Mit den längsten und wärmsten Tagen im Jahr sprießen vielerorts kleinere und größere Musikfestivals an Stellen aus dem Boden, die das restliche Jahr über eher weniger in Erscheinung treten, jedenfalls nicht mit Uraufführungen. Wer jedoch näher hinsieht, entdeckt auch dort großen Reichtum, zum Beispiel im bayerischen Staatsbad Bad Kissingen.
Gelegen im Regierungsbezirk Unterfranken südlich der Rhön, bietet die Große Kreisstadt das älteste Gradierwerk Europas, die von hier aus jährlich erhobenen „Emnid-Umfragen“ sowie viele weitere Attraktionen: Triathlon, Oldtimer-Rallye, Offroad-Messe sowie verschiedene internationale Musikwettbewerbe und Musikfestivals: im Frühjahr die „Osterklänge“ mit Konzerten, Schauspielen, Lesungen und thematisch konzipierten Gottesdiensten sowie das Musikfestival „Umsonst & Draußen“ für die jüngere Generation, im Herbst das Mittelalterspektakel „Minnesang und Schwerterklang“ und den „KlavierOlymp“ junger Talente, schließlich „Winterzauber“ und von Mitte Juni bis Mitte Juli den „Kissinger Sommer“. Zu erleben ist dort am 5. Juli im – einer Metropole würdigen – neobarocken Regentenbau von 1913 die Uraufführung von Aribert Reimanns „Cinq fragments français de Rainer Maria Rilke“ für Sopran und Klavier.
Edlen Rahmen bietet auch das Teatro La Fenice in Venedig, wenn dort beim „Maratona Contemporanea“ am 9. Juli das Ensemble Ex Novo die Premiere von Charlotte Seithers Quartett „Sguardo da molto vicino“ spielt. Festival-Jetter dieses Sommers ist Matthias Pintscher. Er ist Composer in Residence beim Festival des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich in Grafenegg, wofür er sich am 14. August mit einer „Fanfare“ für zwei Trompeten ankündigt und gleich wieder verabschiedet, um anschließend beim Lucerne Festival einen „Meisterkurs Dirigieren“ und gleich viermal das Orchester der Lucerne Festival Academy zu leiten. Und während hier am 23. August die Uraufführung von Pintschers Klavierstück „Now I“ stattfindet, erfolgt am 26. August unweit Dresden beim Moritzburg Festival die Premiere seines zweiten Werks dieser neuen Serie „Now II“ für Violoncello solo. Mit zwei Uraufführungen bei Sommermusikfestivals ist Philipp Maintz vertreten: Die „Europäischen Wochen Passau“ präsentieren am 12. Juli erstmalig seine „étude II“ für Klavier und die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern in Ulrichshusen am 15. August „thränenbesetzt“ für Viola und Klavier.
Dutzende Weltklasseorchester geben sich vom 14. August bis 13. September beim Lucerne Festival die Klinke in die Hand. Unter dem Motto „Humor“ möchte man zeigen, wie viel „U“ im „E“ steckt, sprich wie unterhaltend die E-Musik sein kann. Neben klassisch-romantischem Repertoire und gemäßigter Moderne gibt es auch Uraufführungen. Anlässlich seines 80. Geburtstags gibt es vier Konzerte mit Werken des Schweizer Komponisten und diesjährigen Composer in Residence Jürg Wyttenbach. Zur Uraufführung gelangt am 21. August sein Madrigalspiel „Der Unfall“ für zehn Mitwirkende nach einem Libretto von Mani Matter und am 22. August eine Ensemblebearbeitung seiner bereits 2001 beim Lucerne Festival uraufgeführten verhinderten Opern „Gargantua chez les Helvètes du Haut-Valais oder: ,Was sind das für Sitten!?‘“ nach phantastisch-krausen Texten des französisch Renaissance-Romanciers François Rabelais. Weitere Premieren präsentiert das Ensemble intercontemporain mit Studierenden der Festival Academy unter Pintschers Leitung im Rahmen von „Ein Tag für Pierre Boulez“ am 23. August: ein neues Werk von Heinz Holliger für Sopran und kleines Ensemble sowie „Re-Structures“ für zwei Klaviere und Live-Elektronik des 1953 geborenen Amerikaners Tod Machover, eines ehemaligen Schülers von Elliott Carter und Roger Sessions.
Weitere Uraufführungen
- 01.07.: Gordon Kampe, „7 cell-phone songs“ für Sopran, Bassklarinette, Akkordeon und Zuspielungen, Pina-Bausch-Theater Essen
- 17.07.: Gordon Kampe, Farben/Massen/Teufelsleitern für das Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Theaterhaus Stuttgart
- 16.08.: Eiko Tsukamoto, neues Werk, Nicolaus A. Huber, No Exit. verwunschene Fixierung für Ensemble, Zuspielungen, Video
- 30.08.: Wilfried Hiller, Gaia für eine singende, tanzende und trommelnde Sopranistin, Klosterkirche Herz-Jesu, St. Ottilien
- 30.08.: Rudolf Kelterborn, Zehn Duos für Frauenstimme und Klavier, Maison 44, Basel