Alles hängt mit allem zusammen. Und alles befindet sich, wenn es ideal läuft, miteinander im Gleichgewicht. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung sondern „nur“ ein Teil von ihr, ein kleines Rad im Gefüge der Natur, ein Lebewesen, das ebenso entsteht und vergeht wie ein Pilz im Wald oder eine Henne im Stall. Dieser pantheistischen Haltung folgt Leoš Janáček ganz besonders in seiner Oper „Das schlaue Füchslein“, uraufgeführt im Jahr 1924, jetzt von Regisseurin Magdalena Fuchsberger im Theater Münster herausgebracht. Zu hören ist ein musikalisches Meisterwerk, das an Kraft, Sinnlichkeit und Emotionalität auch nach einhundert Jahren nichts eingebüßt hat.

Familienplanung beim Kaffee: Fuchs und Füchslein (Wioletta Hebrowska, links, und Adriana Kučerová, rechts) denken über ihre Zukunft nach. Foto: Bettina Stöß
Roterfadenlos inszeniert – Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ am Theater Münster
Und auch die inhaltliche Botschaft des Werks, dem der 1920 veröffentlichte Bildroman „Liška Bystrouška“ von Rudolf Těsnohlídek zugrunde liegt, ist zeitlos. Mehr noch: sie ist sogar hoch aktuell angesichts von Klimakatastrophe, Artensterben, Raubbau an der Natur und, und, und.
Eine Steilvorlage für eine Inszenierung, sollte sie sich des Themas annehmen wollen. Magdalena Fuchsberger geht aber nicht so weit, sie beschränkt sich auf den Kern von Werden und Vergehen, von Leben, Tod und neuem Leben – ganz ohne einen Moment der Aktualisierung, vielleicht abgesehen vom direkten Beginn. Da liegt der Förster, der sich später das schlaue Füchslein aus dem Wald in sein Haus holt, offensichtlich als Patient in der Psychiatrie, stirbt dort – um dann auferweckt seine klinische Umgebung zu verlassen. Ist das, was anschließend dann gut 90 Minuten lang passiert, sein Traum? Seine Wunschvorstellung? Man weiß es nicht.
Erleuchtung bringen da auch nicht die immer mal wieder auf dem herabgelassenen Gazevorhang eingeblendeten kryptischen Texte über irgend einen Stern – Texte, die allenfalls nach Abschluss eines universitären Hauptseminars in Astrophysik ihren Sinn offenbaren. Sie bleiben ebenso ein Fremdkörper wie schwarz-graue Nachtsichtaufnahmen eines Fuchses mit grell leuchtenden Augen. Und der Blick in die Texte des Programmheftes offenbart, wie so oft, Kommentare der Regisseurin wie ihres Dramaturgen, die meilenweit entfernt sind von dem, was das Publikum szenisch erlebt.
Putzig dagegen die Tierkostüme von Dorothee Curio, weniger putzig die Schar der Hühner, die als prall gelockte Blondinen daherkommt und vom schlauen Füchschen in seiner Rolle als Revoluzzer zu Selbstbewusstsein angestachelt werden.
Magdalena Fuchsberger erzählt eine Geschichte zwischen Wald, Wirtshaus und Försterei, wozu die Drehbühne sehr zweckdienlich ist und rasche Szenenwechsel ermöglicht. Ein roter Faden dieser Geschichte? Der ist auf Anhieb nicht erkennbar, außer dass natürlich alles um den pantheistischen Gedanken des Werdens und Vergehens kreist.
Janáček schuf mit „Das schlaue Füchslein“ eine innovative Musik, ganz eng verbunden mit der Sprache – und vorbildlich umgesetzt vom münsterschen Ensemble, darunter Adriana Kucerová in der Titelpartie, Gregor Dalal als Förster mit opulentem Bariton und Wioletta Hebrowska als Fuchs. Drei anspruchsvolle Rollen, die auf ganz hohem Niveau ausgefüllt werden. Das gilt in gleichem Maße für Dirigent Golo Berg, der viel Gespür entwickelt für die grenzenlos scheinenden und oftmals abrupt wechselnden Orchesterfarben. Alles in allem könnte man sich vorstellen, dass hier und da vielleicht noch ein klein wenig kantiger, schärfer, bissiger gespielt würde.
Der Premierenbeifall im nicht ganz vollbesetzten Theater war erfreulich rauschend, wenn auch kurz.
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