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Rihm-Uraufführung in München. Foto: Astrid Ackermann
Rihm-Uraufführung in München. Foto: Astrid Ackermann
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Rihm-Ligeti-Vivier-Berio! Ein musica viva-Wochenende der Aufklärung und Uraufführung

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Während die Wiener immer noch – im Angesicht der Plakate mit den Inhalten und der gestalterischen Anmutung von 1817 – daran basteln, wien modern zu positionieren, machen die Berliner das in bekannt welt-spitzenmässiger Attitüde als vermeintliche Weltmarktführer. Die Münchner dagegen halten sich im Schatten der Elbphilharmonie, die von den Hamburger Controllern auf der Suche nach quantitativ ausreichend Publikum bald eine vierundzwanzigstündig durchgehende Bespielung anzustreben gezwungen sein könnte.

Immerhin ist das Bemühen um das Zeitgenössische verbreitet in Zentralmitteleuropa. Wenn Mozart auch einstens keine Anstellung bekam am Münchner Hof: Die Qualität des Zeitgenössischen, das Kämpfen um ihre Präsenz im Alltag hatte an der Isar doch immer schon eine ausgeprägte Lobby – wenn auch gegen den harten Widerstand der Traditionalisten. Jüngst bekam die Pro-Fraktion Verstärkung. München hatte ja gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit der durch Karl Amadeus Hartmann begründeten musica viva-Reihe Zeichen gesetzt, die weiterhin vom Bayerischen Rundfunk ins grelle Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt werden. Die weltweit aktive und indertat innovativ agierende Ernst von Siemens Musikstiftung klinkte sich ein in den intelligent wie assosziationsreich so benannten räsonanzen-Verbund mit BR und Bayerischer Akademie der Schönen Künste samt Lucerne Festival. Jetzt ballte es sich erneut.

Im Vorfeld der österlichen Tiefenreflexionen ließ Mariss Jansons zusammen mit BR-Chor-und-Symphonieorchester wie den Sopranistinnen Mojca Erdmann und Anna Prohaska und Hanno Müller-Brachmann, Bariton Requiem-Strophen von Wolfgang Rihm zum ersten Mal öffentlich erklingen. Und diese Uraufführung war umschattet von der dem Programmbuch beigelegten Information, dass Wolfgang Rihm wegen Erkrankung nicht persönlich im Herkulessaal der Münchner Residenz anwesend sein kann. Dieses vierteilig durchaus durchgehend dem Totengedenken und seiner extraterrestrischen Dimensionen gewidmete Werk basiert auf liturgischen Texten, die freilich nicht komplett durchreflektiert und durchräsoniert werden sondern sich mit Gedanken von Rilke, Michelangelo, Bobrowski und Hans Sahl zu einer durchaus jenseitig anmutenden Collage verdichten – zusammen mit Rihms musikalischer Reflexion, der er selbst seine Textauswahl einprogrammiert hatte. Und da bewegten wir uns im Nachdenk-Modus des zurück-, des voraus-, des über-alle-Grenzen-hinaus-Denkens. Und des durchaus intensiv empfindenden Erfühlens real-sinnlicher Trauerarbeit.

Klar assoziierten sich da Mozart und Verdi auratisch in auch all ihrer Theatralik, bei Rihm freilich nach Art der inwendigen Sichtweisen. Wie überhaupt – wenn da schon traditionsverbundene Anlehnungen strapaziert werden sollen – lässt sich eine Brahms-Nähe ausmachen, Fauré lässt grüssen. Mit dem Gruß Moment 2 – In memoriam Pierre Boulez von 2016 hatte Mariss Jansons den introvertierten Abend beginnen lassen. Der indertat packend die Mühen des Durchquerens langgezogener Ebenen und die Länge des Weges erahnen ließ – und spüren – beim Einfahren der Ernte des Erkenntnisgewinns. Irdischer ging es weiter im Prinzregententheater zwei Tage später mit Call von Luciano Berio, der hier von fünf Blechbläsern zum Einstieg in die Auseinandersetzung mit musikalischen Vielfältigkeiten der besonderen Art einlud. Und ohne Unterbrechung ging es weiter mit Lux aeterna für 16-stimmigen gemischten Chor a capella von György Ligeti und Lonely Child für Sopran und Kammerorchester von Claude Vivier, fulminant-packend und ergreifend-komprimiert durch die Solistin Sophia Burgos dargestellt. Verantwortlich für die Pro-grammierung des Abends – und für die musikalische Qualität –  zeichnete der zuweilen als Shootingstar unter den Dirigenten apostrophierte Theodor Currentzis, aus Griechenland stammend, im ziemlich weit östlich-end-europäischen Perm Vordenker und Chefmusiker von Oper und Ballett und Orchester-wie Chorwesen.

Dass er mit einem absolut außergewöhnlichen Chor (MusicAeterna Choir) auf Reisen ist, den er verteilend zwischen die Instrumentalisten des Mahler Chamber Orchestra setzte, führte er nicht zuletzt mit Coro für vierzig Stimmen und Instrumente von Luciano Berio vor, jenem multistilistischen Opus, das vom einfachen Volkslied bis zur Vielklangorgie im Chor-Orchester-Zusammenspiel expandierte und bis dato nicht unbedingt als Spitzenwerk von Berio galt. Dass der plastisch, ohne Stab den Ton und den Klang modellierende Dirigent Currentzis für Berio das Gegenteil beweisen wollte, das unterstrich er mit diesem erinnernswerten Konzert.

Ein Musik-Wochenende der besonderen Art, mit direkter Zeitgenos-senschaft samt Zeitgenossenschaften der vergangenen fünf Jahrzehnte. Wobei deren Produkte frischer und wilder zu klingen das Recht sich genommen hatten...

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