200. Geburtstag von Johann Strauss! Uraufführung „Waldmeister“ 1895! Münchner Erstaufführung 1896! Neufassung eines vergessenen Erfolgs! Regiehändchen eines Könners: des Intendanten Josef E. Köpplinger! Was ist das alles gegen die von der zentralen Solistin beim Kostümwechsel ausgelöste Sprinkler-Anlage? Ein mit Standing ovations gefeierter, fabulös zu Ende gespielter feuchtfröhlicher Premierenabend!

Robert Meyer (Christof Heffele), Anna-Katharina Tonauer (Jeanne), Daniel Prohaska (Erasmus Friedrich Müller), Regina Schörg (Malvine). Foto: © Marie-Laure Briane
Strauss-Bowle überspült Wasser-Flut – Turbulenter Johann-Strauss-Waldmeister am Münchner Gärtnerplatztheater
Dieses letzte Werk des Übervaters der Wiener Operette beginnt ja mit einem alles durchnässenden Gewitterregen. Brotzeit machende Bauarbeiter und ein grantiger Hausmeister des renovierungsbedürftigen „Hotel Waldmühle“, die mit ihren Freundinnen im Wald spazierende Star-Sängerin Pauline, ein ganzer Trupp „ausfliegender“ Forststudenten, schließlich der seine Studenten jagende strenge Oberforstrat und ein heillos theaterbegeisterter Botanik-Professor retten sich unter das Hoteldach. Trockenes steht nur in Form der Livreen und Dienstmädchen-Kleidung zu Verfügung – und so verwandeln sich alle … Doch inmitten aller Blitze und Tropfen hat den Studenten Botho der Liebes-Blick-Blitz der reichen Amtshauptmann-Tochter Freda getroffen – doch die soll den Oberforstrat heiraten. Und die botanisierende Amtshauptmannsgattin Malvine glaubt, einen „schwarzen Waldmeister“ entdeckt zu haben, hofft auf Bestätigung durch den Botanik-Professor und würde ihn beim Oberforstrat und Direktor der Forstakademie zu einer Anstellung verhelfen – während er nur von einer Bühnenkarriere träumt: Ibsen oder Schiller, bürgerliches Trauerspiel und Hamlet.
Da könnten Komödien-Götter wie Labiche und Feydeau Pate gestanden haben, wenn nicht Gustav Davis‘ Libretto ein wenig zu brav … also hat Hausherr-Regisseur Köpplinger zwar alle Gesangsnummern beibehalten, ein originales Duett wiederhergestellt und die Dialoge gekonnt aufgefrischt: alles spielt jetzt in den späten 1950er, frühen 1960er Jahren, mit einem ironisch nachgeahmten Heimatfilm-Vorspann – die Herrschaften haben sich nach den „dunklen Jahren“ wieder standesbewusst etabliert, erfolgreiche Künstlerinnen präsentieren sich früh-emanzipiert und die Studenten träumen davon – naja, „1968“ wird kommen.
Das Sprinkler-Drama
Alle sind zur Verlobungsfeier von Freda ins von Tapeten bis zu großen Wandbildern botanisch geprägte Oberamtsmann-Heim eingeladen. Die Feier beginnt – und es beginnt vom Bühnenrand an nach hinten zu regnen … Damit beginnt auch das Sprinkler-Drama: Der „Eiserne“ fährt herab; der Intendant erklärt; erste Wischversuche; dann Unterbrechung für fast 45 Minuten; neue Lichtschienen am Bühnenrand; schließlich der Intendant mit der Pauline-Solistin, deren Hand beim blitzschnellen Kostümwechsel den Feueralarm auslöste, dazu zwei Brandmeister stellvertretend für die 30 Mann der Berufsfeuerwehr, die bis in die Hinterbühne „retten“ mussten; standing ovation für das zurückkehrende, nur unwesentlich nass-verkleinerte Orchester und Dirigent Michael Brandstätter – und ein allumfassendes „Jetzt-erst-recht“-Tempo!

Caspar Krieger (Stadtrat Danner), Matteo Ivan Rašić (Botho Wendt), Andreja Zidaric (Freda), Robert Meyer (Christof Heffele), Regina Schörg (Malvine), Ludwig Mittelhammer (Tymoleon Gerius), Sophia Keiler (Pauline Garlandt), Ensemble und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: © Marie-Laure Briane
Auf der Bühne will die Hausherrin ihren gefürchtet grässlichen kalten Lindenblüten-Tee servieren – doch der wird heimlich mit grünem Waldmeister und viel Wein in eine süffige Bowle verwandelt. Alle Sichtweisen werden gleichfalls „süffig“, die Wandbilder fahren herab – und dahinter erscheint üppig grüner Pflanzenwald – nein, natürlich nicht Cannabis, wir sind in Söders neuem „law-and-oder“-Land! – sondern hypertropher Waldmeister (Bühne Walter Vogelweider) – das Licht wechselt von Grün und viel Alkohol zu Blau (Peter Hörtner) – und dann gelingt eine singulär amüsante Bowlen-Orgie à la „Anarchie für die Bourgeoisie“ – alle sind selbst in spärlicher Unterwäsche so reizvoll wie ein herbeizitierter „Sommernachtstraum“ anzusehen, so dass der Szenenbeifall in Jubel mündet – und sich steigert, als nach kurzem Zwischenvorhang auf der Bühne eine total verkaterte „Bowlen-Leichen“-Landschaft aus herumliegenden Körpern zu belachen ist. Inzwischen hat die lebens-liebens-lustige Pauline (keck Sophia Keller) sich den Oberforstrat (gekonnt anfangs steif Ludwig Mittelhammer) geangelt, also kriegt Freda ihren Botho und auch andere Paare finden sich – der grüne Waldmeister machts möglich. An so einem Abend müssen alle gelobt werden: vom bewegt mitspielenden Chor (Pietro Numico), dem Hausmeister und Butler von Erwin Windegger, dem lebensuntüchtigen Botanik-Schauspieler von Daniel Prohaska über viele gut konturierte Figuren bis hin zu den mit Schmelz und Süße hervorragend singenden Andreja Zidaric (Freda) und Matteo Ivan Rašič (Botho) als bildschönes, am Ende glückliches Paar – auch wenn zuvor neben aller Österreich-Tourismus-Werbung ein Schild zeigt: „Mayerling 2,8 km“ … jaja, „Trau, schau wem“ erklingt als der Ohrenwurm-Walzer.
„So etwas hab‘ ich noch nie erlebt – wenn wir in der Welt doch auch so miteinander …“ bekannte Regie-Intendant Köpplinger am Schluss – dem war nur zuzustimmen: Gemeinsamkeit, Theaterleidenschaft und Spiellust überbordend und begeisternd – hinreißend mitzuerleben!
Roland Geyer, der Intendant von „Johann Strauss 2025 Wien“, hat Köpplinger um eine „seltene Strauss-Operette“ gebeten, so dass diese Produktion zu einem Gastspiel eingeladen ist.
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