Nickelback ist eine der wenigen Rockbands, die von 2001 bis 2004 einen sensationellen und weltweiten Durchbruch mit Gold- und Platinauszeichnungen schaffte. Die Kanadier wären musikepochal fast in einem Atemzug mit Nirvana zu nennen, hätten sie nicht das Problem, dass ihr Musikstil eben schon da ist. Gut zehn Jahre nach Nirvanas Kommerzfeldzug geben Nickelback einen würdigen Vertreter und Nirvana-Nachfolger des alternativ bis grunge-getauften Genres ab. Radiohits wie „Someday“ (2003) oder „How you remind me“ (2002) machten die bescheidenen Rocker zu Superstars. Leider kann man ihnen diese Wandlung von der talentierten, willigen Band auf dem Weg zum Durchbruch (2001 mit dem Album „The state“) bis zu leicht behäbigen wirkenden Superstars vor allem live ansehen. Doch der Reihe nach.
Eröffnet wird der Münchner Konzertabend von der einheimischen Band „DeadLine“, die gerade ihr erstes Album veröffentlichten. Nachdenklicher Gitarrenpop mit wenig Alleinstellungsmerkmalen teilt das Publikum in eine nach wenigen Songs pfeifende und in eine nach etwa 30 Minuten Zugabe verlangende Hälfte. Der Zeitplan löst das Problem, denn nun erwartet man Nickelback. Nach fast zweistündiger Zwangspause – technische Probleme verzögern den Beginn – geht es los. Mit einem Knall, einem Blitz und einer Lautstärke jenseits der menschlichen Hörverträglichkeit stehen Chad Kroeger (Gesang, Gitarre), Mike Kroeger (Bass), Ryan Peake (Gitarre) sowie Ryan Vikedal (Schlagzeug) auf der Bühne und starten mit „Flat on the floor“ vom aktuellen Album „The long road“. Die unfreiwillig angestaute Spannung scheint sich in einem irrsinnigen Urschrei der Masse zu entladen. Die dadurch zunächst verursachte Gänsehaut lässt dennoch schnell nach. Die Show mag für Jungspunde gigantisch erscheinen, leider sind Gigantomanie in Bezug auf Pyrotechnik, Lichteffekthascherei und Lautstärke schon weit vor Nickelback ausgereizt worden. Dieser Show folgend schmeißen sich Nickelback in teilweise arrogante und klischeehafte Rockerposen, die vielleicht gar nicht so gemeint sind, aber bei einzelnen Betrachtern so ankommen. So werden die Zuschauer der vordersten Reihe in den Songpausen zwar mit Plektren, Drumsticks und Wasserflaschen bombardiert, eine konzertbefristete Emotion zwischen Band und Publikum will jedoch nicht gelingen und schmälert die Konzertfreude erheblich.
Ob der Sound gut war, ist schwer beschreibbar. Man konnte die Songs wohl erkennen, aber nur laut ist kein Qualitätsmerkmal. Nach gerade mal enttäuschenden 85 Minuten und Songs wie „Breathe“, „Someday“, „Do this anymore“, „Woke up this Morning“, „Leader Of Men“, „Because Of You“ (akustisch), „Hero“ (akustisch), „Should have listend“, „Where do I hide“, „Too bad“, „Figured You out“, „Feelin´ way too damn good“, „Never Again“ und der unvermeintlichen Zugabe „How you remind me“ ist das Spektakel vorbei. Geblendet von Pyrofontänen, dem Schicksal der lebenden Fackel entkommen und schwankend ob der unsäglichen Lautstärke in Richtung Parkplatz torkelnd, verlässt man ein Konzert mit wenig Überraschungen. Solide nach Hause gespielt, aber Spielfreude könnte anders aussehen.