Eben noch war Silvester und langer Winter, dann endlich kamen der Frühling und der Wonnemonat Mai, doch plötzlich ist ein halbes Jahr vergangen und schon wieder Sommer: Tempus fugit! Das zum Sommer sich neigende Frühjahr bringt mit seinen immer länger werdenden Tagen auch die Zeit der Festivals. Land auf und ab gibt es Musikfeste in verschiedensten Spielarten, Dimensionen, Orten und programmatischen Ausrichtungen. Den Anfang der diesjährigen Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag von Helmut Lachenmann am 27. November 2015, die erst richtig ab Herbst unter dem Titel „Lachenmann-Perspektiven“ in Köln, Luxemburg, Wiesbaden und vor allem Stuttgart ihren Höhepunkt erreichen werden, machen fernab der schwäbischen Heimat des Komponisten Aufführungen seines „Mouvement (– vor der Erstattung)“ und „ … Zwei Gefühle“, mit Lachenmann als Sprecher, beim Festival „Interacciones XXI“ im Museo Reina Sofía der spanischen Hauptstadt Madrid, und zwar flankiert von Uraufführungen neuer Werke von Ramon Lazkano und Isabel Mundry durch das Ensemble musikFabrik.
Ein Festival ganz eigener Art ist der Deutsche Evangelische Kirchentag, der dieses Jahr vom 3. bis 7. Juni in der baden-württembergischen Landeshauptstadt stattfindet und in dessen Rahmen am 4. Juni in der Stuttgarter Liederhalle Martin Smolkas „Sacred Vessel“ vom Bach-Chor Stuttgart und der Württembergischen Philharmonie Reutlingen uraufgeführt wird. Am 12. Juni erfolgt in der Alten Kirche St. Martin in Stommeln nord-westlich von Köln zur Eröffnung des Festivals „Raumklänge – Ortsbezogene Musik“ die Uraufführung der Raumklangkomposition mit Vogelstimmen, Zuspielung und vier Bläsern „I Fiffari“ von Harald Muenz. Ortsbezogen sind am selben Tag auch die Premieren von Olli Mustonens „Piano Quintett“ beim Festival „Spannungen“ im RWE-Kraftwerk Heimbach in der Eifel sowie Harrison Birtwistles Oper „The Cure“ nach einem Libretto von David Harsent beim Aldeburgh Festival an der südwest-englischen Nordseeküste. Ebenfalls am 12. Juni wird beim Mozartfest Würzburg im Kaisersaal der dortigen Residenz die Elegie für Violine und Streichorchester „Hika“ von Toshio Hosokawa durch Renaud Capuçon und die Bamberger Symphoniker unter Leitung von Lahav Shani uraufgeführt.
Im Rahmen der Romanischen Nacht, dem Abschlussabend des seit bald dreißig Jahren die romanischen Kirchen Kölns bespielenden Festivals „Romanischer Sommer Köln“, gelangt am 19. Juni in der Basilika St. Maria im Kapitol zwei Werke junger Kompositionsstudenten der Hochschule für Musik und Tanz Köln zur Uraufführung: Noriaki Moris „Ascending“ für Fagott solo und Jan Esra Kuhls „Freigelegt“ für drei Oboen, Englischhorn, drei Fagotte und Kontrafagott. Während sich Musik hier mit romanischer Architektur und Kirchenakustik zu einem Gesamtereignis verbindet, sind es andernorts andere Örtlichkeiten, Kirchen, Paläste, Museen, Turbinenhallen, Freilichtbühnen, Konzertsäle und Opernhäuser, die durch Musik und zumal Neue Musik eine Klang-Raum-Erfahrung bereiten, die sich mit Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling und Arthur Schopenhauer folgendermaßen beschreiben ließe: Architektur als gefrorene Musik, Musik als tönende Architektur.
Weitere Uraufführungen
08.06.: Wolfgang-Andreas Schultz, Christus-Bilder für Orgel, Harvestehude, und José M. Sánchez-Verdú, Butes für Orchester, Auditorio National Madrid
11.06.: Chaya Czernowin, Knights of the strange/solo für elektrische Gitarre und Akkordeon, Gare du Nord Basel
19.06.: Dieter Schnebel, Kinder/Musik – Mini-Oper für Kinder und Kammerorchester nach einem Libretto von Daniel Kehlmann, Schillertheater Berlin
20.06.: Sven-Ingo Koch, Rinde für Kontrabass und Ensemble, Volker Staub, Neues Werk für Tuba solo und Ensemble, musikFabrik im WDR Köln
23.06.: Dimitri Terzakis, Musik für einen imaginären Film für Orchester, Stadthalle Hagen