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Streichquartette zu gut - Keine Preisvergabe beim Premio Paolo Borciani

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„Leider gibt es dieses Mal keinen Premio Paolo Borciani.“ Als der Juryvorsitzende Günter Pichler – langjähriger Primarius des großen Alban Berg Quartetts – dieses Urteil verkünden musste, wirkte er selber etwas angefressen. Und da war er nicht der einzige: Nach ein paar Schrecksekunden entlud sich im ausverkauften Teatro Valli in Reggio Emilia ein kräftiges Buhgewitter.

Die Empörung der Zuschauer war durchaus verständlich. Weil die umstrittene Entscheidung ein vollkommen falsches Signal sendet: Es scheint so, als wäre keiner der Finalteilnehmer gut genug gewesen. Dabei war das Gegenteil der Fall. Eigentlich hätten alle drei Ensembles den Preis verdient gehabt: Das polnische Meccorre- und das französische Voce-Quartett für ihre vollkommen gegensätzlichen, aber auf ihre Weise sehr dichten Interpretationen von Schuberts „Der Tod und das Mädchen“, und das deutsch-schweizerische Amaryllis-Quartett für seine packende Darbietung von Beethovens op. 131.

Die hohe Qualitätsdichte, aus der zumindest am Finaltag keines der Ensembles entscheidend hervorstechen konnte, spiegelt den Verlauf der gesamten Woche. Denn der Premio Paolo Borciani – der wohl bedeutendste Quartettwettbewerb, der nur alle drei Jahre statt findet – belegte einmal mehr das außergewöhnlich hohe Niveau der jungen Generation. Schon nach der zweiten Runde befand Günter Pichler: „Ich habe bereits jetzt einige Leistungen gehört, die besser waren als das Durchschnittsniveau mancher international renommierter Quartette vor 25 Jahren.“

Zu den herausragenden Erscheinungen der ersten Runden gehörten etwa das ungarische Kelemen-Quartett, das einen mitreißend spritzigen Haydn aus den Saiten zauberte, und das deutsche Schumann-Quartett, dessen warme, innige und erstaunlich reife Darbietung von Brahms’ op. 51,1 als ein Höhepunkt des gesamten Wettbewerbs in Erinnerung bleiben wird.

Insgesamt waren 19 Ensembles mit Mitgliedern aus 15 Nationen am Start, die ein Durchschnittsalter von 32 Jahren nicht überschreiten durften. Viele von ihnen sind bereits Preisträger anderer Wettbewerbe – und diese Erfahrung zahlte sich auch aus. Denn in der trockenen Akustik des neoklassischen, mit Plüschsitzen bestuhlten Teatro Valli mussten die Gruppen ein anspruchsvolles Programm bewältigen. Die Repertoireliste reichte von Haydn über Mozart, Beethoven, Ravel und Bartók bis zu einem Auftragswerk von Giya Kancheli als Pflichtstück der dritten Runde, in der die sechs Bestplatzierten dann ein volles Konzertprogramm absolvierten.

Der Wettbewerb wird in Reggio Emilia von Open-Air-Auftritten der Teilnehmer und vieler Kinder- und Jugendensembles der Region gerahmt. Der künstlerische Leiter, Mario Brunello, sieht das Streichquartett dann auch nicht „nur“ als Musik, sondern ausdrücklich als Modell einer idealen Demokratie. Es braucht nicht viel Fantasie, um darin einen subtilen Protest gegen den kulturfeindlichen Geist der italienischen Regierung zu lesen. Umso bedauerlicher, dass die achtköpfige Jury – darunter einige frühere Gewinner des Premio Borciani – sich nicht dazu durchringen konnte, beim künstlerisch hochwertigen Kopf-an-Kopf-Rennen einen Sieger zu küren.

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