Sie ist „das“ typische Instrument der höfischen Musikkultur Japans: die „Koto“, eine Wölbbrettzither, über deren Wertschätzung am Kaiserhof bereits Aufzeichnungen am Beginn des 11. Jahrhunderts berichten. Einem zeitgenössischen Komponisten, sei es aus Japan, sei es aus der westlichen Hemisphäre, der für dieses Instrument zu schreiben plant, begegnet also Tradition pur. Und das kann Fluch oder Segen sein, ein lähmendes Hemmnis oder ein produktiver Widerstand.
Diese Überlegungen, aber auch ganz konkrete Fragen nach Spielarten und Stimmungen und nach den Möglichkeiten, es in kammermusikalische Besetzungen zu integrieren, standen im Mittelpunkt eines Konzertabends im „Studio Musikfabrik“ in Köln, der tags zuvor bereits im Museum Kurhaus Kleve unter dem Titel „Variationen für Koto“ geboten worden war.
Blickfang, noch bevor überhaupt ein Ton erklungen war, bildeten drei Basskotos und eine „normale“ Koto. Sie ruhten auf der Bühne wie schlafende Echsen, ein Vergleich, der nicht zufällig in den Sinn kommt, werden doch die wichtigsten Teile der Koto als Panzer, Bauch oder Hörner eines Drachen bezeichnet.
Eine Basskoto stand, zusammen mit Violine und Oboe, im ersten Stück des Abends, auf der Besetzungsliste. Dylan Lardelli vermeidet in seinem Trio, tags zuvor in Kleve uraufgeführt, jegliche Japan-Anklänge, frönt mit Oboe (Peter Veale) und Violine (Hannah Weirich) einem Klangpointillismus, lotet dabei auch Grenzbereiche außerhalb fest umrissener Tonhöhen aus. Die Basskoto (Makiko Goto) unterzieht er hingegen nicht derartigen Verfremdungsprozeduren, behandelt sie aber auch nicht folkloristisch. Sie steuert klangvolle tiefe Töne, kernige Arpeggien, manchmal auch Perkussives bei.
Für dieselbe Besetzung schrieb Dieter Mack ein Trio, das nunmehr siebte eines Zyklus, das ebenfalls am Vortag uraufgeführt wurde. Auch Mack, ein Kenner asiatischer Musikkulturen, möchte jeden vordergründigen Anschein von Exotismus vermeiden. Ihn interessiere an der Koto, in diesem Fall der siebzehnsaitigen Basskoto, die Idiomatik des Instruments, wie er in einer kurzen Einführung erläuterte. Deshalb lässt er das Instrument eigens umstimmen, um eine bestimmte Harmonik spielbar zu machen. Entgegen kommt ihm dabei, dass eine Koto sich relativ leicht umstimmen lässt, indem einfach die Stege unter den Saiten verschoben werden. Ergebnis war, wie es im Programmheft stand, eine „lebendige Debatte zwischen drei unterschiedlichen Instrumentalkulturen“. Auch Mack blendet bewusst die kulturellen Implikationen (wie etwa die traditionelle Stimmung oder bestimmte Spieltechniken) aus, erschafft aber im Unterschied zu Lardelli Miniatur-Szenen, mit wiedererkennbaren Motiven bis hin zu beinah tänzerischen Momenten. Eine abwechslungsreiche und sehr sinnfällige Musik jenseits anstrengender Materialerkundungen.
Das galt auch für Malika Kishinos „Monochromer Garten V“, mit dem die japanische Komponistin eine Kammermusik-Serie fortsetzt. In diesem Stück kommen die Basskoto und die kleinere, 13-saitige Koto zum Einsatz. Auch bei Kishino feiert nicht die traditionelle Hofmusik ihre Wiederkehr, aber die Komponistin zielt auch nicht auf eine bloß autonome Musik ab. Sie ließ sich vom Bild eines nächtlichen Gartens in einem Tempel in Kyoto inspirieren, der ihr wie eine Tuschezeichnung anmutete. So kontrastreich wie diese Schwarz-Weiß-Szenerie klingt auch die Musik: markante Akzente, schroffe Klanggebilde, perkussive „Knaller“, anarchische Ostinati, zarte Arpeggien, winzige Triller, insgesamt eine reich schattierte Musik für feine Ohren.
Werke von Jimmy Lopez („Speculorum“ für Oboe und Koto), Toru Takemitsu („Distance“ für Oboe solo) und Toshio Hosokawa („Nocturne“ für Basskoto solo) bereicherten den Abend, dessen Kurator Peter Veale war. Der erwies sich außerdem – im Stück von Hosokawa – als versierter Kotospieler.