. In Anbetracht des 100. Geburtstags von Michael Tippett kamen zusätzlich seine vier Klaviersonaten zur Aufführung. Die 17-jährige attraktive Alissa Firsova, die Tochter von Elena Firsova und Dmitri Smirnov, unterzog Nr. 1 einer russischen Gehirnwäsche, was diesem Jugendwerk schlecht zu Gehör stand; Nr. 2 stand im Zentrum eines ausschließlich von extremer Technik diktierten, wenig erquicklichen Rezitals der 24-jährigen Mei Yi Foo aus Malaysien; die 28-jährige Schottin Christina Lawrie bewies in Nr. 4 einen erstaunlichen Nuancenreichtum, meisterte jedoch die Spannungsbögen dieses inhaltlich extrem diffizilen Werks nur bedingt; letztlich blieb es dem 27-jährigen Engländer David Alexander vorbehalten, Tippett in überzeugendster Manier eine begeisternde Referenz zu erweisen. Aus dem Rahmen fielen weiter das Elysian Streichquartett, der Fagottist Adam Mackenzie, der Flötist Richard Craig, die Cellistin Marie McLeod, das Harfenduo Keziah Thomas und Eleanor Turner(unter anderem mit dem Concertino per Due Arpe des Holländers Lex Van Delden – 1919-1988) und das Kesh Piano Duo – allesamt vielversprechende junge Künstler, deren Namen es zu registrieren gilt. Eine inspirierende Tour de force.

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