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Der Kleine Saal der Elbphilharmonie wurde eröffnet. Foto: Juan Martin Koch
Der Kleine Saal der Elbphilharmonie wurde eröffnet. Foto: Juan Martin Koch
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Schöne, ehrliche Schuhschachtel: Das Ensemble Resonanz eröffnete den Kleinen Saal der Elbphilharmonie

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Einen Tag nach der Premiere im Großen Saal ist auch der Kleine Saal der Hamburger Elbphilharmonie eröffnet worden. Das Ensemble Resonanz, von nun an Residenzensemble des Hauses, nahm ihn mit Werken von Georg Friedrich Haas, Alban Berg und Béla Bartók in Besitz. Juan Martin Koch war für die nmz vor Ort.

Der erste Eindruck ist ein haptischer. Kaum sieht man die gewellte, gerillte Oberfläche der Eichenholzverkleidung, überkommt einen das unwiderstehliche Bedürfnis, sie zu betasten. Aus der Ferne, an der Bühnenrückwand beleuchtet, erinnert sie dann an einen Blasen werfenden Teig, der gerade Bräune annimmt. Wie bei den geschwungenen Zargen eines Saiteninstruments, so scheint auch hier allein die Form Klang zu verheißen. Und jedes Detail zählt. So musste der Elbphilharmonie-Akustiker Yasuhisa Toyota noch kurz vor Schluss aufwändige Modifikationen an der Verkleidung vornehmen lassen. 

Das schien sich zunächst bezahlt zu machen: In Georg Friedrich Haas’ für diesen Anlass komponiertem Werk „Release“ entstand durch die Überlagerung der von der umlaufenden Technikergalerie aus mikrotonal zerstäubten Streichermixturen ein faszinierendes Klanggebilde, das von der Decke abzustrahlen schien. Vor allem im Tieftonbereich entwickelte sich eine unwirkliche, intensive Präsenz.

Erstaunlich prägnant waren auch die Einwürfe der links auf der Bühne postierten Harfe zu hören, die (auf einem mittigen Platz im hinteren Saaldrittel sitzend) von hinten links zu kommen schienen. Diese Raumklangeffekte verflüchtigten sich dann aber in dem Maße, wie die Musiker/-innen nach und nach herunter auf die Bühne kamen und ihre regulär gestimmten Instrumente zur Hand nahmen.

In Alban Bergs sieben frühen Liedern wurde dann endgültig offenbar, dass die 550 Plätze fassende Schuhschachtel zumindest in dieser Konstellation mit aufsteigenden Sitzreihen (andere Varianten sind möglich) eher nüchtern und trocken klingt. Dass Sandrine Piau hervorragend singt, wird ebenso hörbar wie ihre gute Textbehandlung, doch der Saal transportiert den Vokalklang nicht von der Stelle weg, an der er produziert wird. Es umspielen ihn die weichen Aquarelle der neuen Streicherbearbeitung, die Johannes Schöllhorn besorgt hat. Er reduziert dabei nicht einfach Bergs eigene, opulente Orchestrierung, sondern geht von der originalen Klavierfassung aus, deren expressiver Gestus ein Stück weit abgemildert erscheint.

Nach der Pause im etwas eng geratenen und durch die niedrige Decke eine gewisse akustische Klaustrophobie erzeugenden mittleren Foyer reizte Bartóks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta die Möglichkeiten des Saales weiter aus. Zusammen mit dem Schlagquartett Köln entwickelte das Ensemble Resonanz unter der Leitung von Emilio Pomàrico eine kammermusikalisch herbe, im Raum sehr gut durchhörbare Interpretation des modernen Klassikers.

Durch die von Bartók vorgegebene Teilung des Streicherapparats kam das ohnehin nicht große Ensemble dabei allerdings bisweilen auch an die Grenzen seiner klanglichen Möglichkeiten, was die Akustik ähnlich ehrlich und ungeschönt zu Tage förderte wie im Falle des NDR Orchesters im Großen Saal beim anschließend wiederholten Eröffnungskonzert.

Wichtiger als die Frage, wie der Raum klingt, wird also auch im Kleinen Saal die Frage sein, was dort in welcher Qualität erklingt. Mit ihrem vielfältigen Saisonprogramm „unknown space“ macht das Ensemble Resonanz in jedem Fall schon einmal deutlich, wohin die Reise gehen könnte.

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