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Shin Yeo, Wolfgang Schwaninger, Jihyun Cecilia Lee. Foto: Jan-Pieter Fuhr/Staatstheater Augsburg

Shin Yeo, Wolfgang Schwaninger, Jihyun Cecilia Lee. Foto: Jan-Pieter Fuhr/Staatstheater Augsburg

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Sublimierter Ärger

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Moritz Eggerts Oper „Die letzte Verschwörung“ in Augsburg · Von Robert Braunmüller
Vorspann / Teaser

Leser seines „Bad Blog of Musick“ wissen, dass sich der Komponist Moritz Eggert während der Pandemie öfter mit Schwurblern und Verschwörungstheoretikern angelegt hat. Und weil es die vornehmste Pflicht eines Künstlers ist, seinen Ärger ästhetisch zu sublimieren, hat er daraus eine Oper gemacht, die 2023 an der Wiener Volksoper uraufgeführt wurde und nun als Deutsche Erstaufführung am Staatstheater Augsburg zu sehen ist.

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„Die letzte Verschwörung“ handelt von einem mit seinem Leben leicht unzufrieden Mittfünfziger, der als TV-Moderator arbeitet. Einer seiner Gäste ist Schwurbel-Dieter, der die Kugelgestalt der Erde bestreitet. Obwohl es zum Eklat kommt, fühlt sich der Moderator von dieser Verschwörungstheorie angezogen, auch weil ihn Dieters Partnerin erotisch interessiert. Er wirft seinen Job hin, verlegt seine Aktivitäten ins Internet und gerät immer tiefer in den Strudel immer absurderer Verschwörungstheorien hinein.

Eggert hat in seinem selbst verfassten Text nichts ausgelassen: Ufos, Illuminaten, Mobilfunk, von den Eliten verzehrtes Kinderfleisch, den untoten Elvis. Ein sehr geschickt eingesetzter Erzähler rafft unter dem Namen „Das System“ (Julius Kuhn) die Handlung. Bei dem klassischen Fehler, dass etwas berichtet wird, was dann doch nicht gezeigt wird, lässt sich Eggert allerdings nicht erwischen.

„Das System“ spielt auf weitere bekannte Verschwörungstheorien an, macht den unvermeidlichen Witz über Grüne („unbeliebt wie grüne Bananen“) und lädt das Publikum ein – wir befinden uns schließlich in einem baye­rischen Staatstheater – einen Kalauer über Markus Söder zu ergänzen.

Erzählt wird in einem bei zeitgenössischer Oper ungewöhnlichem, fernsehtauglichem Tempo. Die Inszenierung des Augsburger Intendanten André Bücker arbeitet viel mit bewegter Computergrafik, was hier ebenso gut passt wie die Verlegung einzelner Szenen auf eine Spielfläche vor dem Orchester (Bühne: Wolf Gutjahr, Video: Robi Voigt). Bücker hat noch Anspielungen auf den Film „Matrix“ hinzugefügt, macht bei allem Willen zur unterhaltsamen Buntheit aber nicht den Fehler, die Figuren vollends als Karikaturen zu verzerren. Auch die Darsteller überdrehen die Geschichte nicht ins Lächerliche. Der heldische Charaktertenor Wolfgang Schwaninger verkörpert glaubhaft einen Mann in der Midlife-Crisis, der seine Biografie noch mit etwas Abenteuer nachpfeffern möchte und auf Abwege gerät. Shin Yeo (Schwurbel-Dieter), Jihyun Cecilia Lee (Lara), Wiard Witholt (Alois Dunkler/Der Kanzler) und alle übrigen Darsteller bilden ein gut eingespieltes Ensemble. 

Bei der Wiener Uraufführung firmierte „Die letzte Verschwörung“ noch als Operette, in Augsburg dagegen als Oper, was der durchkomponierten Form eines Musikdramas eher entspricht. Die Augsburger Philharmoniker unter ihrem engagierten Generalmusikdirektor Domonkos Héja wagen Klangschönheit und Wucht, ohne die Sänger zuzudecken. Auch ohne Obertitel versteht man fast jedes gesungene Wort, was bei alten wie neuen Opern selten ist.

In der Pause bemerkte eine Besucherin, Eggerts eingängige Komposition erinnere sie an Filmmusik. Der erfahrene Opernbesucher, der womöglich im Sommer in Salzburg womöglich Sergej Prokofjews „Der Spieler“  gehört hat, fühlt sich an dessen symphonische Grundierung gesungener Dialoge erinnert, wobei Eggert öfter Duette und Chöre zulässt.

Das ist alles sehr professionell gemacht. Aber bisweilen fühlt man mit den Erfindern der Oper, die um 1600 gesungenen Gespräche nur mythischen Halbgöttern, Heiligen oder antiken Helden zutrauten. Und das mit einigem Recht: Wenn ein großes Orchester mit zwei Harfen die eheliche Alltagskonversation eines TV-Moderators beim Abendessen  oder ein Gespräch über Quoten begleitet, wirkt das unangemessen und seltsam. 

Eggert ist aber klug genug, das selbst zu merken und in solchen Momenten seine Musik ironisch glitzern zu lassen. Wer das mitdenkt und seinen Spaß an Verschwörungstheorien hat, wird den Ausflug zum Interim des Staatstheaters Augsburg im Martini-Park gewiss nicht bereuen.

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