Gewisse Jubiläen kommen anscheinend so überraschend wie Weihnachten. Dass ausgerechnet zu Richard Wagners 200. Geburtstag Villa Wahnfried und Wagner-Museum eine – wie könnte es bei Wagner anders sein – „allumfassende“ und bautechnisch tiefgehende Baustelle sind, dass die Fassade des Festspielhauses bröckelt und fast komplett verschalt werden muss, ist nicht den Festspielen anzulasten. Alles übrige um den 22. Mai schon.
Auf dem Papier las sich die Ankündigung eines Konzertes im Festspielhaus reizvoll: seit 1876 immerhin das erste außerhalb der Festspielzeit. Die Realität sah dann so aus: Bayreuths gehypte neue Zentralfigur, Dirigent Christian Thielemann dirigierte die zwei Abende davor und die zwei danach anderswo zwischen Dresden, Paris und Wien; das aus lauter Wagner-Kennern und -Könnern deutscher Orchester zusammengesetzte „Festspielorchester“ kam erst am Konzerttag selbst zu einer nachmittäglichen Probe zusammen – und so klang es alles dann leider auch. Zwar dauerte der 1.Akt „Walküre“ nur etwa 58 Minuten, was im Vergleich „schnell“ signalisiert – doch wirkte dieser dramatisch und emotional in der ganzen Bühnenliteratur singuläre Akt insgesamt spannungslos, ohne überwältigende Höhepunkte und irgendwie „lang“. Zusätzlich waren die Blechbläser mehrfach nicht zusammen und klangen unsauber. Einige Übergänge wirkten unterprobiert. Dazu kam ein überdeutlicher Einsatzfehler des Tenorhelden. Der Gesamteindruck „alltäglich“ wurde aufgebessert durch den zwar nicht finsteren, aber klangschönen Hunding-Bass von Kwangchul Youn und Johan Botha, der seinem Siegmund auch tenorale Lyrik verlieh. Was den Abend einzig zu Erlebnis machte, war Eva-Maria Westbroek als Sieglinde. Sie verstrahlte von Anfang an Bühnenemphase. Mit Körpersprache und kleiner Gestik reagierte sie auf Text wie auf musikalische Motivsignale. In ihrem Gesicht spiegelten sich Liebesleid und Liebeslust einer Frau, der nur eine einzige glückliche Nacht in ihrem Kurzen Lebens vergönnt ist. Westbroek hatte alles erfühlt und erfüllte dies nun mit glutvollen, runden, mühelos aufblühenden Soprantönen – reifere Wagnerianer fühlten sich an Leonie Rysanek und die junge Gwyneth Jones in dieser Rolle erinnert. Bravissima!
Nach der Pause dirigierte Thielemann übliche „Wagner-Highlights“ aus „Tristan“, „Götterdämmerung“ bis zum „Rausschmeißer“ der „Meistersinger“-Ouvertüre. Seine Fan-Gemeinde jubelte. Keine Blumen für die Solisten, kein Gebinde auf der Bühne, über dem Orchesterpodium auf der Bühne hing vor schwarzem Rückvorhang Anselm Kiefers „Rheingold“-Gemälde. Das Ganze wirkte uninspiriert und lieblos. Eine vertane Chance, denn Sponsoren wären sicher auch für das gewinnen gewesen, was Wagner zeitlebens wollte: „Kinder, schafft Neues!“ So wäre etwa aus dem so gerne angeführten Satz „Wagner wäre heutzutage in Hollywood“ der Versuch abzuleiten, schon vor zwei Jahren einige Hollywood-Größen aufzufordern, einen kleinen Beitrag zu schicken, was „Wagner““ ihnen bedeutet. Hätte nicht eine bedeutende populäre Band zu einer musikalischen Hommage gebeten werden können als Beweis dafür, wie sehr Wagner ausstrahlt? Überhaupt ein Kompositionsauftrag? Etwas multimedial noch nicht Dagewesenes? So jedenfalls „brennt“ Bayreuth nicht.