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Wozzeck| Gurlitt: David Pichlmaier (Wozzeck), Anja Vincken (Marie) Foto: Barbara Aumüller
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Szenen und Lichterspiele – Ein Wozzeck-Doppel in Darmstadt

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Als am 8. November 1913 Georg Büchners fragmentarisches Drama Woyzeck nach knapp 80 Jahren im Münchner Residenztheater endlich zur Uraufführung gelangte, da war fast schon abzusehen, wie sehr es fortan Dramatiker, aber auch Komponisten zur schöpferischen Auseinandersetzung anregen sollte. So glückte Alban Berg mit seinem Wozzeck der Durchbruch, während die nur wenig später auf die Bühne gebrachte gleichnamige Oper von Manfred Gurlitt es nicht ins Repertoire schaffte. Die Staatsoper Darmstadt setzte nun beide Partituren auf den Spielplan – ein langer Abend mit großen Momenten für Auge und Ohr.

Nicht nur für den am Ende der Saison scheidenden Intendanten John Dew war es eine erneute Wiederbegegnung mit Büchners Drama, das von ihm erstmals in der Saison 1984/85 an den Bühnen der Landeshauptstadt Kiel inszeniert wurde. Faszinierten damals – nicht nur ihn – die Möglichkeiten der Drehbühne, die in der vorletzten Szene eine unglaubliche Sogwirkung erzeugte, so ist es nun das Licht und die gesamte Bühnentechnik, die zur intensiven Darstellung der einzelnen Bilder eingesetzt wird, mit teilweise ingeniösen, teilweise harschen, bisweilen aber auch erschütternden Übergängen.

Diese Berg-Inszenierung wirkt geradezu minimalistisch, ist auf nur wenige Requisiten beschränkt und nutzt die gesamte Bühne als imaginären Raum von Licht und Schatten – oder auch eines Oben und Unten, wenn die ganze zur Verfügung stehende Maschinerie sprichwörtlich in Bewegung gesetzt wird. Hier fokussiert Dew den Blick ganz auf die psychologischen Abgründe der Protagonisten, während anderes, auch musikalisch Substanzielles zurücktreten muss: In beiden Wirtshausszenen bleibt die Musik funktional und damit ganz im Hintergrund, während an der Rampe die Leiche der Marie blutrot glüht.

Dew hat mit dieser Inszenierung zwar der Technik eine schweres Stück Arbeit und Präzision abverlangt, gibt aber seinem Ensemble eine freie Bühne, die gleichermaßen zu weiträumigen Bewegungen wie zur Konzentration auf die einzelne Geste einlädt. Dass bei einem solchen Konzept die wenigen (allerdings auch notwendig erscheinenden) naturalistischen Szenen wie überholt wirken, ist der Regie nicht anzulasten – eher wirken sie wie szenische Haltepunkte, von denen alles seinen Lauf nimmt. Die vergleichsweise kleine Darmstädter Bühne wie auch das nur schwerlich aus dem Graben hervortönenden Orchester machten es dem ohnehin engagiert agierenden Sänger-Ensemble leicht, sich stimmlich wie textlich zu behaupten und damit eine in jeder Hinsicht authentische Inszenierung zu realisieren.

Die schwierigere Aufgabe lag freilich im ersten Teil des Abends. Denn obwohl dem während der bewegten 1920er Jahre in Bremen als Kapellmeister wirkenden Manfred Gurlitt (1890–1972) reichlich Bühnenerfahrung attestiert werden muss, zeigt seine Wozzeck-Vertonung (1926) die stilistische Zerrissenheit dieser Zeit nachgerade exemplarisch: So kann bei ihm neben einem wunderbar neusachlichen Scherzo auch eine verhalten schmachtende spätromantische Kantilene stehen; über derlei Brüche kann auch die auf ein Kammerensemble reduzierte Besetzung des Orchesters nicht hinweghelfen. Zudem verzichtete Gurlitt auf verbindende Zwischenspiele des Orchesters, komponierte mithin nicht durch, sondern bezog sich mit seinen rasch wechselnden Szenen weitaus stärker auf das dramatische Original als etwa Berg. Dew schuf dafür, offenbar von den Zwängen der Partitur geleitet, einen abgeteilten, abstrakt gestalteten Bühnenraum mit gleich mehreren Ein- und Ausgängen.

Beachtlich, dass das Darmstädter Wozzeck-Doppel mit hauseigenen Kräften über die Runden kam (bei der Gurlitt-Vertonung freilich mit spürbaren Grenzerfahrungen) und das Orchester unter der Leitung von Martin Lukas Meister den bestehenden Ärger über aktuelle Tarifauseinandersetzungen im Foyer zurückließ. Ein Büchner-Abend, wie er instruktiver kaum sein kann.

Weitere Aufführungen: 24. November 2013, 1. und 20. Dezember 2013 sowie 18. Januar 2014 (ohne Gewähr)

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