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Das TrioCoriolis und Alexander Strauch. Foto: Ralf Dombrowski
Das TrioCoriolis und Alexander Strauch. Foto: Ralf Dombrowski
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Runder Geburtstag mit Verzögerung: Komponist und nmz-Blogger Alexander Strauch feierte in München

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Was sollen nach den pandemischen Jahren noch runde Zahlen? Der 50. Geburtstag von Alexander Strauch fiel auf den 22. Dezember 2021, mitten im Corona-Winter Zwei. Die im Schwere Reiter München am 6. Februar stattgefundene Hommage „Feststrauß zum Strauch-Fest“ hat also schon einige Vorbereitungsphasen und Absagen hinter sich. Macht aber nichts. Viele Freund*innen und Weggefährt*innen des Münchner Komponisten fanden sich ein, applaudierten und feierten.

‚Nur‘ fünf Stücke für Streicher erklangen als kleiner Ausschnitt aus dem Schaffen eines der beiden aDevantgarde-Festival-Leiter (im Sommer 2023 ist es wieder soweit) und streitbaren Autoren des Bad Blog of Musick zur zeitgenössischen Musikkultur. Aus allen Schaffensperioden, aus wechselnden Besetzungen und verschiedenen Werkparametern des Münchner Komponisten Alexander Strauch hatte man 75 Minuten ausgewählt.

Das Duo für Viola und Violoncello (1994) stammt aus der Zeit, als es Strauch, dessen Eltern beide Chorsänger an der Bayerischen Staatsoper München waren, nach dem Cello-Unterricht früh zum Komponieren drängte. Schon während des Studiums war Strauch überall in München, Salzburg und Augsburg dort, wo es um Neue und nicht mehr ganz Neue Musik ging. Später erweiterte er den Ausbildungsradius durch ein Studium bei Hans Zender in Frankfurt am Main und bei Isabel Mundry in Zürich. Strauch plädiert immer für das Neben-, nie Gegeneinander musikalischer Schulen und Lager. Das Interesse an Hans Werner Henze und Aribert Reimann erzeugte in ihm keinerlei sektiererische Reibungsflächen zu seiner Liebe etwa für Richard Strauss und Gustav Mahler. Diese Vielfalt steckt auch in Strauchs eigenem Werk. Obwohl im „Feststrauß“ ‚nur‘ Streicher spielen, ist die Anatomie des Klangs und der Komposition in jedem der ausgewählten Werke anders, zeigt ein äußerst vielfältiges Motiv-, Harmonie- und Strukturspektrum.

Auch in der beachtlich dichten Präsenz von Strauchs Werken im Sendeprogramm im Bayerischen Rundfunk dominiert die Kammermusik, in der Gegenwart mehr noch Kompositionen mit vokaler Ausrichtung. Diese Vorliebe merkte man in den Werken für Streicher – gespielt vom TrioCoriolis (Thomas Hofer – Violine, Klaus-Peter Werani – Viola, Hanno Simons – Violoncello) mit Nina Takai (Violine). Noch im jungen „4-9-13 Gruppetto für Streichtrio“ (2022) lässt sich in den Gegenstimmen, kanonischen Tonfolgen und dramatisch akzentuierten Gegensätzen auch die Erfahrung mit der menschlichen Stimme ablesen. Zu dritten Säule von Werkkategorien und -inhalten gehören bei Strauch Auseinandersetzungen mit dem bayerischen Kulturkreis wie der „Mensuralkanon über das Hias-Lied“ (2019) und das „H-I-A.S, Streichquartett Nr. 1“ (2012).

Egal ob den legendären bayerischen Robin Hood oder Strauchs eigene Streifzüge betreffend: Strauch wildert neben seinen Aufgaben als Stellvertretender Vorsitzender in der Fachgruppe E Musik und im Landesverband Bayern des Deutschen Komponist:innenverbandes, in der Leitung des NKM – Neues Kollektiv München und des Rainbow Sound Orchestra Munich (mit Mary Ellen Kitchens) gerne zwischen Hoch- und Subkulturen. Das schließt Neue Musik an der Schnittstelle zu traditionellen Nischen ein – und ein verblüffend weites Themenspektrum im Musiktheater. Strauchs Sujets zielen zum Beispiel auf Philosophie („ UT-OP.er oder Das ewige Nichts “ frei nach Thomas Morus‘ Utopia (Text: Martina Veh, 2009), Queerness (bizarr in der Schaufenster-/ Kontaktanzeigen-Performance „V on Innen nach Außen“ , 1998) und Sport (in der Boxoper „ joe+max“, 2009, gehören zwei Boxer unverzichtbar zur Besetzung). Brachiale Comedy pur war – ebenfalls mit Martina Veh – die Comic-Choir-Oper „Queen Edward II“ für das Münchner Ensemble Philhomoniker, welches Strauch 15 Jahre leitete. Begegnungen Strauchs mit der Neuen Musik blieben nie staubtrocken. Wenn es eine performative Katastrophe erforderte wie vor Jahren beim Krimi-Konzeptkonzert „Tod im Grand Hotel“, sprang er selbst ein.

Von solchen abenteuerlichen Eskapaden bleib der Geburtstagsabend im Neuen Schwere Reiter frei. Der Konzertsaal ist auch Veranstaltungsort von Strauchs Ensemble „NKM – Neues Kollektiv München“. Noch ein bisschen kühl wirkt der erst im Herbst 2021 eröffnete Neubau und hat dabei eine brillante Akustik, die Werken der Neuen Musik sehr zugute kommt. Auch das war Thema beim Strauch-Abend: Das Gegenüber von Werken mit bzw. ohne Elektronik. Sogar für den Widerstreit bei der Wahl von Besetzungsmitteln stand dieser „Feststrauß“. Am Ende war kein Zweifel mehr darüber nötig, ob Strauch die physisch-vokale Klangproduktion einer elektrischen oder mit elektrischen Mitteln operierenden vorzieht. Der Abend erbrachte ganz nebenbei den Beweis für die starke Kraft kontinuierlicher Netzwerke. Das Schwere Reiter wird ein wesentlicher Schauplatz des aDevantgarde-Festivals von 17. Juni bis zum 2. Juli 2023. Dort erklingt auch ein neues Werk Strauchs für Ensemble Recherche und Trio Abstrakt.

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