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Foto: © Olaf Malzahn
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Turbulentes Wirrstück – Arthur Honeggers „Die Abenteuer des Königs Pausole“ in Lübeck

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Die dritte Kooperation von Theater und Musikhochschule brachte in Lübeck ein Werk auf die Bühne, das 1930 einmal schockierend gewesen sein mochte, Arthur Honeggers Operette „Die Abenteuer des Königs Pausole“. Michael Wallners Inszenierung (in der eingedeutschten Fassung von Hans Zimmermann) machte eine Farce daraus, ein turbulentes Wirrstück.

Tiefsinn in ihr zu suchen, ist müßig, denn die Operette wollte damals provozieren. Heute rennt sie offene Türen ein. Sex ist das Thema, als Lust gelebt und als Frust erlebt, besonders von König Pausole. Der hat einen Harem mit 365 Königinnen, eine für jeden Tag und eine für den zusätzlichen im Schaltjahr. Täglich verheißt das neue Lust. Taxis, sein Minister, wacht streng darüber. Doch bei Pausole herrscht Frust. Er kann nicht mehr. Und merkwürdig: Nur eine Tochter, Aline heißt sie, wurde ihm beschert. Sind viele Frauen das bessere Verhütungsmittel? Und diese eine mögliche Nachfolgerin brennt durch, verlässt die väterliche Trutzburg nach einem Hofspektakel mit einem charmanten Wesen, das sie in ihrer Unaufgeklärtheit nur einfach sexuell anziehend findet. Der König muss handeln, Aline finden. Inkognito reist er aufs Land, wo sich Aline mit der Situation konfrontiert sieht, dass ihr Liebhaber eine Frau ist, die Tänzerin Mirabelle. Hilfe kommt durch den Pagen Giglio, der zugleich weitere Verwirrung stiftet. Selbst in Aline verliebt, ist er aber auch gefällig, die Liebes-Dienst-Tages-Frauen zu beglücken, ein Deus ex Machina. Mit Rat und Tat stiftet er ein Happy End, wird selbst König, bekommt Aline. So kann Pausole Ruheständler werden und fortan flatterhafte Schönheiten mit dem Kescher fangen.

Quirlig inszeniert

Die Handlung ist wenig konsequent, zeigt die Agierenden anmaßend und kindisch, vom Irrationalen getrieben. Wallner serviert das augenzwinkernd. Seine nur sieben Königinnen lassen allenfalls einen Wochenplan zu. Immerhin sind so sieben Frauenrollen mit eigenen Namen und abgegrenzten Charakteren entstanden. Im Programmheft erläutert er, dass ihre Unterscheidung dem männlichen Schubladendenken zu verdanken ist. Die Kindfrau ist dabei, die Hure, die Madonna, Geisha, Gefährtin, die Superfrau. Für jede hat Tanja Liebermann ein markantes Kostüm gefunden. Auch durch die Bühnenausstattung nähert sie sich dieser Klassifizierung symbolisch mit Schubläden als Spielelemente. Sie bedient sich ihrer variabel auf leichter Schräge als Betten, als Hotel oder als Dusche. Bestechend ist zudem die Lichtgestaltung. Georg Marburg leuchtet die Bühne nicht einfach nur aus, er gliedert den Raum farbig oder durch Muster und projiziert in einen schief hängenden Rahmen im Hintergrund treffende Bilder. 

Das Vorrecht der jungen Darsteller ist ihre Spiellust. Wallner nutzt sie, auch wenn er sie nicht immer vor dem Chargenhaften bewahren kann. Stimmlich haben sie jedoch viel zu bieten. Sie stammen teils aus dem Arsenal des Opernelitestudios, bringen Spielerfahrung und gut ausgereifte Stimmen mit. Eine, Camilla Ostermann, ist Sopranistin im Opernchor. Ihr sind gleich zwei Rollen anvertraut, die der Tochter Thierette und die der Geisha Alberte. Dorothea Bienert wandelt sich von dem naiven Alinchen zu der liebeserfahrenen Prinzessin, die Giglio im Finale in die Arme nehmen darf. Eine große Ausstrahlung hat Milena Juhl als gertenschlanke Tänzerin Mirabella. Sie singt ihr Couplet über die Travestie mit Charme. Unter den Königinnen sticht Franziska Buchner hervor.  Mit ausdrucksvollem Mezzo weiß sie sich als Diane, die Königin vom Tage, auch körperlich zu präsentieren. Sandra Gerlach ist die aus dem Comic entsprungene Fanette, Franziska Blass die Dame Perchuque und die Gefährtin Gisèle. Lena Langenbacher spielt gekonnt die Kindfrau Nicole und Lisa Ziehm die als Madonna ausstaffierte Denyse.      

Vier Herren stehen dem gegenüber, ein Student, zwei aus dem Opernelitestudio und als Profi Steffen Kubach aus dem Lübecker Ensemble. Er ist ein Bariton mit spielerischer Leichtigkeit und dazu ein begabter Komödiant. Es machte ihm offensichtlich Spaß, seine Praxiserfahrung weiterzugeben. Zudem hat sein Pausole trotz der Passivität Witz und Charakter. Als Page Giglio wickelt Guillermo Valdés mit seinem wendigen Spieltenor nicht nur die Damen um den Finger. Seinen Widerpart, den Minister Taxis, gestaltet Grzegorz Sobczak mit Kraft und stimmlich gut sitzendem Bariton. In einer weiteren Rolle als Hotelier und Vater ist der kraftvolle Bass Juan Hurtado zu erleben. Ein Problem blieb allerdings das Sprachverständnis bei dieser Operette mit größerem Wortanteil und Wortwitz. Singen konnten sie alle, die musikalische Ausbildung war ausgezeichnet und international beachtlich. Nur das Sprechen und das Artikulieren in der deutschen Sprache waren für die ausländischen Spieler noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden.

Die orchestrale Begleitung aus dem engen, zugleich tiefen Orchestergraben war nicht so schlackenlos. Die Musiker, Mitglieder des Philharmonischen Orchesters und Studierende der Hochschule, spielten zwar gekonnt, wurden aber von Kapellmeister  Ludwig Pflanz wenig einfühlsam geleitet. Er ist ein versierter Praktiker, richtet sein Augenmerk auf den Zusammenhalt von Bühne und Orchester und auf stets straffe Tempi. Dabei gingen dann Feinheiten der Partitur und Möglichkeiten zur sensiblen Gestaltung unter. Aber was sagt das, wenn das Publikum begeistert ist und lang applaudiert?  

Fazit

Solch eine Koproduktion hat allein deshalb einen einzigartigen Stellenwert, weil sie dem Nachwuchs professionell begleitete Erfahrung bringt. In der nächsten Spielzeit wird, wie zu erfahren war, diese Zusammenarbeit ausgesetzt, weil – in diesem Fall das Theater - nicht allein im größeren Maße mit Vorbereitung und Kosten belastet werden kann. Die Musikhochschule muss sich unter neuer Leitung wohl erst bewusst werden, welch besonderes, auch werbeträchtiges Ausbildungsangebot sie durch diese Kooperation gewinnt.

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