William Shakespeares Komödie „Viel Lärm um nichts“ hat nicht nur zahlreiche Aufführungen provoziert, sondern auch Verfilmungen. Und es gibt auch eine Oper: „Béatrice et Bénédict“ von dem chronisch kranken und gesellschaftlich isolierten Hector Berlioz, von dem man alles andere erwartet hätte, aber nicht die Vertonung einer solchen Komödie. Aber es war ein Kompositionsauftrag, Berlioz griff für sein letztes Werk auf einen Stoff zurück, der ihn schon in seiner Jugend begeistert hat. Der Uraufführung 1862 folgten viele erfolgreiche Aufführungen. Und jetzt machte die österreichische Schauspielerin und Regisseurin Susanne Lietzow aus dem Stück eine hochaktuelle Parabel über die Liebe. Dazu schrieb Nina Metzger für diese „opera comique“ – also eine Gattung zwischen Sprache und Musik – ein neues Libretto, das ans Eingemachte der tradierten Vorstellungen über die Liebe geht.

Ulrike Mayer und Oliver Sewell (vorn), Mirjam Rast und Christian Freund. Foto: © Jörg Landsberg
Susanne Lietzow inszeniert Hector Berlioz’ Spätwerk „Béatrice et Bénédict“ am Theater Bremen
Zur Ouvertüre echte, auch erschütternde Videos über siegreiche Heimkehrer aus dem Krieg. Zu ihnen gehören Claudio und Bénédict: Claudio soll noch am selben Abend die Gouverneurstochter Hero heiraten: eine standesgemäße Ehe der upper class. Und Bénédict ergeht sich mit satirischen Tiraden über die Ehe ebenso wie Béatrice. Damit schickt uns die Regisseurin auf eine mit Slapsticks, Komik, und Melancholie gespickte Reise über die Liebe, die es in sich hat: Die beiden Systemsprenger doppelt sie mit Schauspielern. Béatrice und Bènédict werden sozusagen ineinander verliebt gemacht: so sieht es die Intrige der gut platzierten Gerüchte vor. Das hat eine hinreißende Komik, wenn die beiden Bénédicts sich unter großen Philodendronblättern anschleichen, um besser zu hören, wie sehr Béatrice sich nach ihm sehnt. Dazu wandern Flamingos über die Szene: ein mythologisches Tier der Liebe, Verwandlung und Neugeburt. Manchmal übertönt die Lust an der Doppeldeutigkeit des Textes und des Verhaltens die sensible Qualität der Musik, aber das ist eben auch die gattungsspezifisch.

Elisa Birkenheier, Chor. Foto: © Jörg Landsberg
Überragende gesangliche Leistungen von Elisa Birkenheier als Hero und Arvid Fagefjäll als Claudio, Oliver Sewell als Bénédict mit leuchtenden Höhen und ganz an der Spitze Ulrike Mayer als Béatrice: enorm, wie sie sich mit Spiel und Stimme durch ihre innere Entwicklung regelrecht tobt. Die dazugehörigen SchauspielerInnen sind Christian Freund und Mirjam Rast. Das Bühnenbild von Aurel Lenfert ist eine künstliche, wenn nicht kitschige Naturlandschaft, die ihrerseits ironisch wirkt.
Einen trampeligen Kapellmeister, der den Hochzeitschor einstudieren soll, hat Berlioz eingefügt: Eine hinreißende Szene mit dem Dirigenten Stefan Klingele, der ansonsten mit den Bremer Philharmonikern für Schwung, Farbe und Atmosphäre sorgt. Während es bei Berlioz am Ende zur Ehe zwischen Hero und Claudio und zur Liebe zwischen Béatrice und Bénédict kommt, führen Nina Metzger und Susanne Lietzow die Bremer Aufführung zu einer ganz anderen Radikalität: Hero sagt einfach „Nein!“ und die beiden B’s haben sich verliebt, heiraten aber nicht, sondern, in dem sie in den Pool springen, begeben sich alle vier auf eine Reise, die Beziehung und Liebe neu erforscht. Das aber sieht man nicht mehr, doch nach so viel Spaß geht man auch nachdenklich nach Hause. Eine bejubelte Premiere einen Tag nach der ergreifenden Trauerfeier für den im Januar verstorbenen Intendanten Michael Börgerding, dem das Ensemble diese Aufführung demonstrativ widmete.
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