Worte wie „Weib“ und „Mohr“ sind inzwischen tabu sogar bei Aufführungen von Mozarts Dialogoper „Die Zauberflöte“. An der Oper Leipzig hatte man diese jetzt nicht nur im Text, sondern auch freundlich geglättet. Musical-Experte Matthias Davids wird bei den Bayreuther Festspielen 2025 „Die Meistersinger von Nürnberg“ inszenieren und gab einen Vorgeschmack davon, wie man tiefe Inhalte leichtgewichtig bebildert. Unter Jonathan Darlington begleitete das Gewandhausorchester schlank und unverbindlich.
Saubere Leistung mit Wort-Reinigung: „Die Zauberflöte“ in Leipzig
Derzeit hat „Die Zauberflöte“ wieder Hochkonjunktur in Neuproduktionen und Repertoire-Vorstellungen. An einigen Theatern sogar mit neuem Text – wie bei Josef E. Köpplinger am Münchner Gärtnerplatztheater etwa oder am Theater Hof von Ivana Sokola. Ganz so weit ging man an der Oper Leipzig nicht, optimierte aber hie und da. Denn die im September 1791 im Wiener Freihaustheater auf der Wieden uraufgeführte „Große Oper“, die eigentlich ein Singspiel und damit nach heutigen Genrebegriffen ein Musical wäre. Die von Mozart den Ritualen der Freimaurer abgenommenen Riten der Priesterschaft um Sarastro ergehen sich in heute unzulässigen Frauenfeindlichkeiten. Das hätte ein Reibungs- und faszinierender Ausgangspunkt sein können. Aber die neue Dramaturgin Kara McKechnie textete entschärfend um. Die Zauberflöte“ mit ihrem bunten Figurenarsenal von Mädchenprinzessin, kalter Mutter, erlauchtem Priester, munterem Dienstvolk und sogar einem PoC, der hier statt „böser Mohr“ freilich „böser Mann“ heißt, ist ein schillernder Kosmos, der Rückschlüsse auf die Intensität einer Leistung auf dem Grünen Hügel erlaubt. Für alle und den Regisseur Matthias Davids wurde am Ende laut und lange applaudiert.
Die neue „Zauberflöte“ ist paradigmatisch für die von Intendant Tobias Wolff konsequent verdichtete Linie. Politisch korrekt will man sein, gleichzeitig populär und jetzt auch nachhaltig. Zwischentöne wie Zynismus, Sarkasmus und Dialektik fehlen. Insgesamt gerät das Resultat betreffend der gerade für Mozarts letztes Bühnenwerk dringend nötigen Herzenswärme etwas flach und in der menschlichen Dimension kaum rührend.
Es gibt in der Bühnenmitte eine Spielschräge, umgeben von Spiegelwänden links, rechts oben – dahinter das Meer. Mathias Fischer-Dieskau setzte daneben kahles Gestrüpp, dem diese Zivilisationsnische offenbar abgetrotzt wurde. Die Feuer- und Wasserprobe war eher Rummelplatz-Amüsement als echte Prüfung. Möglich wurde diese flockige Leichtigkeit auch durch die Kostüme von Susanna Hubrich. Krinolinen in Fast-Fashion-Pastellfarben, darunter Jeans. Tamino trägt Haarknoten und Pamina ein weißes Kleidchen.
Auf Exzellenz-Niveau agierten vor allem Amelie Petrich als Papagena und Dan Karlström als Monostatos. Auf der Plus-Seite der Hauptpartien stehen zwei Positionen. Randall Jakobsh ist kein Sakral- oder Gallertbass, sondern ein Sarastro mit vokalen Kanten und deshalb ein glaubhafter Charakter. Hellstimmig, mit mehr klaren Glocken- als warmen Samttönen legt Samantha Gaul als Pamina im zweiten Teil zu. Eigentlich traut man weder ihr noch dem leichtstimmig und damit sympathischer Unverbindlichkeit durch den Abend kommenden Tamino von David Fischer die Energie zur humanen Selbstoptimierung zu. Fischers Bildnis-Arie hat schöne Linie, wenig Dringlichkeit. Pamina und Tamino gehen einfach am Ende, genau wie Papagena und Papageno (Jonathan Michies Stärken liegen sicher im Musical). Von Liebe wird mehr gesungen und gesprochen als glaubhaft dargestellt.
Für die Priesterschaft zeigt Davids wenig Mühe, sich mit den Grundregeln der freimaurerischen Riten zu beschäftigen. Er bevorzugte ein aus einer Vielzahl von SF-Visionen bekanntes Ambiente mit Sektenandeutungen. Trotzdem geraten die Priesterszenen in Davids’ Inszenierung und Werksicht zu den stärksten Momenten. Frauen fügen sich in die sektiererische wie trügerische Eine-Welt-Harmonie uniform ein. So kommt am Ende doch noch etwas Pessimismus in das sich unverhohlen der Breitenwirkung anbiedernde Spiel.
Für das Gewandhausorchester war dann doch die drei Stunden dauernde Vorstellung ein kleines Abenteuer. Drei musikalische Leitungen stehen im Programmheft – fünf noch am Premierentag auf der Website. Den Beginn machte Jonathan Darlington und versuchte der Klanginstitution mit dem größten Stellenplan Deutschlands auch Alte-Musik-Lockerheit und Delikatesse anzuerziehen. Manchmal huschten Mozarts Holz- und Streicherläufe zu leichtzüngig vorbei, hatten die Akkorde der Bruderschaft keine Eindringlichkeit – weder thematisch noch musikalisch. Am besten gelangen Darlington mit der hier nicht zu großen Besetzung und Thomas Eitler-de Lints Vorbereitung die Chorszenen – klar artikuliert und schön. Das Damen-Trio (Olga Jelínková, Kathrin Göring, Nora Steuerwald) agiert mit verspielter Leichtgewichtslaune. Julia Sitkovetsky nahm die erste Arie der Königin der Nacht zum vokalen Aufwärmen und war zur Rache-Arie in sängerischer Bestform. Der Leipziger Star Mathias Hausmann bleibt als Sprecher ohne Aura. Sehr fein dagegen der Sklavenchor in kleiner Quartettbesetzung. Die Soli aus dem Thomanerchor bringen die drei Knaben in grundbraver Aufstellung und mit vokaler Disziplin. Das entspricht der Gesamthaltung eines sehr ordentlichen Abends ohne nennenswerte Deutungsakzente für die facettenreiche Wirkungsgeschichte von Mozarts Märchenoper.
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