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Lucija Ercegovac, Alt. Foto: Holger Schneider

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Stuttgarter Bachwoche wird zum großen Bachfest: Hochkarätiges Akademiekonzert in Winnenden

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Im Zentrum der dieses Jahr erstmals zum Internationalen Bachfest erweiterten Bachwoche Stuttgart steht vom 9. bis 23. März weiterhin die Erarbeitung von Werken Johann Sebastian Bachs und seines Umfelds durch das JSB Ensemble (Junges Stuttgarter Bach Ensemble). Aus 23 Ländern kamen dieses Jahr die Sänger:innen und Instrumentalist:innen, welche neben einem Konzert unter Jos van Veldhoven und einer Liedmatinée auch den Festival-Schwerpunkt „Bach und Lateinamerika“ gestalteten. Das Konzert des JSB Ensemble unter Akademieleiter Hans-Christoph Rademann und Kathy Saltzman Romey vom Montagabend in der Schlosskirche Winnenden wird am 18. März im Konzertsaal der HMDK Stuttgart wiederholt. 

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Der Konzerttitel „Bach und Kärcher“ bestätigt, wie wichtig der Internationalen Bachakademie die Sponsorenhilfe des Herstellers elektronischer Reinigungsgeräte für das Festival und ganzjährigen Spielbetrieb ist. Das Auswärtsspiel der Internationalen Bachakademie Stuttgart in der Peripherie hat auch aus räumlichen und atmosphärischen Gründen vollauf Berechtigung. Die Akustik der Schlosskirche Winnenden wird von den Dozierenden Yeree Suh, Marie Henriette Reinhold, Alex Potter, Patrick Grahl und Peter Harvey der Bachakademie-Meisterkurse Gesang gelobt. Zudem bietet der hohe Sakralraum des Deutschritterordens aus dem 14. Jahrhundert mit dem holzgeschnitzten, unbemalten Hochaltar und dem hölzernen Geländer um die Empore einen authentischen Rahmen für Barockmusik. Ohne zu viel Hall ermöglicht der Raum mit der großen Vor- und Hauptaltarfläche ideale Klangproportionen. Der Publikumszustrom ist groß, der mit Jubelwellen befeuerte Applaus auch und erst recht die Flexibilität der Mitwirkenden. Kurzfristig hatte man die doppelchörige Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ BWV 225 unter dem Dirigat von Kathy Saltzman Romey, bereits eine Mitstreiterin des Bachakademie-Gründers Helmuth Rilling, den beiden längeren Festkompositionen Bachs vorangestellt. 

Alle drei Stücke sind eigentlich keine Werke für die Fastenzeit. Die über den Umfang einer langen Kirchenkantate nicht hinausweisenden, aufgrund ihrer biblischen Sujets Oster- und Himmelfahrtsoratorium genannten Kompositionen BWV 249,4 und BWV 11 (beide Leipzig 1738) zeigen über weite Stecken einen Jubelgestus wie die berühmten Nummern aus dem Weihnachtsoratorium. Für den Eifer, die Freude und den Totaleinsatz der jungen Stimmen sind sie die ideale Herausforderung. Hans-Christoph Rademann koordiniert mit leichten, runden Bewegungen. Das Instrumentalensemble zeigt ausbalancierten Glanz und die Fähigkeit, untereinander zuhörend und mitdenkend zu kommunizieren. 

In den Werken sind hier die Solopartien nicht durchgängig besetzt, sondern wechseln zwischen den Nummern. Die Idee eines Projektensembles in wechselnden Zuordnungen auf die Solopartien dürfte den Umständen zu Entstehungszeit in der Zeit Bachs als Thomaskantor recht nahe kommen. Auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in der Kirchenmusik zwischen den Terminen häufige Besetzungswechsel. Chor und Solisten des JSB Ensemble bewältigen beim Festival im Kantatenkonzert sowie einer Liedmatinée mit etwas Schumann und einem Löwenanteil von Liedern spanischer und lateinamerikanischer Komponisten am vergangenen Wochenende und dem noch folgenden Finalkonzert „Ein Fest mit Händel“ am 23. März mit der Gaechinger Cantorey ein intensives Programm. Beglückend impulsiv wirkt das Flair unverbrauchter Stimmenvielfalt des Chors, dessen glättende Einebnung hier zum Glück niemand beabsichtigt. Diese in den Routinen des Konzertlebens seltene, ganz direkte Emotionalität springt über. 

Von den Altstimmen verfügen weder Lucija Ercegovac noch Clara Bergert und Anna-Maria Tietze ein sattes dunkles Timbre, bestechen dafür mit sehr kultivierten Mezzofarben und feinen Linien. Eine apart eigenwillige Gestaltung zeigt der einzige mitwirkende Altus Matthew Muggeridge. Die Sopranistin Linda Bennett setzt klare und sicher gefasste Konturen, während Celina Ohlhof und Sarah Kuppinger mehr emotionale Dichte als homogene Phrasierung zeigen. Bei den Männern Josep Rovira und Brody Krogman befinden sich hier der Bassist Jan-Henrik Witkowski durch bemerkenswert gute Akzentuierung und der brasilianische Tenor Jabez Lima im Vorsprung. Letzterer verspricht durch Intensität und schönes Material einen bemerkenswerten Einstieg ins italienische Kernrepertoire, wenn er noch etwas mehr Tiefe entwickelt. Dass der Entwicklungsstand der Besetzungen bei einer Akademie unterschiedlich ist, versteht sich. Insgesamt sind instrumentales und vokales Niveau erstaunlich hoch. Vor allem lohnte sich der Besuch des Konzerts für den Einsatz von Stimmen, welche für Kirchenkantaten Bachs seltene Vitalität und echte Freude zeigten. Die Schlosskirche Winnenden ist zudem für von auswärts Anreisende eine echte Entdeckung. 

  • SWR Kultur überträgt am 10. Juni im Mittagskonzert ab 13.05 Uhr das Abschlusskonzert JSB Ensemble & Gaechinger Cantorey „Ein Fest für Händel“ vom 23. März

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