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Ann Sophie Dürmeyer (Mata Hari, Popstar), Florine Schnitzel (Margaretha Geertruida »Griet« Zelle), Armin Kahl (Rudolph »Johnny« MacLeod, Margarethas Ehemann). Foto: © Marie-Laure Briane.
Ann Sophie Dürmeyer (Mata Hari, Popstar), Florine Schnitzel (Margaretha Geertruida »Griet« Zelle), Armin Kahl (Rudolph »Johnny« MacLeod, Margarethas Ehemann). Foto: © Marie-Laure Briane.
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Untergang im Männergetriebe – Uraufführung des Musicals „Mata Hari“ im Münchner Gärtnerplatztheater

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Was für ein Schicksal! Dieses lebens- und auch sex-hungrige holländische Mädel, das eine zerfahrene Kindheit und Jugend durchlitt und mit 19 Jahren einen mehr als zwanzig Jahre älteren, rüden Offizier heiratete! Nach unglücklichen Jahren in den holländischen Kolonien folgten Scheidung und Beginn einer sensationellen europäischen Karriere: als reizvolle Nackttänzerin, Geliebte reicher Männer – und ihre fragwürdige, bis heute nicht geklärte Verstrickung in die Offiziers- und Geheimdienstwelt des Ersten Weltkriegs … wenn das kein Stoff für Bücher, Filme und Theater ist! Ob auch für ein Musical, das prüfte jetzt Münchens Haus für „das Andere“.

„Sie werden einem schönen Tod beiwohnen“ tröstete Margaretha Geertruida Zelle wortwörtlich die sie zum Hinrichtungsplatz begleitende Nonne. Dann lehnte sie stolz und selbstbewusst am 15. Oktober 1917 das Festbinden am Pfahl und die Augenbinde ab, wurde um 6.15 Uhr im Festungsgraben des Schlosses Vincennes als „überführte Spionin Mata Hari“ erschossen – und fast unsterblich… Ihre rund zehnjährige Karriere als exotische Skandaltänzerin zwischen Paris, Monte Carlo, Wien, Berlin und wieder Paris, ihre Versuche, an der Mailänder Scala und in Diagilews Ballets Russes als Künstlerin Fuß zu fassen im Kontrast zur zweifachen Mutterschaft und zum bürgerlichen Scheitern – diese Fülle und Diskrepanz hat das Autoren-Duo Marc Schubring (Komposition) und Kevin Schroeder (Buch und Liedtexte) wohl veranlasst, die Hauptfigur in zwei Rollen zu spalten: in die lebensgierig leidende „Griet“ Zelle mit viel emotional und körperlich expressiven Ehefrau-Spiel und ariosem Singen von Florine Schnitzel – im Kontrast zu Ann Sophie Dürmeyers gekonnt „showy“ und provokant sexy auftretenden „Popstar Mata Hari“ mit doppeltem Mikro von samt „sinnlichem“ Zunge-Raustrecken und anderer Publikumsanmache.

Das wäre inhaltlich und wohl auch von den Texten her – trotz „geil“ und „beknackt“ – ergiebig, wenn verständlich. Doch die hinten sitzenden Tontechniker sind engstirnig „Sound-süchtig“ und betriebsblind: sie kennen Werk und Text aus der Probenzeit und leerem Theater, denken „Publikum schluckt Lautstärke“, denken aber scheint es überhaupt nicht an das Publikum als „Erst- und Einmal-Hörer“ – und lassen es à la „Wir können Stadion wie Club“ so richtig wummern. Prompt blieb allzu viel unverständlich, dafür konnte sich der James-Bond-Filmfreund speziell im zweiten Teil an großem Kino-Sound erfreuen – ärgerlich!

Das Autoren-Duo Schubring-Schroeder hat den Ehe-Kleinkrieg viel zu breitgetreten, so dass Isabella Gregors Inszenierung nur blieb, auf den Projektionsflächen immer mal Häppchen der Zeugen- und Kläger-Aussagen per Video einzuspielen, dazu dann noch völlig unergiebiges, also überflüssiges und somit störendes Live-Video filmen zu lassen. Dabei bot die zerklüftete, drehende und vielfältig fahrende Hebe- und Versenkbühne von Karl Fehringer und Judith Leikauf samt dem Lichtzauber von Michael Heidinger und noch oftmals füllig wallendem Bühnennebel schon eine Reizfülle, die völlig ausreichte. Dazu kam dann aber schon auch noch opulenter Kostümzauber zwischen arroganten Kolonial-Damen von 1900 sowie heutiger Pop-Bühnen-Show von Alfred Mayerhofer und schließlich auch noch Adam Coopers Einlagen für sechs stilistisch vielfach geforderte Tänzerinnen und Tänzer, die allerlei zwischen Show und Totentanz beisteuerten. Doch der Aufwand fügte sich weder zum Schicksalsdrama noch zur Nachtclub-Show à la Alcazar – so dramaturgisch reizvoll der Duett-Schlussauftritt beider Protagonistinnen im schwarzen und farbigen Exotik-Kostüm auch gedacht war.

Das alles schmälert nicht den zu Recht ungetrübten Schlussjubel für Dirigent Andreas Partilla, der musikalisch alles zusammenhielt und die Übergänge der zutreffend befremdlichen lang-opulenten Background-Zuspielungen zum Live-Musizieren des Orchesters sehr gut meisterte – dann aber auch für das ausgezeichnet differenzierte Solisten-Ensemble, in dem hinter dem Ehemann MacLeod von Armin Kahl „alle von Rang und Namen im Gärtnerplatz“ engagiert mitspielten. Wars ein Musical…?

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