Drei Operneinakter an einem Abend: Giacomo Puccinis „Il Trittico“ ist eine szenisch-musikalische Herausforderung der besonderen Art. Ihr stellte sich (nach einer deutschsprachigen Produktion 1959) die Bayerische Staatsoper nun zum zweiten Mal. Juan Martin Koch berichtet von einem umjubelten Premierenabend.
Der Tod als verbindendes Element dreier Einakter – Lotte de Beer hat dafür bei ihrem Regiedebüt an der Bayerischen Staatsoper ein prägnantes Bild gefunden: Der von Bernhard Hammer entworfene, trichterförmige Zeittunnel (eine Anspielung auf Götz Friedrichs legendäre Ring-Inszenierung?) ist als Einheitsbühnenbild für den ganzen Abend in einem Element (leider knarzend) drehbar. Das ermöglicht am Ende des ersten Teils von Puccinis Operntryptichon einen spektakulären Effekt, der dann später wiederkehren wird: Die Leiche des vom eifersüchtigen Michele ermordeten Nebenbuhlers Luigi baumelt da allmählich herab – als grausige Botschaft an seine Frau Giorgetta. Dass deren Beziehung durch den Tod des kleinen Sohnes beschädigt wurde, zeigt die Regisseurin in einem Prolog mit Trauergesellschaft und Kindersarg. Die Gäste ziehen im Nebel nach hinten ab – ein Zeitsprung.
Bis auf den szenisch und sängerisch verschenkten Schlüsselmoment, in dem Michele seinem Widersacher das Liebesgeständnis mit Gewalt entlockt, gelingt Lotte de Beer mit „Il Tabarro“ eine klischeefreie, konzentrierte Milieustudie mit guten Sängerdarstellern. Durch das etwas mütterliche Timbre der ausdrucksstarken Eva-Maria Westbroek als Giorgetta ergibt sich eine interessante Spannung mit dem jugendlich-draufgängerischen, stimmlich markanten Luigi des Yonghoon Lee. Dem Michele hätten einige Zwischentöne mehr gut getan, mit Bühnenpräsenz und Volumen eines Bayreuther Wotan kann Wolfgang Koch dies aber spielend kompensieren.
Der Effekt, dem finalen Bühnenbild-Coup des „Tabarro“ den Mittelteil „Suor Angelica“ direkt anzuschließen, verpuffte am Premierenabend, weil der aufbrausende Applaus im Keim erstickte und ein unvermeidliches Handy die Stille unterbrach. Schnell war der Fokus aber wiederhergestellt, was vor allem an der Protagonistin Ermonela Jaho lag. Die albanische Sopranistin beherrschte mit ihrer Darstellung einer traumatisierten, den Klosteralltag mehr als Betäubung denn als Befriedung ihres Seelenzustands erlebenden Schwester Angelica die Szene von Beginn an. Entsprechend eindringlich gelang das Gespräch mit der von Michaela Schuster kalt, aber nuanciert charakterisierten fürstlichen Tante. Das geschmacklich problematische Finale – Angelica begeht nach der Nachricht vom Tod ihres Kindes Selbstmord und erfährt Erlösung – adelte sie mit einer beeindruckenden vokalen Bandbreite von nach innen gesungenen, fast unhörbaren Piani bis hin zu verzweifelten, immer aber stimmlich kontrollierten Ausbrüchen.
Wie die Fotos von der Klavierhauptprobe im Programmheft zeigen, hat Lotte de Beer am heiklen Schluss noch eine wichtige Änderung vorgenommen. Während es dort im sich drehenden LED-Kreuz noch eine Madonna ist, die Angelicas verstorbenen Sohn präsentiert, ist es am Premierenabend dann die Fürstin. An die Stelle religiöser Verklärung ist eine zwiespältige Nahtoderfahrung getreten.
Szenenapplaus gab es dann nach der Pause zu Beginn von „Gianni Schicchi“, und es war auch zu köstlich, wie nun gleichsam der Geist des verstorbenen Buoso Donati im verdoppelten Himmelbett von der Decke hing. Lotte de Beer verließ sich im weiteren Verlauf auf die Selbstläufer-Qualitäten des heiteren Rausschmeißers. In Kostümen wie aus dem Mittelalterfasching wurde routiniert herumgealbert, Pavol Breslik und Rosa Feola verströmten als junges Paar gesanglichen Schmelz und Ambrogio Maestri übertrieb es in der dankbaren Titelpartie glücklicherweise nicht mit der vokalen Dickwanstigkeit. Dass sich zu seiner Schlussansprache das Personal der drei Kurzopern an der Rampe noch einmal versammelte, war dann eine etwas bemühte Verklammerung des szenisch überaus soliden Abends.
Im allen drei Teilen war die Qualität des Ensembles bis in die kleinsten Nebenrollen frappierend und das Spiel des Bayerischen Staatsorchesters ein Wunder an Transparenz, klanglicher Tiefenschärfe und punktgenauer Dramatik. Wie Kirill Petrenko zu Beginn des „Schicchi“ das scheinheilige Seufzermotiv in eine Art Trauergroove verwandelte, war brillant. Für jeden der drei Einakter fand er mit seinem Orchester einen spezifischen Tonfall: einen französisch gefärbten Impressionismus mit brutalen Verismo-Hieben im „Tabarro“, einen ätherisch-schwebenden, alle Kitsch-Klippen umschiffenden Sakralklang in „Suor Angelica“ und einen präzise aufgefächerten Buffo-Tumult in „Gianni Schicchi“. Ein Fest.