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Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ an der Staatsoper Berlin. Vorne: Eva-Maria Westbroek (Katja). Foto: Bernd Uhlig
Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ an der Staatsoper Berlin. Vorne: Eva-Maria Westbroek (Katja). Foto: Bernd Uhlig
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Tod einer Liebenden in der Badewanne – Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ an der Staatsoper Berlin

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Janáčeks außereheliche Liebe zu der 37 Jahre jüngeren Kaufmannsfrau Kamila Stösslová verdanken wir seine wohl leuchtendste Opernmusik. Die dramatische Vorlage fand er im Drama „Gewitter“ von Alexandr Nikolajewitsch Ostrowski, welches sich der Komponist selbst zu einem kurzen Dreiakter in sechs Bildern mit (1927 nachkomponierten) verbindenden Zwischenspielen verdichtete. Katja Kabanowa, eingezwängt in die Enge einer Kleinstadt, folgt ihrer Leidenschaft und beginnt während der Geschäftsreise ihres Kaufmannsgatten sofort eine leidenschaftliche Affäre mit dem jungen Boris. Von der Gesellschaft verspottet, von ihrem heimkehrenden Gatten geprügelt, beendet die junge Frau ihr Leben in den Fluten der Wolga.

Andrea Breth hat diese 1921 in Brünn uraufgeführte Oper vor vier Jahren in Brüssel in Szene gesetzt und nun, in neuer Besetzung, an der Staatsoper im Schiller-Theater neu herausgebracht.

Im Einheitsbühnenraum von Annette Murschetz rückt die Regisseurin das Spiel näher an unsere Zeit (Kostüme: Silke Willrett und Marc Weeger), vermischt behutsam Rückblenden auf das junge, lebenslustige Mädchen Katja mit surrealen Bildern. So sitzt Katja zunächst im geöffneten Kühlschrank und schneidet sich am Ende die Pulsadern auf, verblutet in einer Wanne, in der sie bereits ihre große Arie im zweiten Bild des ersten Aktes gesungen hatte. Ihre erklärte Gegenspielerin ist die Schwiegermutter Kabanicha; die hat ihren Sohn Tichon heftig unter der Fuchtel und schiebt sich bewusst in die eheliche Beziehung. Bei Breth wäscht sie ihrem Sohn ausgiebig und inbrünstig sein Geschlecht, was im Publikum Lacher auslöst.

Die Berliner Aufführung lebt von drei überaus starken, weiblichen Sänger-Persönlichkeiten: Eva-Maria Westbroek hat sich im vergangenen Dezennium prächtig entwickelt: ihr nunmehr hochdramatischer Sopran ist stets warm, ohne alle Schärfen und Intonationstrübungen. In selten anzutreffender Einheit von stimmlichem Ausdruck und körperlicher Intensität, gestaltet sie eindringlich das Leidensbild einer von ihrer Lust getriebenen jungen Frau. Eine weitere Wagner-Heroine steht ihr mit Deborah Polaski gegenüber, die nunmehr die Altpartie der Kabanicha verkörpert. Genussvoll singt und spielt die junge Anna Lapkovskaja die Pflegetochter und erotische Anstifterin Varvara. Unter den für diese Oper erforderlichen drei Tenorpartien macht Pavel Černoch als Katjas Liebhaber seine Sache stimmlich ausgezeichnet, Stephan Rügamer liefert ein spannendes Psychogramm als ihr Ehemann und Florian Hoffmann als Kudrjasch ist imposant in seiner modernen Deutung von Blitzen als elektrischer Entladung, während Dikoj – der Bassist Pavlo Hunka – auf Gewittern als dem Ausdruck von Gottes Zorn besteht. Bis in die Nebenpartien hinein ist diese Produktion trefflich besetzt. So hat etwa Roman Trekel (der gefeierte Wozzeck der Breth-Inszenierung an der Staatsoper) den Kuligin übernommen, der hier als Pope die junge Katja an der Hand quer über die Bühne führt.

Musikalisch zeigte sich die Staatskapelle in sehr guter Verfassung. Simon Rattle am Pult lässt Leoš Janáčeks Farben in ihren sich überlagernden, semantischen Bedeutungsebenen leuchten, wischt leicht über die folkloristischen Momente der Partitur hinweg und betont die schneidenden Schärfen in der Begleitung der Partie der Kabanicha. Der von Frank Flade einstudierte Chor bevölkert als schwarz gewandete Gesellschaft die Szene und singt die personifizierten Stimmen der Wolga nicht von hinter der Bühne, sondern quasi als epischer Chor aus dem Rang des Auditoriums.

Der Applaus war ungeteilt. Aber Breths auffordernden Gesten zu Standing Ovations mochte das Publikum nicht folgen. Nach verkürzten zwei Vorhangsordnungs-Durchgängen war der pausenlose Abend vorbei.

Weitere Aufführungen: 29. Januar, 1., 6., 9., 16. Februar 2014.

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