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Sind noch Lieder zu singen?

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Uraufführungen 2015/03
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Diese Frage stellt die Internationale Hugo-Wolf-Akademie mit ihrer vom 12. bis 14. März in der Stuttgarter Musikhochschule stattfindenden internationalen Akademie mit Workshops, Diskussionsrunden und vier Konzerten, bei denen zwölf neue Liedwerke von zwölf Komponisten uraufgeführt werden: von Carola Bauckholt, Oscar Strasnoy, Gordon Kampe, Dennis Bäsecke-Beltrametti, Steffen Schleiermacher, Alexander Muno, Iris ter Schiphorst, Jan Masanetz, Martin Smolka, Carsten Hennig, Bernhard Lang und Hans-Henning Ginzel.

Der von den Veranstaltern bewusst in eine Frage gewendete Vers aus Paul Celans berühmtem Gedicht „Fadensonnen“ lautet vollständig: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen.“ Was der jüdische Dichter 1965 mit dem dunklen „jenseits der Menschen“ gemeint haben könnte, deutet sein erster Vers „über der grauschwarzen Ödnis“ an, der im Wort „grauschwarz“ den Name desjenigen Ortes verschlüsselt, der wie kein zweiter im 20. Jahrhundert eine Sphäre jenseits der Menschen markiert, einen unmenschlichen Ort beziehungsweise einen des Unmenschen: Auschwitz.

Celans Gedicht gab folglich Anlass zu Mutmaßungen, es sei eine Reaktion auf jenes Diktum von Theodor W. Adorno, wonach es barbarisch und folglich unmöglich sei, nach Auschwitz noch ein Gedicht zu schreiben. Dem hielt Celans Lyrik entgegen, Kunst dürfe nicht schweigen, sondern habe das Recht und sogar die Pflicht, für den sonst namenlos bleibenden Schrecken einen angemessenen Ausdruck zu finden. Der Anspruch des Stuttgarter Liederfestivals, „die Stellung des (Kunst-)Lieds in der Musiklandschaft des 21. Jahrhunderts“ zu befragen, könnte damit kaum höher gesteckt sein. Gesungen wird Neues auch andernorts.

Am 9. März gelangen in der Wiener Karlskirche Alois Bröders „13 Todesanzeigen“ für Countertenor und Altsaxophon zur Uraufführung. Am 13. März folgt in der Brüsseler Oper La Monnaie die Premiere von Detlev Glanerts Orchestrierung von Gustav Mahlers „Neun Liedern und Gesängen aus ‚Des Knaben Wunderhorn‘“. Und die Vokalartistin Ute Wassermann bringt im Rahmen des Konzerts „VoiceXtensions“ bei der Salzburg Biennale ein Stück von Pia Palme zur Uraufführung. Weitere Novitäten bei diesem vom 6. bis 22. März dauernden „Festival für neue Musik“ stammen von Simon Steen-Andersen, Caspar Johannes Walter, Sojeong Ahn, Hanna Eimermacher und Aureliano Cattaneo.

Wer sich im März nicht dem neuen Lied, sondern lieber altbewährtem Repertoire zuwenden möchte, ist am 21. März unter dem Motto „Bach in the Subways Day“ eingeladen – sei er Musiker, Veranstalter oder Teil eines Flashmobs – zum 330. Geburtstag von Meister Johann Sebastian dessen Musik den ganzen Tag lang in U-Bahnen oder anderen öffentlichen Orten aufzuführen, wozu sich Partituren sowie Transkriptionen für verschiedene Soloinstrumente und Ensemblebesetzungen auf www.imslp.org herunterladen lassen: „to celebrate our art and to sow the seeds for future generations of classical music lovers.“

Weitere Uraufführungen

04.03.: Johannes Kropfitsch, Trio serioso für Klaviertrio, Konzerthaus Wien
05.03.: Gerald Resch, Das Gemeindekind, Schauspielhaus Wien
07.03.: Isabel Mundry, Violoncellokonzert Non mesuré – mit Louis Couperin, Tonhalle Zürich
20.03.: Georges Aperghis, Études für Orchester, musica viva Herkulessaal München
22.03.: Marko Nikodijevic, Rondo für Klarinette, Orchester und Live-Elektronik, Heidelberger Frühling

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