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Jeanne (Edith Jéhanne) und Chalybieff (Fritz Rasp): Showdown im Zug. Foto: © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden.
Jeanne (Edith Jéhanne) und Chalybieff (Fritz Rasp): Showdown im Zug. Foto: © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden.
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Restaurierte Fassung von Georg Wilhelm Pabsts „Die Liebe der Jeanne Ney“ (1927) überzeugt nicht

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Bereits vor sieben Jahren hat die UFA in Berlin ein Sommer-Festival historischer Filme initiiert. Der sogenannte Kolonnadenhof der Museumsinsel, neben dem prunkvoll archaisierenden Eingang zur Alten Nationalgalerie die Aufschrift die „Meistersinger“-Devise „Hier gilt’s der Kunst“ ziert, scheint als Ort gut gewählt – allerdings hielt die an diesem Tag zwar stabile, aber kühle Wetterlage merklich viele Gäste ab, dem Ruf zu einer „Weltpremiere“ zu folgen:

In der bewährten Kombination von ZDF Musik, ARTE und WDR, mit dem von Maria Furtwängler als „Film-Affisionalist“ klassifizierten Frank Strobel am Dirigentenpult, gab es zur Eröffnung Georg Wilhelm Pabsts zweiten Spielfilm „Die Liebe der Jeanne Ney“, der den Grundstein zu seiner Popularität legte, erstmals wieder und erstmals ungekürzt zu erleben.

Der Stoff zu diesem Polit-Melodram war als Ilja Ehrenburgs gleichnamiger Roman in den frühen zwanziger Jahren offenbar bereits populär, als Pabst die krude Liebesgeschichte in den Nachwirren der Russischen Oktoberrevolution von 1917 – zwischen aus Russland geflüchteten Weißgardisten, Bolschewiken, Spitzeln, Räubern und Mördern – in Paris und in Babelsberg für die Leinwand in Szene setzte. Als Statisten engagierte er dabei eine große Anzahl ehemaliger Weißgardisten, die in ihren eigenen alten Uniformen auftraten und die für ihr möglichst realistisches Spiel mit einer Unmenge von Wodka abgefüllt wurden.

Jeanne verliebt sich in den Bolschewiken Andreas, einen der Mörder ihres Vaters, welcher als französischer Journalist und Sympathisant der Weißgardisten auf der Krim gearbeitet hatte. Nach ihrer Flucht von der besetzten Krim, kommt Jeanne bei ihrem Onkel in Paris unter und arbeitet in dessen Detektivbüro als Tippse. Als kommunistischer Agent gelangt auch Andreas in die französische Metropole und trifft dort Jeanne wieder. Doch ein Verbrecher, der bereits auf der Krim sein Unwesen getrieben hatte, stiehlt einen wertvollen Diamanten aus der Obhut von Jeannes Onkel, macht Andreas für diesen Raubmord verantwortlich und will dann Jeanne in einem Zug vergewaltigen. Jeanne stoppt den Zug per Notbremse, sagt den herbeiströmenden Passanten, was sie weiß und hofft auf ein gutes Ende für sich und ihren Geliebten.

Nach seiner Premiere im Jahre 1927 wurde der mit den Darsteller_innen Édith Jéhanne, Brigitte Helm, Hertha von Walther, Uno Henning, Fritz Rasp, Adolf Edgar Licho, Eugen Jensen und Hans Járay besetzte Film von der Zensur stark gekürzt – wohl nicht nur aus politischen Gründen – aber vermutlich nicht zu seinem Nachteil. Denn die Dramaturgie der Story, die Länge und das Verhältnis der einzelnen Szenen zu einander, holpert in der aus einer im New Yorker MoMa vorhandenen, kompletten Positivkopie restaurierten und um deutsche Zwischentitel ergänzten Originalfassung gewaltig. Spannendste Figur ist die blinde Tochter des Detektivs, aber ihre Geschichte findet keinen Abschluss. 

Unangenehm fällt die stark antisemitische Tendenz ins Gewicht: jüdisch grotesk überzeichnet ist nicht nur der Raubmörder, sondern insbesondere Jeannes Onkel, der seine Nichte auf die Straße setzt, als sie sich gegen seine sexuellen Bedrängungen wehrt.

Den angeblich gestohlenen Diamanten hatte der Kakadu des Juweliers verschluckt. Nachdem ein Mitarbeiter Neys den Stein aus dem Magen des gefledderten Vogels hervorgeholt hat, führt der Onkel in Erwartung der ausgesetzten Belohnung von fünfzigtausend Mark einen Freudentanz vor seinem Tresor auf, bis ihm der Raubmörder die Kehle durchschneidet.

Der Eindruck, dass für die Pantomime des Onkels und Umbrüche Beckmesser im dritten Aufzug von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ Pate gestanden hat, wird noch verstärkt durch die Musik dieser mit Zeitraffer und raschen Schnittfolgen realisieren Szene.

Zwar hat sich die Originalpartitur von zu diesem Film nicht erhalten, wohl aber ein Klavierauszug, den Bernd Thewes im Auftrag von ZDF/ARTE orchestriert und mit anderen Musiken kompiliert hat. Tewes, der als Arrangeur für Rekonstruktionen von Film-Partituren derzeit besonders hoch gehandelt wird, schuf ein sehr eigenwilliges stilistisches Mixtum aus Revue und Operette der Roaring Twenties, Variationen auf die Internationale sowie mit Opernzitaten (Mimes Schmiedemotiv aus dem „Siegfried“). Das Soloklavier kommt häufig dominierend zum Einsatz, neben Hammondorgel und Keyboard-Effekten. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass diese Partitur einer anderen Zeit angehört als der Film selbst.

In der Wiedergabe der diesmal kaum zusätzliche Synchronitäts-Herausforderungen verlangenden Partitur paarte Dirigent Frank Strobel mit dem WDR Funkhausorchester Souveränität mit Draufgängertum.

Doch die Akustik erwies sich als kaum zumutbar: die Darbietung eines Stummfilms mit Live-Orchester lebt schließlich gerade von dieser spezifischen Mischung. Hier aber klang die Übertragung des links neben dem Reiterstandbild zeltüberdacht positionierten Klangkörpers bestenfalls wie die Konserve aus einem alten Eimer – oder war dies sogar beabsichtigt?

Durch einen von der Schauspielerin Maria Furtwängler als „Filmpatin“ schlecht einstudierten Textvortrag als Einleitung war der Abend auf über zwei Stunden ausgedehnt worden.

Wohl nicht nur aufgrund der Außentemperatur verließen zahlreiche Besucher inmitten der ungünstig auf Grünflächen vor den Museumsbauten verteilten Sitzreihen vorzeitig das Auditorium, – insbesondere jene, die extrem weit von der Leinwand und noch weiter vom Orchester entfernt waren.

Die auf der Museumsinsel verbliebenen Cineasten sorgten am Ende gleichwohl für viel Beifall.


Bei ARTE online von 04. September bis 03. Dezember 2017.

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