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Foto: © Danny Willems. v. l. Wolfram Rupperti, Zoe Gyssler, Borna Babić, René Dumont, Sylvana Krappatsch, Horacio Macuacua, Aymará Parola
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Regeln brechen oder: DIE BAKCHEN – Lasst uns tanzen im Cuvilliés Theater München

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„Das war alles wahnsinnig vielfältig, bunt, laut, bewegend, abstoßend, ungeheuer virtuos, artistisch, verwirrend, in all dieser Multifunktionalität bewundernswert, auf die Einzelleistung bezogen, auf das Gesamte der großformatigen Konzeption. Und irgendwie reduziert es sich dann doch auf das Wisch und Weg rund um den Globus, rund um alle SmartPhone-Bildschirme der Welt,“ sagt unser Kritiker Wolf Loeckle.

Unter dem unglaublich klaren, violettblauen Himmel Griechenlands, zu Füßen der Athener Akropolis, beginnt die Geschichte des europäischen Theaters. Von hier aus entwickelte sich eine dramatische Kunstform, deren gestalterische Grundwerte samt ihrer Ästhetik über zweieinhalb Jahrtausende nichts von ihrer dramaturgisch wirksamen Strahlkraft verloren haben. Und das waren nicht nur poetische Schönfärbereien im Weichzeichnermodus. Da stand Dionysos, Gott des Weines und des Wachstums, Gott der zeugenden und überschäumenden Lebenskraft im Zentrum. Eingebettet in die psychologisierenden, analysierenden, die Machtkonstellationen des politischen Götter-Alltags ebenso zerbröselnd wie die zwischenmenschlichen Gemengelagen inmitten von Tag und Nacht. Erkenntnisgewinn war eingeplant, Katharsis. Emotionalisierung und Intellektualisierung standen programmatisch. Durchaus einem Regelkanon in ständigem Entwickeln entnommen.

Im Zeitalter sich eskalierender Desorientiertheit und politischer Kurzsichtigkeiten quält sich das Theater nun länger schon als zwei Wochen um Aussagen zur Zeit. Solche, die via Denken und Handeln weiterführen. Aktuell fällt auf, dass offenbar mangels aussagekräftiger, die Gegenwart repräsentieren-der Texte der Rückgriff auf die Antike in performativem Gewand aus der Misere helfen soll. Verständlich, haben die Menschen doch auch damals schon von ihrem Theater weiterführende Öffnungen der Blick-Horizonte erwartet. Ulrich Rasche und andere gehen da in die vollen. Das hat seine Faszination. Das visuelle stimmt fast immer. Und – lebte Richard Wagner heute, was würde er für ein ganzheitliches Gesamtkunstwerk etablieren.

Jetzt also das Residenztheater München mit seiner verspielten Rokoko Spielstätte Cuvilliés-Theater. Da setzt der Belgier Wim Vandekeybus, weltweit gefragter und geschätzter Körperfetischist, als Co-Produzent mit seiner ULTIMA VEZ-COMPAGNIE voll auf die Maxime Regeln brechen. Selbst die der Schwerkraft sucht er in seiner Antikenfortschreibung heraus zu fordern. Und was auf dieser von Peter Verhelst nach Euripides erstellten Textgrundlage an Akrobatik, mikrophonverstärkter Textverständlichkeit, Kletterkunst, Schlangenmenschen-auf–den-Boden-Klatschen und nach guter alter aktualisierter action painting Manier in europäisch coproduzierter Kraftanstrengung sich entfalten lässt, das ist virtuos. Eingewoben in eine Klangkulisse, die sich Musik nennt. Das durch alle Alterskategorien gemischte Publikum reagiert lautstark mit intensiven Bravos. Und mit verhaltener Ratlosigkeit. Klar wollen wir alle von unserem Kulturbetrieb Neues lernen. Und der Straßenkunstmeister Vincent Glowinski hat die dankbare Aufgabe, Bühne und Wände und Menschen bei jeder Aufführung neu in die dramaturgischen Zusammenhänge mit all seinen Farben und Dekonstruktionen hinein zu definieren. Das war alles wahnsinnig vielfältig, bunt, laut, bewegend, abstoßend, ungeheuer virtuos, artistisch, verwirrend, in all dieser Multifunktionalität bewundernswert, auf die Einzelleistung bezogen, auf das Gesamte der großformatigen Konzeption. Und irgendwie reduziert es sich dann doch auf das Wisch und Weg rund um den Globus, rund um alle SmartPhone-Bildschirme der Welt. An einem Tag, der den Tod von Okwui Enwezor verzeichnet, das Massaker von rechtsradikalen Westlern auf Muslime in Neuseeland, Hunderttausende von jungen Menschen rund um den Globus auf den Straßen der Welt für die nicht nur klimatische Rettung des Planeten. Übersteigerte Lautstärke als Ersatz für fehlende Dramaturgie ist zu wenig. Weniger ist meistens mehr. Deshalb: Regeln brechen!

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