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Ensemble | | Opernchor | Statisterie. Foto: Olaf Struck.
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Theater Kiel: Così fan tutte – wie geht’s diesmal aus, das Treueexperiment?

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Così fan tutte! Davvero? Sind wirklich alle Frauen nicht zur Treue fähig, wie es in so vielen Tragödien oder auch Komödien als frivoles Motiv benutzt wird? Auch Wolfgang Amadeus Mozart und sein kongenialer Librettist Lorenzo Da Ponte behaupteten das, beide jedoch mit gehörigem Augenzwinkern.

Der eine dazu mit dem feinen Gespür, passende Worte in Sätze zu zwängen, der andere mit der Gabe, Tonfolgen und Instrumente, Rhythmen und Harmonien zu finden, die mehr als nur die äußere Handlung illustrieren. Wohl deshalb ist das, was ihre Gemeinschaftsarbeit erbrachte, immer noch eine der schönsten Opern. Eine Lust bei Theaterleuten, sie zu gestalten, wie es eine Lust ist, sie zu hören. Beides ereignete sich gerade in Kiel (Premiere: 17. September 2022).

Ein neues Zeitalter

Weshalb ist die Treuethematik so beliebt? Die These, dass nur Frauen nicht bindungsfähig sind, ist so leicht ad absurdum zu führen, denn es bedarf doch immer der Männer als „Partner“ und geht damit beide Geschlechter an. Aber in der Blickrichtung nur auf die Frauen scheint es mehr Spaß zu machen. Vielleicht hat die „Così fan tutte“ in den letzten Jahrzehnten auch deshalb an Gunst gewonnen, weil inzwischen die Uhren anders ticken? Aber Freuds Urteil über die Oper kennt man nicht und Beethoven lehnte das Thema noch ebenso ab wie Richard Wagner, der doch mit Lohengrins „Nie sollst du mich befragen“ eine noch größere Zumutung war.

Dass in der allerletzten Zeit die „Così“ zusätzlich an Beleibtheit gewann und die Aufführungshäufigkeit beförderte, mag an der geringen Zahl von Mitwirkenden liegen, mit nur sechs an der Zahl wie geschaffen für Corona-Restriktionen. Dazu ist sie recht paritätisch zu besetzen, befriedigt damit einen anderen Aspekt unseres sozialen Lebens. Zwei Liebespaare hat sie, deren Treuschwüre von geringer Haltbarkeit sind, und das wird wieder von je einer Frau und einem Mann geprüft. Wenn dann noch, wie jetzt in Kiel, das Experiment im Ansatz überzeugt, erlebt man einen wirklich großen Abend. Hier kommen nämlich nicht nur die Frauen in ein leicht schiefes Licht, auch den Männern wäre so, wie sie sich geben, nicht zu trauen. So ist es auch in Mozarts Musik zu hören.

Mozarts musikalische Untermalung des als Wette getarnten Testverlaufs erstaunt immer wieder. Wie schafft er es nur, ins Innere derer zu blicken, die an dem Täuschungsexperiment teilhaben, aktiv die einen, passiv die anderen? In ihrer Regie befolgt Luise Kautz das penibel. Passgenau zur Musik lässt sie alle agieren und reagieren. Das ist gleich zu Anfang da, wenn Don Alfonso, diesmal kein vom Leben enttäuschter Alter, mit dem Fahrrad seine Kanzlei betritt und es an die Wand hängt. Wie er, der Frauenverächter, dann später bei Despina abblitzt, ist köstlich. Sie muss ja leider eine halbe Stunde auf ihren ersten Einsatz warten und wird dann als „Praktikantin“ eingeführt, was einen anderen Aspekt hereinbringt, den der #MeToo-Bewegten – eine köstlich ausgespielte Situation. So blutjung wie sie wirkt, glaubt man ihr dennoch. Sie ist keineswegs altklug, bewahrt trotz ihrer zielsicheren und altersweisen Ratschläge dabei ihre jugendliche Naivität.

Stimmige Gestaltung

Zusammen mit Valentin Mattka hat Luise Kautz ein Bühnenbild geschaffen, das ihrer Deutung sehr bildhaft nachkommt. Im ersten und im Schlussbild ist es aufklärerisch taghell. Eine Wand auf der Bühnenhälfte hat drei Elemente, einen Kühlschrank in der Mitte, der kräftig mitspielt, ebenso wie zwei schmale Bücherwandelemente links und rechts. Er ist so hoch und unerklimmbar, dass die Bücher oben sicher nur Dekoration sind. In den größeren Fächern darunter ist links ein SUP-Board abgestellt und rechts ein gläsernes Dekorationsstück, ein Schwert. Auch diese beiden Stücke sind integriert, verweisen einerseits auf Wasser, andererseits auf Historisches, das mit dem Militär sich unweigerlich einstellt. Das Wasser spielt immer wieder eine Rolle, wenn im Verlaufe des Geschehens die Bühne in einzelne Elemente aufgeteilt wird, die umhergefahren werden und Gruppen von Gestalten mit Amphibienköpfen erkennen lassen. Ständig ergeben sich neue Perspektiven, die auch das misstrauische Bespitzeln der Paare untereinander ermöglichen. Vor allem Fiordiligi hat wohl frühzeitig Lunte gerochen.

Ein anderer Einfall der Regie ist ebenso sinnfällig wie dienlich, hilft, der Realitätsferne der gesamten Handlung entgegenzuwirken. Es ist einmal der, alles Militärische herauszunehmen. Ist das möglich bei Da Pontos Text, der das Verschwinden der Liebhaber mit deren Stellungsbefehl motiviert? Ja, denn die nötigen Chöre werden teilweise aus dem Off gesungen oder in vernebelter Szenerie, die einem Rauchkabinett oder einem schummrigen Aquarium ähnelt. Ein toller Einfall dazu ist, dass die Besucher Fisch- oder Reptilienköpfe tragen, ihre Reaktionen also tierisch und triebgetrieben sind. Luise Kautz scheint die Prüfung, die die Wette verlangt, als ein wie auch immer erzeugtes Rauschgebaren zu deuten, denn getrunken wird viel, auch geraucht. Despina bläst Don Alfonso, als er ihr allzu nahezukommen versucht, einfach mal Qualm ins Gesicht. Erst am Schluss, wenn alle wieder nüchtern sind, wird es auch in den Köpfen wieder klar und die Paare erkennen, wie und durch wen sie genasführt wurden. Toll auch der Schluss, der Dorabella versöhnlich zeigt, während Fiordiligi enttäuscht von der Bühne verschwindet.  

Mitwirkende

Alle Feinheiten einer Regie lassen sich nur verwirklichen, wenn in einer Oper die Mitwirkenden nicht nur singen, sondern auch agieren können. Die hier, alle aus dem Ensemble, leisten bei beidem, im Singen und im Darstellen, Großartiges. Darunter sind Vigdis Bergitte Unsgård als Fiordiligi wie Dorabella Tatia Jibladze als ihre Schwester. Sie harmonieren stimmlich sehr fein, die jüngere mit einer weichen und warmen Stimme, die ältere mit einem leicht dunklen Mezzosopran. Xenia Cumentos, eine amerikanische Koloratursopranistin, ist neu im Ensemble. Ihre Despina war eine Freude anzusehen und anzuhören, der man allenfalls noch ein wenig mehr Durchschlagskraft mit ihrer ausdrucksvollen Stimme wünscht. Den Ferrando sang César Cortés mit einem sehr agilen und feinen Tenor und den Guglielmo Samuel Chan. Er hat einen eher voluminösen Bariton, wurde an manchen Stellen durch das hohe Tempo in Schwierigkeiten gebracht. Kammersänger Jörg Sabrowski schließlich als Don Alfonso hatte die gesicherte Routine für seine Rolle als wendiger und lebendiger Ränkeschmied. Grundlage des Erfolgs waren das spielfreudige Orchester und der  Chor des Theaters unter Benjamin Reiners Leitung. Das Tempo war hoch, vor allem in der Ouvertüre, gab aber den Gesangspartien ständig ein differenziertes und sicheres, auch klangschönes Fundament.  

Langer Beifall war Dank für einen überaus vergnüglichen, dazu spritzigen und rasanten Opernabend. So viel Heiterkeit und Beifallfreude hat der Rezensent selten erlebt.

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