Die seit 1956 um Wolfgang Amadé Mozarts Geburtstag am 27. Januar stattfindende Mozartwoche ist trotz unregelmäßiger Ausflüge in die größeren Salzburger Spielstätten wie das Haus für Mozart zum „Messias“ 2020 vor allem im Mozarteum angesiedelt – oder dort, wo bereits der Geehrte auftrat oder verkehrte. Dieses Jahr wurde das erste österreichische Klassikfestival im Jahreslauf zum digitalen Zyklus mit Kammer- Orchester- und Vokalwerken aus Mozarts sämtlichen Schaffensperioden. Myfidelio und Medici streamten vom 27. bis zum 31. Januar die auch vom ORF für spätere Zeitpunkte übernommenen zehn Konzerte, auf welche das einwöchige Programm fokussiert wurde.
Vor den Endgeräten entwickelte die Hommage längst nicht die Nestwärme wie die physische Mozartwoche, die immer etwas vertrauter und intimer wirkt als die Salzburger Oster-, Pfingst- und Sommerfestspiele. Auch deshalb, weil es zum gesellschaftlichen Defilee draußen meistens zu kalt ist und sich ein Teil der Sommerfestspielgäste saisongemäß lieber in Kitzbühel beim Après-Ski oder im voralpenländischen Fasching vergnügt. Dieses Jahr fällt das alles aus. Deshalb verabschiedet sich die Kamera immer gleich nach dem Schlusstakt mit Eile von den einander applaudierenden Interpreten (sonst ist ja niemand da außer den Kamerateams) und friert mit einer Einstellung auf die Mozart-Statue im Mozarteum-Foyer ein.
Rolando Villazón hatte in seiner Eigenschaft als Intendant der Mozartwoche zahlreiche Musikerfreunde auf die Podien eingeladen – viele von ihnen waren bereits in der Vor-Corana-Planungsphase vorgesehen. Bei seinen Begrüßungen gab sich Villazón als glücklich begeisterter und begeisternder Gastgeber. Er sang auch: Die von ihm geliebte Konzertarie „Va, dal furor portata“ KV 21 im Eröffnungskonzert und als Zugabe mit Regula Mühlemann den Vogelfänger Papageno, für den er an der Met vorgesehen ist.
Im gehypeten Fokus der Ankündigungen stand der Vortrag des Allegro D-Dur KV 626b/16a durch den Pianisten Seong-Jin Cho und die Darstellung von dessen Überlieferungsgeschichte durch Ulrich Leisinger, Direktor der Mozarteum-Forschungsabteilung. Der britische Autograph-Experte Stephen Roe hatte den Erwerb des lange verschollenen Stücks aus Privatbesitz vermittelt, mit dem es nach 80 Jahren zur ersten Aufführung eines ‚Mozartstücks‘ aus dessen eigener Überlieferung kam. Das nur eineinhalbminütige Stück ist kein spezifisches Werk für Tasteninstrument, sondern die Niederschrift eines Satzes aus den Balletten zu Mozarts Opera seria „Lucio Silla“ für das Teatro Regio Ducale in Mailand. Im Köchelverzeichnis steht das Stück seit der 3. Auflage von 1937 als nicht näher bekannt. (Das Faksimile ist erhältlich auf www.mozarthaus.biz.)
Gleich im Eröffnungskonzert gab es mit der Flötistin Mathilde Calderini, dem Harfenisten Xavier de Maistre und dem Mozarteumorchester unter Jeri-Lynn Wilson im Doppelkonzert KV 299 den ersten Höhepunkt. Die Solisten umgarnten sich weich, aber nicht geziert. Zu Klang gewordene Empfindsamkeit wurde von der kanadischen Dirigentin gehärtet. Mit der Camerata Salzburg schärfte Giedrë Ðlekytë die tönenden Randlinien sogar noch stärker, wollte Renaud Capuçon und Gérard Causséin in ihren Soloparts der Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 mit Violine und Viola nicht mehr liebliches Terrain gewähren als unbedingt nötig.
Auffallend ist in der Mozartwoche 2021, wie sich die Expertisen der historisch informierten Aufführungspraxis in den ‚herkömmlichen‘ Konzertbetrieb hineingraben, auch wenn Regula Mühlemann im „Alleluja“ des „Exsultate jubilate“ op. 165 mit fast noch jungfräulicher Lyrik aufging und die singuläre Schönheit jeder Note zelebrieren wollte. Gerade weil Cecilia Bartoli in der Konzertarie „Non temer, amato bene“ und der zweiten Zerlina-Arie aus „Don Giovanni“ bei ihrem Ausflug von den Pfingstfestspielen zur Mozartwoche die unbestreitbare Listenführerin unter deren Sängern ist, befremdete die Reihung der Beiträge des von Daniel Barenboim dirigierten Abschlusskonzertes mit den Wiener Philharmonikern, bei dem Barenboim wie schon im Duokonzert mit Martha Argerich vor der Prager Sinfonie zum Klavierkonzert c-Moll KV 491 am Flügel saß. Bartoli rebellierte in ihren beiden an den Beginn gesetzten Arien mit Gestaltungswillen und einem wie immer erstaunlichem Timbre gegen Barenboims mildes, nicht sonderlich inspirierendes Zeichenvokabular.
Zu gelinden Enttäuschung wurde die ursprünglich mit András Schiff geplante Mozartiade aller Klavierlieder des Komponisten. Elena Bashkirova musste mit Sylvia Schwartz, Magdalena Kožená (fein deren Schlusspunkt „Die Alte“ KV 517) über und dem hier weniger als in Mozart-Bühnenpartien überzeugenden Mauro Peter erleben, dass übergreifende Dramatik mit den maliziösen Pointen oft melodisch aufpolierenden Strophen nur sehr schwer erreichbar ist. Thomas Hengelbrock, das Balthasar-Neumann-Ensemble und die Sopranistin Katharina Konradi huldigten mit der frühen Symphonie Es-Dur KV 16, der Jupiter-Symphonie KV 551 und Opernarien der Liebesehe zwischen Wolfgang Amadé und Konstanze geb. Weber. Ein Bedauern über abgesagte Programme wie das Debütkonzert von Mozarts Sohn Franz Xaver, eine konzertanten Aufführung von „Il re pastore“ unter Ivor Bolton und ein Konzert mit Collegium 1704 und Mojca Erdmann bleibt.