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Tänzerinnen der Sasha Waltz Compagnie in der Brüsseler Hosokawa-Uraufführung. Foto: Bernd Uhlig
Tänzerinnen der Sasha Waltz Compagnie in der Brüsseler Hosokawa-Uraufführung. Foto: Bernd Uhlig
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Reigen seliger Geister des Ausdruckstanzes

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Toshio Hosokawas Nô-Adaption „Matsukaze“ am Théâtre Royal de La Monnaie Brüssel
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Größer werden die Schatten. Angekündigt wurde das Projekt „Matsukaze“ als „intime und melancholische Geschichte mit sehr viel Sehnsucht sowohl in Handlung als auch in der Musik“. Auf die Bühne kam dann tatsächlich eine vorwiegend mit zarter und ruhiger Musik ausgestattete Kammeroper. Sie zeichnet sich durch sparsame Dosierung der meisten Effekte aus: Die Solo-Partien der beiden toten Schwestern Matsukaze und Murasame, die einst den selben Mann liebten und aus dem Jenseits Rückblick halten, dominieren diskret mit geschmeidigem Lyrismus (nicht durch jene Extremstimmbehandlung, wie sie etwa die Stimmführung in Wolfgang Rihms „Proserpina“ oder „Dionysos“ ausprägte).

Der Kammerchor fügt sich mit bedächtig ausgesungener Lineatur in das feine Gewebe, dessen Grundmuster das Instrumental-ensemble im Graben nach Schnittmus-tern der aktuellen Kammermusik-Produktion in Westeuropa entwirft (der Einfluss japanischer Musiktradition, der bei Toshio Hosokawas 2004 in Aix-en-Provence uraufgeführter Kammer-oper „Hanjo“ noch prägend war, ist höchstens noch flüchtig wahrnehmbar). Gelegentlich lässt der 1955 in Hiroshima geborene, in Deutschland lebende Komponist ein markantes, doch unaufdringlich bleibendes Cello-Solo hervortreten, die Oboe wie beiläufig an „Tristan und Isolde“ erinnern; immer wieder strukturieren Sept-Non-Akkorde diskret die musikalische Textur (überhaupt färbt eine gewisse Akzentuierung von Terzen den Ton). Das Tanzen allerdings beansprucht exzessiv Raum: euphorisches Trippeln und eurythmisches Armschwingen, deren Überdrücklichkeit allemal auf stehende Bilder verschlungener Körper zuläuft (auf der Ebene der Choreographie zeigt sich Bezugnahme auf japanische Traditionen).

Zu den leisen Rührungen und dem ersten Anklopfen der Schlagzeuger entfaltet sich in Abenddämmerung ein „Seestück“. Nach den getanzten Introduktionen des gedoppelten Geschwis­terpaars und eines Mönchs stellt sich mit dem (als Fasolt, Wotan, Rocco, Sarastro et cetera bestens bewährten) Frode Olsen der singende fromme Mann vor – in den schlichtesten deutschen Worten, die Hannah Dübgen ihm in Anverwandlung eines Nô-Spiels von Zeami andiente: „An der Küste entlang, bis die Sonne entschwindet.“ Ein Fischer kündet die Mär von der Kiefer, deren Nadeln es am Ende regnet. Über der erschütterungsfreien Banalität des Textes wölbt sich Klang auf – intensiver werdend bei einer mit „Salz“ überschriebenen zweiten Episode. In ihr agieren tote Seelen in Gestalt der exquisiten Sängerinnen Hannigan und Hellekant, umringt von Körperartis-tinnen, schwebend an einem Spezialvorhang.

Allerliebst schimmert in der Demonstration des femininen Körpergefühls der überirdische Schwebezustand zarter Erotik durch. Salz der Tränen: Die Schwestern verbrachten einst drei von des weiteren nicht dramatischer Verliebtheit erfüllte Sommer im Salzhaus am Meer mit dem Dichter Yukihira. Der ließ sich dann aber in die Hauptstadt zurückrufen, aus der alsbald die Nachricht kam, er sei erkrankt und gestorben. Welche Pein! Der Ton glostenden, flammenden und fortglühenden Begehrens schlägt um in Klage. Die kanadische Sopranistin Barbara Hannigan und die schwedische Mezzosopranistin Charlotte Hellekant, weitgehend integriert in die von Sasha Waltz konzipierte Choreographie, halten singend mit im Reigen seliger Geister des Ausdruckstanzes. Matsukaze wirbelt exzessiv, indem sie in einem Nadelbaum die Silhouette des Manns ihres Lebens zu erkennen glaubt. Danach klingt in erlesener Schönheit die Symbiose von Körperklang und ruhiger Musikbewegung aus: Morgenrot – und „Wind allein weht in den Kiefern“. So rundet sich das poetisch gemünzte Gegenbild zur japanischen Welt der Gegenwart: In dieser Kammeroper bebt und explodiert nichts. Sie ist Beschaulichkeit in einer Restaurationsepoche.

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