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Emanuele D`Aguanno, Brigitta Brandmair-Keinath. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Emanuele D`Aguanno, Brigitta Brandmair-Keinath. Foto: Jan-Pieter Fuhr
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„Spiel so lange, bis dir die Rolle passt!“ – Donizettis „Don Pasquale“ in Augsburg

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Don Pasquale ist in Augsburg gutaussehend, sympathisch und trotzdem ein Lo(o)ser. Herausragender Pluspunkt der Premiere in der Staatstheater-Ersatzspielstätte martini-Park sind die Augsburger Philharmoniker mit schwungvoller und zum Glück nicht allzu fein gezwirbelter Italianità. Corinna von Rad versetzt Gaetano Donizettis späte und dekadente Commedia dell'arte-Figuren in das Ambiente einer Show, wo man mit normgerechten Lebensmaximen viel gewinnt. Fun first. Roland H. Dippel berichtet.

Ganz logisch ist es nicht, wie Corinna von Rad in der Augsburger Ersatzspielstätte im martini-Park die Story vom gealterten Junggesellen Don Pasquale erzählt, der seinen Neffen enterben will und dabei von seinem Arzt und der Witwe Norina derart böse gefoppt wird, dass ihm die Lust auf Liebe und Heirat auf immer vergeht. Natürlich bietet sich bei einem Sujet, in dem sich Wollen, Haben oder Sein derart durchdringen, der aktuelle Lieblingsschauplatz Nummer Eins von Musiktheater-Inszenierungen an: Ein Aufnahmestudio mit Regisseur, nerdiger Teamsekretärin, Flitter und Lametta. Statt Innenleben zählt das hemmungslose Ausschlachten und Darbieten des eigenen Körpermaterials und Unpersönlichkeitspotenzials. Im Studio lassen sich zudem die vormodernen Geschlechtermuster mittels komplikationsfreier Parodie und standardisierter Gesten ganz wunderbar karikieren und abschmettern: Vier aktionslüsterne Kandidaten – drei Männer, eine Frau – springen von der Wartebank in die Umkleidekabine, von dort angemessen aufgehübscht vor die Kameras und hantieren auch gerne selbst mit einer solchen. Doch am Ende sitzt Don Pasquale (Bestager: 58/ 1,78m – aktiv und vermögend) wieder da in seiner nach Einsamkeit riechenden Norweger-Joppe. Jetzt ist sogar der Stoffhund weg, mit dem er zu Beginn noch gespielt hatte.

Poetische Bilder

Publikumsliebling in dieser etwas nebulösen Gesetzmäßigkeiten folgenden Runde von „THE G*AME OF YOUR LIFE“ ist die weitaus mehr telegene, mehr Bein als emotionale Intelligenz zeigende und bis zum äußersten entschlossene Norina – eine Granate an Extrovertiertheit und bestens formbares Spielmaterial. Mithalten können neben ihr also weder Malatesta (wenig glaubwürdig eingeführt: 35, 180 – seriös und gebildet) und der am liebsten sich selbst auf dem Screen in der Rolle des einsamen Cowboys mit gebrochenem Herzen betrachtenden Ernesto (28, 178 – leidenschaftlich). Wie in einer ihrer letzten Arbeiten, Purcells „Dido und Aeneas“ im e.werk des Nationaltheaters Weimar, baut Corinna von Rad in einem fast realistischen Raum manchmal sogar poetische Bilder, die sie mit sinnfälligen Beobachtungen über den Zustand unserer Lebenswirklichkeiten füttert. Doch diesmal wirkt diese Darstellung fast glatt, sogar platt: Das liegt sicher auch an der Kälte eines Aktionismus, mit dem sie die Parolen des Optimierungswahnsinns „Du kannst alles, was du wirklich willst“ spiegelt und in Donizettis letzter opera buffa (Rom 1842) auf den Egoismus aller vier agierenden Figuren zurückführt. Sabine Blickenstorfers Kostüme werden am besten bei den beiden männlichen Chorsängern im Silberplastik-Overall mit Bunny-Ohren, schwarzer Fliege und Tuit-Tuit. Gegenbild zum von Ralf Käselau bewusst wenig atmosphärischen Studio ist ein Holzgerüst mit niedlichen Bildern von Stoffhund-Porträts, auf dem die unter einem Berg aus Tüll und Brautschleiern begrabene Norina hereinfährt und dann alle ihr ähnelnden Puppen tanzen lässt. Die Kerle sind die Verlierer, selbst wenn sich Malatesta und Ernesto am Ende einander mit galgenhumoriger Eintracht zu trösten versuchen.

Anders als die Szene strahlt die Musik trotz akustischer Schwierigkeiten umso mehr. Domonkos Héja erklärt Donizettis nur bei oberflächlichem Hören lustigen Abgesang auf die opera buffa zur Chefdirigentensache. Er liefert mit den Augsburger Philharmonikern und dem unter Carl Philipp Fromherz Unterbeschäftigung durch musikalische Gewitztheit ausgleichenden Chor einen stilsicheren, pointierten und durch alle denkbaren Farbskalen tänzelnden Donizetti. Der manchmal aufscheinende Funke Grobheit ist dem Spielort anzulasten.

Umso größer ist das Erstaunen darüber, dass das Staatstheater Augsburg bei nur vier Partien in Fächern aus dem Basiskompetenzspektrum eines jeden Musiktheaters gleich drei Gäste benötigt. Stefan Sevenich wird mit Körperfülle zur szenischen und vokalen Gazelle. Er erfüllt die Ansprüche der Titelpartie, weil er Diktion und Parlando in perfekter Übereinstimmung beherrscht. Da kommen weder der offenbar von einer leichten Indisposition beeinträchtigte Emanuele D'Aguanno als Ernesto noch der Donizettis Koloraturen und Romanzenton etwas zu salopp angehende Florian Götz mit. Für Jihyun Cecilia Lee wird es letztlich zum Dilemma, dass die Paradepartie der Norina doch mehr Delikatesse enthält als das von der Regie geforderte Rollenporträt. Insofern erweist sich Donizettis Musik als zu feinnervig für die Soundspur in einem Telecasting oder einer Medienshow, bei der es heißt: „Fake It Till You Make It“. Das hat letztlich auch etwas Tröstliches.     

  • Donizetti: Don Pasquale – Besuchte Vorstellung: Premiere am 25.5.2019 – Wieder am  2.6., 18:00  / 6.6., 19:30 / 12.6., 19:30 / 16.6., 15:00 im martini-Park

 

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