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Isabel Mundry, Komponistin, Hochschulprofessorin und prägende Figur in der Welt der neuen Musik, kuratierte acht Programme für das Mozartfest und war zudem als Dozentin beim Mozartlabor zu Gast. Foto: Dita Vollmond
Isabel Mundry, Komponistin, Hochschulprofessorin und prägende Figur in der Welt der neuen Musik, kuratierte acht Programme für das Mozartfest und war zudem als Dozentin beim Mozartlabor zu Gast. Foto: Dita Vollmond
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Raum für Freigeister, wie es Mozart einer war

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Neue Musik, Musikwissenschaft, kreative Konzertformate und Podcasts auf dem Prüfstand des Mozartlabors Würzburg
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„Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt.“ Wohl kaum ein Zitat des Komponisten Arnold Schönberg beschreibt treffender das Mozartfest in Würzburg wie dieses. Denn das nunmehr 101-jährige Festival verbindet künstlerische Verpflichtung zu seinem Namensgeber Mozart mit einer tiefen Verwurzelung in der Region und einem unbedingten Willen zur Selbsterneuerung und Reflektion.

Herzkammer des Innovationsgedankens ist das „Mozartlabor“. Spitzenmusiker wie Carolin Widmann und William Youn, die Komponistin Isabel Mundry, Musikjournalisten wie Holger Noltze, Musikwissenschaftler, Podcaster und „Konzertdesigner“ Thomas Posth verbringen vier Tage isoliert in der Abtei Himmelspforten zu Würzburg, um gemeinsam in Thinktanks mit Stipendiaten aus ganz Deutschland über sich und die Zukunft der Branche zu reflektieren. Kann das Mozartlabor sein Innovationsversprechen einlösen? Ein Erfahrungsbericht.

In einem Laboratorium geht es mal mehr, mal weniger spektakulär zu: „Physik ist’s, wenn’s nie gelingt, Chemie ist’s, wenn’s knallt und stinkt.“ Wesen dieses Ortes ist der Erkenntnisgewinn a posteriori, das Experiment. Man probiert und das Ge- oder Misslingen gibt dem Laboranten Auskunft über diese oder jene Naturerscheinung dieser Welt – so verhält es sich zumindest in der Welt der empirischen Wissenschaften. Zur Übertragung in die künstlerisch-geis­tigen Gefilde der Musik erdachten sich die Festivalmacher fünf „Sektionen“ – man könnte auch „Workshop“ sagen –, die von einem Sektionsleiter gecoacht ein Thema des aktuellen Musikbetriebs aufgreifen: Neue Musik, Musikwissenschaft, kreative Konzertformate, Digitalisierung und Podcasts.

Die Sektion des Dirigenten, Cellisten und Konzertentwicklers Thomas Posth, Leiter des Orchesters im Treppenhaus, ist die sichtbarste Umsetzung der Labor-Idee. Er und seine Stipendiaten bekamen eine Location und ein Budget vorgegeben, aber ansonsten vollkommene Handlungsfreiheit. Das Konzept, das sich diese bunte, heterogene Gruppe erdachte, wird am 7. und 8. Juni 2023 beim kommenden Mozartfest im Residenzweinkeller umgesetzt. Heftig wurde unter den so kreativen wie unterschiedlichen Köpfen diskutiert, mal gestritten, bis endlich ein Konzept stand, mit dem alle zufrieden waren. „Thomas hat uns geholfen, strukturiert auf Ideenfindung zu gehen“, berichtet Stipendiatin Julia Hebecker, „wie kann man die Geschichte des Ortes, die Akus­tik und Atmosphäre einbeziehen?“ Heraus kam ein Konzertabend, bei dem die Konzertbesucher ihren eigenen (Trink-) Gelüsten widerstehen müssen… Doch am Ende musste Evelyn Meining, Intendantin des Festivals, die Spielverderberin spielen: „Es muss sich auch für uns als Veranstalter rechnen. So begann also das Konzipieren von Neuem. Und genau das ist der ‚Spirit‘ des Mozartlabors: Trial and Error. Am Ende findet sich eine Lösung! Diese Carte blanche für die Veranstalter von morgen ist solitär, zukunftsweisend und garantiert die Wirkung des Mozartlabors über die nächsten Jahre.

In den anderen Sektionen ging es weniger praktisch zu. Holger Noltze, Professor für Musikjournalismus an der TU Dortmund und Buchautor, dachte mit seinen Stipendiaten aus ganz Deutschland über die Digitalisierung im klassischen Musik-Biz nach. Zusammen stellten sie 55 Thesen auf. „Wenn digitalisieren, dann richtig! Mehr Kuratierung! Und bitte keine Reklamescheiße!“, hörte man da. Digitalisierung als Fluch und Segen zugleich. Sie kann zu Übersättigung führen, aber auch zu gänzlichen neuen medialen Gattungen.

Für den „Thinktank“, ein in Zeiten der aktuellen Krisen eigentlich viel zu abgeschmacktes Wort, der „artiste étoi­le“ Isabel Mundry verhielt es sich anders: Ehemalige Studierende der Professorin in Zürich und München, zum Teil heute bereits erfolgreiche Komponisten, bekamen nicht nur Kompositionsaufträge, die vom Kölner Trio Abs­trakt bravourös im Abschlusskonzert performt wurden. Es gab für sie die Gelegenheit, sich im geschützten Raum der Abtei Himmelspforten auszutauschen und ihre Arbeiten zu präsentieren. Die Musikwissenschaftsstudierenden der Universität Würzburg analysierten die Werke der jungen Komponisten und gestalteten die Konzerteinführung. Man mag einwenden, dass das Mozartlabor für die Teilnehmer der Sektion „Musikwissenschaft“ und „Digitalisierung“ vielmehr ein Kompaktseminar Deluxe darstellt. Elfenbeinturm mit Vollpension. Bleibt die Labor-Idee auf der Strecke, wenn nur geredet wird? Wo bleibt das Experiment beim klassischen Format des Meisterkurses von Carolin Widmann und William Youn? Wollte man nicht da hingehen, wo es knallt und stinkt? Solche Kritik verkennt allerdings, dass das Programm der Workshops flankiert wird von allerlei Vorträgen, etwa des Philosophen Dieter Mersch, mit Podiumsdiskussionen, etwa mit dem Soziologen Harald Welzer, Konzerten, einem Live-Podcast mit einem Berliner Streetworker und … Yoga. Es wurde über die Repräsentanz marginalisierter Gruppen gestritten, über Sinn(-losigkeit) von gestreamten Konzerten, über Umsetzbarkeit performativer Musikstücke im klassischen Konzertbetrieb und vieles mehr. Am Ende geht jeder mit angestoßenen Gedanken nach Hause. Das Mozartlabor wirkt also subtil, aber es wirkt.

Ich selbst nahm an der Sektion Podcast Teil, den Elisa Erkelenz und David-Maria Gramse, Hosts des Podcasts „Des Pudels Kern“, leiteten. Es war die Sektion, die wohl noch am meisten „Trial and Error“ erfordert, nicht so wirklich wusste, was sie sein wollte. Es hätte nicht zum Mozart-Labor gepasst, ein „How to“-Podcast-Tutorial zu veranstalten, ebenso wenig ein medientheoretisches Grundsatzseminar. Vielmehr ein erstes In-Berührung-Kommen mit dem Medium, ein Sensibilisieren der Musikerkollegen für die auditive Konkurrenz.

Das allerwichtigste aber sind der Austausch der Teilnehmer, Musiker, Philosophen, Musikwissenschaftler, Musikjournalisten, Komponisten untereinander, die Gespräche am Frühstückstisch, die Kontakte, die geknüpft werden und über die vier Tage hinaus bedeutsam werden können.

Innovation hat immer einen konservativen Grundcharakter. Denn sie bedeutet eine Novation in einem bestehenden Rahmen, sie geht nicht mit der Schumpeter’schen Zerstörung einher wie die Disruption oder die Revolution. So verhält es sich auch mit dem Mozartlabor. Eine Gruppe hochausgebildeter Menschen in der Abtei Himmelspforten wird das Rad am Wagen des Konzertbetriebs nicht neu erfinden.Das Mozartlabor ist aber auch nicht das Fünfte an demselben, denn es erfüllt eine wichtige Funktion: Raum für Freigeister schaffen. Wie es Mozart einer war.

 

 

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