Das vielerorts beklagte „Auf und Zu“ trifft etablierte Theater besonders: wie sollen da Werkstätten, Proben, Verträge und Aufzeichnungen geplant und dann Aufführungen realisiert werden? Die Oper Frankfurt hat nun für Camille Saint-Saëns‘ chorlosen „Karneval der Tiere“ eine Kombination gefunden, die viele Probleme visuell und akustisch löst.
Das Stream-Bild zeigt den sich schließenden Eingang zum Bockenheimer Depot, diesem unbedingt erhaltenswerten „anderen Spielort“. Dann schweift der Blick durch die komplexe Dachkonstruktion, die altes Holzgebälk und modernen Stahl für die Theatertechnik vereint. Das Licht wirkt irgendwie magisch bis exotisch – und da mischen sich auch Publikumsgeräusche und allerlei Tierlaute. Die Kamera führt in eine irgendwie im dunklen Raum schwebende, opulente Loge à la Grande Opéra: vergoldete Ornamente, roter Samt, Portalstützen aus antiken Nymphen. Da sitzt ein Herr im Frack und erzählt, dass alle nicht gekommen wären, wenn es sich nicht „um ein kulturelles Ereignis von erregender Einmaligkeit“ handeln würde, den „Karneval der Tiere“ – er schaut durch sein goldenes Lorgnon – und wir mit ihm in zwei kreisrunde Blickausschnitte: auf eine wilde, bunte, aber „edel“ gekleidete Tiergesellschaft unten in der Sitztribüne: da wird zu Tier-Kopf, -Pfote, -Pranke und -Haut allerlei Talmi-Schmuck, Abendrobe, Pelz und sogar Kopfschmuck getragen – man ist ja schließlich wer!
Das ist eine gelungene Video-Montage, mit der Ausstatter und Filmbildner Christoph Fischer sowie Regisseurin Katharina Kastening alle derzeitigen Besuchsverbote in einer Vorwegaufnahme gekonnt überbrücken. Da gibt es in regelmäßigen „Einblicken“ zwischen den Musiknummern was zu gucken und zu staunen, denn der Theater- und vor allem der Kostüm-Fundus haben einfach „alles“ ausgegraben… so kunterbunt entlarvend, dass kurz philosophiert werden muss, ob nicht diese tierischen Exoten eher wir Menschen in allerlei Kostümen sind.
Nur kurz, denn dann setzt die Musik ein: eine Krankamera hoch über dem Podium blickt senkrecht nach unten, auf die in Pandemie-Abständen sitzenden zwanzig Instrumentalisten des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters sowie zwei offene Konzertflügel; an denen sitzen In Sun Suh und Lukas Rommelspacher, der spielt und dirigiert. In guter Aufnahmetechnik wirkt der Marsch der Löwen wirklich „maestoso“, beschwören die Klavierläufe den Einzug der Hühner-Pyramide, führt der Kontrabass „pompös“ die Elefanten ein und Xylophon, Streicher-Sirren sowie Klavier-Perlen beschwören das „Aquarium“. Dazwischen wechselt das Bild immer wieder hinauf in die Loge, wo Schauspieler Christoph Pütthoff als „Kenner“ von Musik und Menschen die Zwischentexte von Loriot spricht: der gab 1975 noch nicht wie in seinen späteren Klassik-Auftritten eminent wortwitzig, Opern-karikierend und herrlich entlarvend, sondern jetzt fein ironisch Kommentare zum exquisiten Esprit der Musik; Pütthoff verstärkte dies mit kleinen mimischen Kommentaren, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Das Schmunzeln gipfelte in der quälend wiederholten Frage der jungen Katzen „Kommt jetzt der Schwan?“ als „running gag“ Loriots – und stellvertretend für das Musizieren aller sei das dann „grazioso“ erklingende Schwan-Cello-Solo von Sabine Krams genannt.
Der musikalische „Zirkus“ klang dann Can-Can-nahe und fetzig aus… nicht zu vergessen der Schluss-Coup der Inszenierung: der Logenbesucher geht durch die leeren Reihen davon – da sitzt doch ein edel-weiß-gefiedertes, echtes Huhn gackernd auf einem Stuhl: ist ihm das Taxi davongefahren? Gelungene musiktheatralische Unterhaltung!
- Bis 30.April als kostenloser Stream über die Homepage der Oper Frankfurt abrufbar.