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Strenge des Denkens

Untertitel
Frank Michael Beyer zum achzigsten Geburtstag
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An ihren Werken sollt ihr sie erkennen: Der biblische Satz gilt für Komponisten weit mehr noch als für die Allgemeinheit, an die er gerichtet war. Mit ihren Werken greifen die Kreativen in ihre Gegenwart ein. In ihnen überschreiten sie zugleich die Grenzen der Zeit; sie wenden sich mit dem, was sie schreiben, an ihre Mitmenschen, an ihre Zeitgenossen, aber auch – vorausweisend – an Generationen, die sie nicht kennen und von denen sie nichts wissen. So wird im musikalischen Werk die Zeit zur Hoffnung und die Hoffnung zur erfüllten Zeit.

Und zur Geschichte. Diese gewinnt Sinn durch den Horizont der Zukunft und Substanz durch die Vergangenheit, auf der sie ruht. In Frank Michael Beyers Kompositionen sind beide Dimensionen der Geschichte gegenwärtig; darin liegt ein Teil ihres spezifischen Zeitbewusstseins. Im weiten Universum der Musikhistorie gewannen für den Sohn eines Schriftstellers zwei Komponisten als „Fixsterne“ besondere Bedeutung: Johann Sebastian Bach und Anton Webern. Die Musik Bachs kannte er von Kindheit an; sein Vater veröffentlichte in den 20er-Jahren im Berliner Furche-Verlag ein Buch über den Mann, den er mit Max Reger für das A und das O der abendländischen Musikgeschichte hielt. Bach blieb für Frank Michael Beyer Gegenstand immer frischer Neugierde und immer neuer Entdeckungen. Mit der Musik Anton Weberns wurde er während seiner Studienzeit in den frühen 50er-Jahren bekannt. Er fand bei beiden nicht nur Strenge des Denkens, sondern die Befreiung, die eine vollkommene Beherrschung kompositorischer Methoden für die musikalische Vor- und Darstellung bedeutet. Immer wieder setzte er sie zueinander in Konstellation und verlängerte dabei den Spannungsbogen, der sie verbindet, in zwei Richtungen: hin zu dem, was Bach bereits zur Voraussetzung hat, und hin zu dem, was aus Webern folgen könnte. In die feine Polyphonie, die Schichtungen und Gruppierungen des 2003 uraufgeführten Chorwerks „Et resurrexit“ ist auch die Betrachtung der alten vielstimmigen Werke eines Josquin Desprez oder eines Thomas Tallis mit eingegangen; die Erfahrung, wie aus einem immer engeren Geflecht der Stimmen im Verlauf der Zeit gleichsam ein atmender, intensiv bewegter Klang wird. Dieser Zeitbogen zieht sich, mehr oder weniger offenkundig, mehr oder weniger bestimmend, durch das gesamte Schaffen von Frank Michael Beyer. Er wirkt in der „Fuga fiammata“ für Orchester, generiert aus der Tonfolge, die „Bach im Schlusssatz seiner e-Moll-Partita thematisiert hat“. Sie ist, wie Webern’sche Reihen, aus einer Zelle von drei Tönen entwickelt und lenkt das musikalische Geschehen geheimnisvoll aus dem Hintergrund, tritt nur an markanten Positionen deutlich hervor. Dieses Denken in Tongruppen und Tonskalen ist charakteristisch für die jüngeren Werke Frank Michael Beyers. Es verbindet ihn mit den Grundgedanken heutigen Schaffens jenseits von Serialität, elektronischer Musik und postmodernen Re-Kreationen.

Frank Michael Beyers Wirken beschränkt sich nicht auf das Komponieren allein. Für den „homo culturalis“ gehört die Vermittlung von Erkenntnis und Erfahrung mit zur Arbeit. Er gab sein Wissen und Können als Lehrer für Komposition an der Hochschule (heute: Universität) der Künste an seine Studierenden weiter, er gründete dort das Institut für Neue Musik, initiierte die Reihe „musica nova sacra“, mit der die Kluft zwischen avancierter Musik und gebrauchs­ästhetisch orientierter Kirchenmusik überwunden wird, er verantwortete die Berliner Bachtage und war für die Berufskollegen im Aufsichtsrat der GEMA tätig. 1986 bis 2003 leitete er die Musiksektion der Akademie der Künste Berlin, der er seit 1979 angehört, seit 1981 ist er außerdem Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Fragen von Leben, Endlichkeit und Ewigkeit, von Liebe, Tod und Vollendung sah Frank Michael Beyer nie an eine Altersstufe gebunden. Seine neuesten Werke zeichnen sich, gegen das verbreitete Vorurteil, durch einen luziden, feinnervigen, bisweilen leuchtenden Klang aus.
Am 8. März 2008 feiert Frank Michael Beyer seinen 80. Geburtstag.

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