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Florian Hanspach-Torkildsen (Englischhorn), Andreas Schager (Tristan), Boaz Daniel (Kurwenal). Foto: © Monika Rittershaus
Florian Hanspach-Torkildsen (Englischhorn), Andreas Schager (Tristan), Boaz Daniel (Kurwenal). Foto: © Monika Rittershaus
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Ungewöhnlich, doch nur partiell gelungen – „Tristan und Isolde“ an der Staatsoper Berlin

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Dmitri Tcherniakov hatte die Latte mit seiner Berliner Debüt-Inszenierung an der Staatsoper extrem hoch gelegt, konnte seine Leistung bei „Parsifal“ nur unterlaufen, und auch seine Inszenierung „Tristan und Isolde“ bleibt hinter der „Zarenbraut“ deutlich zurück. Auch für Wagners Handlung wählt er einen (dezenten) medialen Ansatz, verlegt sie nach heute, in eine (russische) Party-Gesellschaft. Witziges steht neben Einfallslosem, genialisch Aufblitzendes neben Banalitäten. Ebenfalls ungewöhnlich, aber überragend ist Daniel Barenboims musikalische Interpretation.

Als sein eigener Bühnenbildner stellt sich Tcherniakov diesmal ein Bein, denn was als cooles Design wirkt, lässt sich in seinem engen Guckkasten häufig schwer bespielen. Die Lobby, mit neun Sesseln (die wie bei Marthaler in Bayreuth gerne geworfen werden), elliptischem Tisch und einer halbrunden Bank, gemahnt als Grundraum durchaus noch an konventionelle, abstrakte Vorbilder eines Schiffsraums. Das Meer, wie auch Detailansichten von der Reling, können sich die handelnden Personen per Flachbildschirm zuspielen lassen. Der junge Seemann singt hier sichtbar inmitten anderer, saufender und stumm diskutierender Potentaten, darunter Tristan. Für die Szenen in Isoldes Zelt verlassen die handelnden Personen ebenso unmotiviert rasch diesen Aufenthaltsraum, wie nun Isolde und Brangäne unmotiviert auftreten.

Bei seiner Begegnung mit Isolde beruft sich Tristan auf ein gerahmtes Foto von der Urfehde, das im Regal des Freizeitraumes platziert ist; doch erhellt dieses dem Zuschauer die Handlung ebenso wenig, wie das kurzzeitig aus einer Schmuckschatulle ins Spiel gebrachte Schwert der Vorgeschichte. Aus dieser wird wiederholt eine Sequenz gezeigt: Isolde flößt dem kranken Tristan ein Glas Wasser ein; für diese Projektionen verdunkelt sich der Bühnenraum, und auf dem portalfüllenden Gazeschleier läuft in Schwarz-Weiß, passend zu Retrotechniken auf der gerade beginnenden Berlinale, die Szene als Schwarzweißstreifen ab. Später wird eine weitere schwarz-weiße Sequenz projiziert, mit in Farbe fließendem Blut aus Tristans Schläfe.

Im dritten Aufzug dann eine Sequenz von Elternpaar mit Kind; wie sich kurz darauf, in einer in Flackerlicht auf die Bühne geholten Rückblende erweist, sollen dies Tristans Eltern sein. Aber deren Spiel erweist sich nur als ein Ablenkmanöver davon, dass der Regisseur hier offenbar der puren Handlungsvermittlung nicht zu vertrauen vermochte. Leider entspricht die von Tcherniakov inszenierte Vorgeschichte der Eltern auch in keiner Weise dem, was Tristan über seine Eltern berichtet und was offenbar auch Richard Wagner besonders wichtig war: dass Tristans Vater beim Zeugungsakt, die Mutter bei der Geburt des Knaben stirbt.

Originell hingegen die Lösung des Trankes im ersten Aufzug: offenbar ist es eine Aufputsch-Droge, die beide so heftig zum Lachen reizt, dass sie sich vor Krämpfen am Boden winden. Der Regisseur arbeitet dabei gerne mit akustischen Zutaten, wie Rufen oder dem lauten Husten Tristans.

Statt in freier Natur, spielt der zweite Aufzug in einem Innenraum von Markes Schloss, mit zentraler Mattglas-Schiebetür, dahinter ein Speiseraum. Noch während des Vorspiels erlebt der Zuschauer einen Empfang der noblen Gesellschaft, deren Herren anschließend mit ihren Gewehren beschwipst auf nächtliche Jagd gehen.

In der Neuinszenierung stürzt sich Tristan nicht in Melots Waffe, sondern Melot würgt den Tenor-Kollegen leidenschaftlich, so dass Tristan im nächsten Aufzug auch an keiner Wunde zu leiden hat.

Vorhang zu

Der Bühnenraum des dritten Aufzuges, ein Innenraum mit hohem, schmiedeeisernem Ofen, verhängter Bettkammer (á la „Gianni Schicchi“), scheint einer veristischen Oper entlehnt zu sein. Der eigentlich todwunde Tristan klaubt hier jenes Geschirr wieder auf, welches er zuvor in Ekstase von den Stühlen gepfeffert hat. Melot und Kurwenal überleben am Ende, genau wie auch Isolde, die sich mit einem Wecker an Tristans Bett setzt. Markes „alles tot“ bezieht sich somit wohl nur auf die äußeren Merkmale dieser Inszenierung des Schlussaktes, bei dem Tcherniakov offenbar dann gar nichts mehr eingefallen ist: denn zunächst lässt er Kurwenal das Nahen des Schiffes mit Hilfe des Mitglieds der Staatskapelle nur vorgaukeln, – aber dann ist die Ankunft Isoldes, Markes und seiner Gefolgschaft, doch real zu verstehen. Für den Kampf lässt der Regisseur einfach das Licht ausschalten. Das erinnert stark an den Witz in einer Operette, die bedingt auch mit Wagner zu tun hat: an den zweiten Akt von Oscar Straus’ „Die lustigen Nibelungen“. Und mit den letzten Takten zieht Isolde selbst den Vorhang zu – jenen vor der Bettnische.

Die Verlegung auf einen Luxusliner gab es bereits in Peter Konwitschnys Münchner Inszenierung, an deren gebrochen-ironischen Umgang mit der Spielvorlage hier Einiges erinnert. Allerdings sorgte Konwitschny mit seinem Schluss für eine neue Sichtweise (nämlich aus dem Blickwinkel des Liebespaares selbst). Eine ähnlich diskussionswürdige, alternative Lösung ist in der Berliner Neuinszenierung nicht zu finden.

Mit Andreas Schager steht dem Regisseur ein Tenor zur Verfügung, der die ungewöhnliche Sichtweise auf Tristan, mit Luftsprüngen und Tänzen mit Derwisch-Drehungen, als einen exaltierten Dozenten eigener Weltsicht und Liebesphilosophie verkörpert. Schager vermag die Partie auch trefflich und mit Durchhaltevermögen zu bewältigen, jedoch beherrscht er sie leider (noch) nicht.

Die hier vom Tristan-Darsteller verlangte Motorik macht es dem Tenor letztlich sogar leichter leichter, denn sie gemahnt an exzentrische Dirigenten, die sich als Musikdarsteller für das Publikum missverstehen und ihr Dirigieren als einen Akt äußerlicher Versinnbildlichung der musikalischen Vorgänge aufzeigen.

Das eigentliche Ereignis: Die musikalische Interpretation

Dies ist bei Daniel Barenboim keineswegs der Fall. Er vermag nicht nur Schmisse der Solisten schnell und sicher wieder aufzufangen, er liefert – mit seiner dritten Deutung von Wagners WWV 90 an diesem Haus – eine verblüffend neue musikalische Interpretation, spezifisch zu dieser Inszenierung. Das ist das eigentliche Ereignis: jene Stellen, die im Gesamterlebnis, insbesondere im verdeckten Bayreuther Graben, zumeist untergehen, obgleich bereits Emmanuel Chabrier sie für besonders bemerkens- und merkenswert empfand, so dass er sie nach seinem Besuch der Münchner Uraufführung in sein „Souvenir de Munich“ transferiert hat, erlangen hier besondere Bedeutung.

Immer wieder macht Barenboim hörbar, dass Wagners nachfolgendes Satyrspiel „Die Meistersinger von Nürnberg“ musikalisch mehr Spuren in „Tristan und Isolde“ besitzt, als nur Wagners Zitat des Vorgängerwerkes (in der Schusterstube des dritten Aufzuges von WWV 96). Jene Bausteine, die abstrahiert mehr einer Spieloper anzugehören scheinen als dem philosophischen Musikdrama, ziseliert Barenboim heraus und verleiht ihnen im großen Fluss seiner Interpretation Gewicht.

Anja Kampe als Isolde vermag in den Piani mehr zu überzeugen als bei den Ausbrüchen, und zum großen Bogen fehlt ihr häufig der Atem; ihr Spiel (häufig mit stereotyp ausgestreckten Armen) wirkt leider zumeist aufgesetzt.

Gerne hört man Stephen Milling als König Marke mit seinem wohltönenden Organ zu, dennoch wäre es von Vorteil, wenn der Dirigent das Tempo für den zweiten Teil von Markes Erzählung etwas anziehen würde. Auch Boaz Daniel als Kurwenal sorgt für Wohlklang, doch steht er mit der Rhythmik dieser Partie auf Kriegsfuß. Ekaterina Gubanova hat leider eine zu ähnliche Stimmfärbung wie die Kampe: Isolde und Brangäne sollten sich doch deutlich unterscheiden, die Letztere merklich dunkler timbriert sein. Souverän gestaltet Stephan Rügamer den Melot. Klanglich präsent und dramaturgisch originell ist der Auftritt des Englischhornisten Florian Hanspach-Torkildsen als Abspaltung des Hirten (Lennard Frieling), welcher zunächst nur ängstlich hinter der Tür hervorschaut und von dort seine Gesangseinsätze leistet.

Vor allem hörenswert

Trotz aller vorgebrachten Einwände ist diese Produktion in einigen Szenen sehens-, insgesamt aber hörenswert. Die Staatskapelle, deren Blech auch am Abend der zweiten Aufführung leider unter Wert disponiert war, folgt der eigenwilligen Lesart des musikalischen Hausherrn und vermag mit ihrer Gesamtleistung zu überzeugen.

An die im Spiel häufig eingefrorene Party-Gesellschaft auf der Bühne gemahnen dann im Opern-Parkhaus die Schlangen vor den nur zwei Parkschein-Automaten der großen Tiefgarage; deren Gebühren hingegen sind dezidiert Wagner-unfreundlich, denn das auf 6 € reduzierte Ticket für Opernbesucher gilt erst ab 18:00 Uhr, und wer bereits den ersten Aufzug von „Tristan und Isolde“ miterleben will, der wird mit höheren Gebühren bestraft – er muss voll bezahlen.

  • Weitere Aufführungen: 15., 18., 25. Februar, 3., 11. und 18. März 2018.

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