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„Come From Away“ am Theater Regensburg. Foto: Marie Liebig

Überragende Ensembleleistung: „Come From Away“ am Theater Regensburg. Foto: Marie Liebig

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Überragend getimt: das Erfolgsmusical „Come From Away“ erstmals auf deutsch am Theater Regensburg

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Das Musical „Come From Away“ von Irene Ankoff und David Hein feierte seine umjubelte deutschsprachige Erstaufführung am Theater Regensburg. Trotz substanzarmer Musik ein sensationell unterhaltsames Theatervergnügen.

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„Sind wir bereit?“ – „Haben wir eine Wahl?“ Dieser knappe Dialog könnte die Quintessenz des rasanten Musicals „Come From Away“ sein. In knapp zwei ebenso pausen- wie atemlosen Stunden zieht es uns in das hinein, was sich vom 11. bis 15. September 2001 im kanadischen Gander abspielte. Nach den Anschlägen und der Sperrung des US-amerikanischen Flugraums strandeten über 6.500 Passagiere aus umgeleiteten Maschinen in der knapp 10.000 Einwohner zählenden Kleinstadt. Die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Neufundländer erwies sich als überwältigend.

Zum zehnjährigen Jubiläum gab es ein großes Wiedersehen in Gander, bei dem die Komponisten und Textdichter Irene Ankoff und David Hein Zeitzeugen interviewten – Basis für „Come From Away“, das sich seit seiner offiziellen Premiere am Broadway 2017 zum Welterfolg entwickelt hat. Die deutschsprachige Erstaufführung – die sehr gute Übersetzung stammt von Sabine Ruflair – nach Regensburg geholt zu haben, war (nach „Parade“ 2023) ein weiterer Coup des Intendanten und in diesem Fall auch Regisseurs Sebastian Ritschel, der das Haus zusammen mit Dramaturg Ronny Scholz zu einer Musical-Hochburg gemacht hat.

In einem überragend getimten Staccato aus kurzen Szenen schlüpfen da nun 12 Sängerinnen und Sänger in fast 40 Rollen. Da wäre zum Beispiel der Bürgermeister (Benedikt Eder), der die Busfahrer überzeugen kann, ihren Streik zu unterbrechen; oder Beulah (Patricia Hodell), die sich mit Hannah (Masengu Kanyinda) anfreundet, deren Sohn, ein Feuerwehrmann, in New York vermisst wird; oder Bonnie (Fabiana Locke), die sich um die Tiere in den Flugzeugen kümmert; oder Diane (Carin Filipčić) und Nick (Jogi Kaiser), die sich schon im geparkten Flugzeug näher kommen; oder der Ägypter Ali (Alejandro Nicolás Firlei Fernández), dem auf einmal mit Misstrauen begegnet wird.

Dies ist eine der wenigen Szenen, in denen der beklemmende Hintergrund des Geschehens mehr als nur aufscheint. Eine andere ist die, da die Gestrandeten zum ersten Mal die Fernsehbilder des Anschlags sehen. Sie müssen im Theater nicht gezeigt werden, der Blick in die ungläubig entsetzten Augen genügt.

Ansonsten überwiegt eine harmonisierende Sicht auf die ja tatsächlich herzerwärmende Offenheit der Einheimischen, was sich auch in der Musik widerspiegelt. Die ist in ihrer Irish-Folk-Genügsamkeit eigentlich nicht der Rede wert, die achtköpfige-Band um Andreas Kowalewitz dynamisiert die permanent zwischen Sprechen und Singen wechselnden Mini-Szenen aber aus dem Hintergrund derart effizient, dass man über ihre Substanz gar nicht mehr nachdenkt. Bis auf ein whiskyseeliges Ensemble vermeiden Ankoff und Hein durch attacca-Anschlüsse auch konsequent Applauspausen. Nicht einmal nach „Me and the sky“ (dt. Der Himmel geht auf) – Pilotin Beverley bekommt den einzigen längeren Song – ist Beifall vorgesehen, so sehr ihn Wietske van Tongeren auch verdient gehabt hätte. Sie ist eine von vielen prominenten Gästen, die sich offenbar darum gerissen haben, in Regensburg dabei zu sein. Wie diese da nun zusammen mit Mitgliedern aus dem Ensemble sekundengenau aufeinander reagieren, wie sie in fliegendem Wechsel ihre Rollen markant umreißen, um dann wieder zu einem präzisen, enthusiastischen Chor zusammenzufinden, ist eine Sensation.

Sie profitieren dabei von Sebastian Ritschels das Räderwerk perfekt ineinander verzahnender Regie und Gabriel Pitonis ganz selbstverständlich aus dem Moment heraus entstehenden Choreografien. In Kristopher Kempfs Bühnenbild – hinter teilweise zerborstenen Stahlträgern ist der Schriftzug „Gander“ zu lesen – genügen ein paar immer neu angeordnete Stühle und Tisch, um die wechselnden Szenerien kenntlich zu machen. Stringenter, unterhaltsamer, packender kann man das nicht auf die Bühne bringen. Der Jubel nach dieser zweiten Aufführung am 25. Februar sprach für sich.

Die Produktion wird vom 9. bis 13. Juli auch als Gastspiel am Deutschen Theater München zu sehen sein.

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