Die Feen ist die erste vollendete Oper von Richard Wagner, auch wenn es bereits sein viertes Bühnenwerk war. Von seinem Debütwerk, dem „großen Trauerspiel“ „Leubald“ vollendete Wagner nur den Text, die Vertonung hat er möglicherweise nie begonnen. Von seiner zweiten Oper, der („Schäferoper“) ist nicht einmal der Titel überliefert. Die Schaueroper „Die Hochzeit“ brach Wagner um die Jahreswende 1832/33 ab, nachdem vor allem seine Schwester Rosalie, die Handlung abscheulich fand Zu Beginn des Jahres 1833 wendete sich Wagner den „Feen“ zu.
Unrettbar: Richard Wagners „Die Feen“ am Staatstheater Meiningen
Aus dem Textbuch zur „Hochzeit“ hatte er die Namen Ada und Arindal übernommen, das Ehepaar in den Feen aber hat nichts mit den Hochzeitern gemein. Das Libretto zu den Feen ist Carlo Gozzis „La donna serpente“ (Die Frau als Schlange) nachempfunden, wobei sich Wagner auch zum Teil von Gozzis „Il corvo“ (Der Rabe) anregen ließ. Sein Onkel Adolf, der „Il corvo“ übersetzt hatte und ein großer Verehrer Gozzis war, mag seinem Neffen diesen Stoff nahegelegt haben. In „La donna serpente“ wird die weibliche Hauptperson in eine Schlange verwandelt, in „Il corvo“ gibt es eine Verwandlung einer Figur in einen Stein. Wagner beendete die Partitur im Januar 1834.
Seinem Freund Theodor Apel schrieb er am 27. Oktober 1834: „Ja, liebster Theodor, mein Plan ist jetzt ganz fest u. unwiderruflich gemacht. Meine Feen müssen durch die Aufführung an 3 bis 4 guten Theatern dazu dienen, mir einen ehrenvollen Vorwurf für mein Liebesverbot zu machen, das ich während dieser Zeit fertigbringe; mit dieser Oper muss ich dann durchschlagen, und Ruf u. Geld gewinnen; ist mir es geglückt, beides zu erlangen, so ziehe ich mit Beidem und mit Dir nach Italien, und dies zwar im Frühjahr 1836. In Italien komponiere ich dann eine italienische Oper, u. wie es sich macht, auch mehr; sind wir dann braun und kräftig, so wenden wir uns nach Frankreich, in Paris komponiere ich dann eine französische Oper, und Gott weiß, wo ich dann bin! Wer ich dann bin, das weiß ich; – kein deutscher Philister mehr.“
Wie auch immer: Alle Versuche die Oper „Die Feen“ in Leipzig aufzuführen schlugen trotz aller guter Beziehungen Wagners fehl. Erst Fünf Jahre nach seinem Tod werden „Die Feen“ in München uraufgeführt, im Königlichen Hof- und Nationaltheater, einstudiert vom jungen Richard Strauss, dirigiert von Franz Fischer. Die Aufführung war ein Erfolg. Die Oper wurde auch an anderen Orten aufgeführt. Die Produktion war so erfolgreich, dass das Werk bis 1891 fünfzig Mal gegeben wurde. In München gab es noch Wiederaufnahmen 1895, 1899 und eine Neuinszenierung des Prinzregententheaters im Jahr 1910. 1893 wurde es in Prag gespielt und 1914 in Zürich. Weitere Aufführungen gab es erst wieder in den 1930er Jahren.
Zu seiner 200-Jahr-Feier zeigte das Mainfranken Theater in Würzburg „Die Feen“ szenisch (Februar 2005), im gleichen Jahr gab es eine szenische Aufführung im Pfalztheater Kaiserslautern und im März 2009 die französische Erstaufführung in Paris (im Théâtre du Châtelet). Dann kamen Die Feen zumindest als konzertante Aufführung in der Alten Oper Frankfurt heraus, und schließlich in Leipzig 2013 szenisch. Das waren seltene Aufführungen. Auf Dauer konnten sich die „Feen“ nicht auf den Spielplänen zu behaupten.
Hätte Wagner früh in Paris Erfolg gehabt, wäre er möglicherweise ein anderer Wagner geworden, als wir ihn kennen. Er wollte ja eigentlich weg von Deutschland und der deutschen Musik. Er wollte als Künstler „europäisch-universell“ sein. Wie ein roter Faden zieht sich durch Wagners Vita der Traum von europaweiter Mobilität. Schon der 22-jährige Student Wagner hatte seinem Leipziger Studienfreund Theodor Apel bekannt: „Hinweg aus Deutschland gehöre ich!“ Und seine vielen unvollendeten Werke zeigen ihn ja eher als Europäer denn als Deutschen. Ein bis heute sträflich vernachlässigter Aspekt der Wagnerrezeption.
Man wäre gern geneigt, Wagners „Feen“ als europäisches Operndebüt Wagners anzuerkennen. Doch das Werk erweist sich als zu schlecht, als dass man es derart würdigen könnte, was auch Wagner selbst später so sah.
Die Handlung ist Romantik pur, allerdings eine Romantik, der nicht zu trauen ist! Wagner hat hinter der Zauber- und Feenhandlung seine „jungdeutsch“ revolutionäre Weltanschauung versteckt, den Kampf zwischen Überlebtem und Neuem, Reaktion und Fortschritt. Das dramaturgische Grundmuster des Stücks besteht ja aus politischen, psychologischen, moralischen und individuell emanzipatorischen Motiven. Es geht in dieser Oper, die von heute aus betrachtet, so etwas wie eine Mischung aus „Zauberflöte“, „Frau ohne Schatten“ und „Orpheus & Eurydike“ ist, inklusive Frageverbot, Liebesprüfungen, Versteinerung und Erlösung durch Musik, um die Befreiung ohnmächtiger Individuen aus bestehenden Machtverhältnissen, was am Ende gelingt, aber nur um den Preis erfüllten Menschseins, also sinnlicher Liebe.
Die Oper erzählt – um nur die Grundzüge der ausufernden Handlung zu umreißen – die Geschichte der Liebe einer Fee namens Ada und des Königs Arindal. Ada, die Arindal auf der Jagd zunächst als schöne Hirschkuh erscheint, und aus der sie sich, nachdem er auf sie schießt, in eine schöne Frau verwandelt, darf das Geheimnis ihrer Identität nicht preisgeben. Und Arindal, ein König der Menschenwelt, kann sie nur unter der Bedingung heiraten, sie nicht zu befragen, wer sie sei. Es vergehen glückliche Jahre, in denen zwei Kinder geboren werden. Als Arindal dann doch die verbotene Frage stellt, wird er augenblicklich aus dem Feenreich verbannt. Ada ist bereit, ihm zu folgen und um seinetwillen ihre Unsterblichkeit aufzugeben. Aber vorher wird Arindal harten Prüfungen unterzogen. Am Ende des zweiten Aktes versteinert Ada vor seinen Augen. Arindal wird kurzzeitig wahnsinnig. Aber es gelingt es ihm, nach überstandener Intrige zweier böser Feen, kraft der Musik, ganz wie Orpheus, seine in Stein verwandelte Frau zu befreien und selbst unsterblich zu werden.
„Die Feen“ waren das einzige in Meiningen noch nicht gespielte Werk Richard Wagners. Nun gab es also diese jugendliche Oper des Komponisten, mit der Wagner sein Bühnendebüt plante, am Thüringischen Staatstheater. Es sollte der schlagende Beweis werden, dass die Oper besser ist als ihr Ruf. Vergebens.
Die weit beachtete, erfolgreiche Regisseurin Yona Kim hat gemeinsam mit ihren Ausstattern Jan Freese (Bühne) und Frank Schönwald (Kostüme) versucht, alle szenischen Peinlichkeiten weitgehend zu vermeiden. Sie zeigen ihre stark gekürzte und gestrafften Fassung – der eine gewisse Klugheit nicht abzusprechen ist – allerdings als verrätseltes Assoziationstheater in starken, schönen Bildern zwischen Natur und Kultur, gesellschaftspolitischen Umständen der Entstehungszeit (Vormärz). Biedermeier und Gegenwart, Kriegsopfer, Wald (als Tapete und als Gemälde), Romantik und Moderne, Psychiatrie wirbeln durcheinander. Das Geschehen wechselt zwischen Realität und Wirklichkeit. Caspar David Friedrichs Bilder („Der Wanderer über dem Nebelmeer“ und „Zerstörte Hoffnung“) und blutverschmutzte Unterwäsche von Kriegsopfern dominieren malerische Tableaus. Man sieht ein Gefängnisgitter, hinter dem die Vereinten weggeschlossen werden, eine blutende weiße Hirschkuh-Skulptur im Vordergrund. Alles in weiß gekacheltem, sterilem Raum, der sich öffnen kann und Seiten- und Hinterblicke freigibt.
Die Inszenierung, die ihre ästhetische Qualität hat, ist allerdings alles andere als stringent und logisch, sondern mit Brüchen und Rätseln versehen. Warum wird vom Schwert gesungen und ein Dolch gezeigt, warum sieht man einen Bogen statt eines Schilds, warum ist Ada nicht versteinert, sondern tritt quasi als Hl. Sebastian, pfeildurchbohrt auf mit brennendem Licht auf ihren Händen? Warum tritt der Feenkönig als weiß geschminkter Narr im Zirkusdirektoren-Kostüm auf, das Etwas von Zwangsjacke hat? Warum erscheinen die Feen als Krankenschwestern? Das Stück ein Klapsmühlendrama? Fragen über Fragen. Auch gibt es neben allerhand Symbolischem Verdoppelungen und Verzerrungen, Alptraumhaftes und Idyllisches, Sprünge aus Nähe in Ferne, Wechsel von Innen und Außen, Surreales und Betuliches in der Optik.
Regiehandwerklich und bühnentechnisch ist das erstaunlich gemacht. Es soll ein Blick „in die biedermeierliche Gemütlichkeit und ihre Abgründe“ sein, eine „bizarre Seelenlandschaft der Deutschen Romantik“ (so Yona Kim im Programmheft). Gewiss, doch, aber die Rechnung geht nicht auf.
Zu unausgegoren, ja unglaubwürdig (geradezu dilettantisch anmutend) ist das Libretto, eine krude Mischung aus Märchenhandlung und Posse, Ehekomödie und Weltstück, Niederem und Erhabenen. Von der oft an das Peinliche grenzenden Sprache des Stücks ganz zu schweigen. Man muss Wagner allerdings zugutehalten, dass er das Stück im Alter von nur zwanzig Jahren geschrieben hatte.
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