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V.l.n.r.: Alexander Günther (Herodes), Tamara Banješević (Salome). © Candy Welz

V.l.n.r.: Alexander Günther (Herodes), Tamara Banješević (Salome). 

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Schwarze Landschaft: Keine Schleier fielen bei „Salome“ in Weimar

Vorspann / Teaser

Die biblische Geschichte von der Hinrichtung Johannes’ des Täufers durch König Herodes um das Jahr 30 war Ausgangspunkt des Schauspiels „Salome“ von Oscar Wilde. 1905 brachte Richard Strauss seine darauf basierende einaktige Oper gleichen Titels heraus. Ein Skandalstück, das zum Welterfolg wurde. Am Deutschen Nationaltheater Weimar kam nun eine Neuinszenierung des Stücks heraus, das nicht nur für Sänger und Orchester eine gewaltige Herausforderung darstellt. 

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Wie Dominik Beykirch, der 33-jährige Musikchef und Musikdirektor des Nationaltheaters Weimar, in seinem Programmheftbeitrag zu Recht schreibt: „Salomes Tanz sitzt im ‚Goldenen Schnitt‘ der Partitur und bildet das Gravitationszentrum der Aufführung. … Der Tanz ist gewissermaßen die dramaturgische Sollbruchstelle: ist diese einmal durchschlagen, so gibt es kein Zurück. Nach dem Tanz ist nichts mehr wie zuvor.“ 

Um ebendieses „Gravitationszentrum“ im Szenischen haben Regisseurin Friederike Blum (und die choreografische Mitarbeiterin Vendula Novakova) das Publikum betrogen, und damit das Stück desavouiert. Ganz im Gegensatz zum Dirigenten, der den Tanz, einer der faszinierendsten Tänze der Opernliteratur (mit seinen vielen überraschenden Wendungen und Taktwechseln) in seiner schwülen Erotik und orientalischen Exotik geradezu rauschhaft sinnlich aufbrausen ließ. Indes der Rausch verpuffte, denn außer, dass Salome sich ihrer Glasklunker über ihrem Schlangenkostüm entledigte und reihum die anwesenden Männer des Hofstaates zurückhaltend tänzelnd befummelte und zu Boden warf (am Ende auch Herodes, dessen Haupt sie in einen Schleier einwickelte), ereignete sich nichts Nennenswertes. Keine Schleier fielen, es wurde nicht wirklich getanzt, keine exhibitionistisch kalkulierte Entblößung der Tanzenden. Der „Tanz der sieben Schleier“ wurde zum (sinn-)leeren musikalisches Versprechen, bloß weil die Regisseurin „kein Interesse“ daran hatte, „den nackten Körper der Sängerin auszustellen“. 

Stattdessen hat sie sich von ihrer Bühnenbildnerin Heike Vollmer einen spitzwinkeligen, von hohen Mauern begrenzten, nach oben ansteigendem und hinten offenem Bühnenraum bauen lassen, der über und über mit schwarzen Schleiern bedeckt ist, eine vulkanisch verbrannt wirkende schwarze Landschaft, ein „Massengrab“, über dem riesige Schleier auf- und ab wallen. Ein suggestives Bühnenbild, zugegeben, ein magischer Raum, man könnte in ihm allerdings mühelos die verschiedensten Werke von Monteverdi bis Wagner spielen. 

Die ganze Welt verschleiert sozusagen. „Auf der Suche nach Liebe“, wie das Inszenierungsteam meint. Am Ende der Oper fällt denn auch der Bühnenhimmels-Schleier über der, aus welchen Gründen auch immer, sterbenden Salome. Herodes Aufforderung „Man töte dieses Weib“ bleibt ungehört, ist eigentlich überflüssig und wird ebenso ignoriert von der Regisseurin, wie eigentlich das ganze Stück, so wie es intendiert ist.

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Vorne v.l.n.r.: Narumi Hashioka (4. Jude), Nathaniel Kondrat (5. Jude), Alexander Günther (Herodes), Gabriel Pereira (3. Jude), Jörn Eichler (2. Jude), Eberhard Francesco Lorenz (1. Jude); hinten v.l.n.r.: Pia Jauernig (Ein Sklave), André Rabello (Ein Cappadocier), Christel Loetzsch (Herodias). © Candy Welz

Vorne v.l.n.r.: Narumi Hashioka (4. Jude), Nathaniel Kondrat (5. Jude), Alexander Günther (Herodes), Gabriel Pereira (3. Jude), Jörn Eichler (2. Jude), Eberhard Francesco Lorenz (1. Jude); hinten v.l.n.r.: Pia Jauernig (Ein Sklave), André Rabello (Ein Cappadocier), Christel Loetzsch (Herodias). © Candy Welz

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Allzu ernst genommen hat Friederike Blume allerdings die tierhaften Metaphern des Librettos, indem sie gefiederte, glitzernde Tier-Mensch-Wesen (mummenschanzmäßig kostümiert von Lauren Steel) als quietschbuntes, karnevaleskes Pandämonium vorführt. Salome spricht von den Maulwurfsauen des Herodes, Herodias wird von ihm als Raubvogel bezeichnet. Von weißen Pfauen ist die Rede. Das alles eins zu eins in gefiederte, geschuppte, gepanzerte Tierkostüme umzusetzen ist ein groteskes, ja absurdes Missverständnis, das das Werk nicht ernst nimmt und ins Unglaubwürdige verdreht. „Salome“ eine tierische Komische Oper? 

Dass es „die Absurditäten im Verhalten der Figuren“ (welche Absurditäten?) aufzeigen solle, bleibt uneingelöstes Lippenbekenntnis der Regie, die die „psychologischen, animalischen und humoristischen Aspekte“ des Stücks enthüllen wolle. Ist die an viele Tabus rührende, leichenpathologische, von extrem narzisstischer wie rücksichtslos erotischer Zerstörungskraft einer Femme fatale strotzende „Salome“ ein humoristisches Stück? Fragen über Fragen an die Regie.

Dass die Aufführung dennoch in ihren Bann zog, ist allein der orchestralen (dirigentischen) und sängerischen Qualität der Aufführung geschuldet: Vor allem die serbische Sopranistin Tamara Banješević in der Titelpartie überrascht mit einer treff- und höhensicheren großen Stimme, ein jugendlich dramatischer Trompetenstahl, der der mädchenhaft grausamen Rolle zu (selten zu hörender) Glaubwürdigkeit gereicht. Von Salomes nixenhafter Maske mit gläsern-gallert wirkenden, eingewachsenen Hörnchen, die an ein Krönchen erinnern und den rosafarbenen Haaren, mal abgesehen.

Der über und über mit Juwelen und Glimmer dekorierte, überschminkte, wie ein göttlicher Zirkusdirektor daherkommende Herodes von Alexander Günther, Urgestein im Weimarer Ensemble, fasziniert mit seinem wortverständlichen, charakterstarken Tenor. Die junge Mezzosopranistin Christel Loetzsch singt im violett gefiederten Vogelkostüm mit weit ausschwingenden Flügeln eine erstklassige Herodias, überzeugend sind auch der Narraboth des südkoreanischen lyrischen Tenors Taejun Sun (im fantasyhaften Ritterkostüm mit Punkfrisur) und die fabelhafte japanische Sopranistin Sayaka Shigeshima als Page im quietschgrün-papageienhaften Hofkostüm. Die groteskeste Erscheinung im großen, alles in allem überzeugenden Sängerensemble ist der junge, aus Kiew stammende, fulminante Heldenbariton Oleksandr Pushniak, eine wohlbeleibte Mischung aus gehörtem Ziegenbock (Pan?) und verzotteltem, hässlichem Bettelmönch, der als Prophet Jochanaan aufzutreten hat. Ein allen altbiblisch verbalen Anpreisungen seiner schönen Männlichkeit widersprechende, geradezu lächerliche Erscheinung.

Chefdirigent und Operndirektor Dominik Beykirch hält die Fäden der Aufführung energisch zusammen und beglaubigt die Musik von Richard Strauss. Sein sensibles, wenn auch uneinheitliches, einige Koordinationsproblemen aufweisendes, aber immer wieder kraftvolles, ja rauschhaftes Dirigat hat die Staatskapelle Weimar (von einigen spieltechnischen Mängeln abgesehen) zu einer insgesamt beachtlichen, mit der lächerlichen Regie versöhnenden Leistung animiert, die die Aufführung rettet.

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