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Podiumsgespräch vor dem Abschlusskonzert des DWL-Festivals im Garten der Kölner Orangerie. Von links: Michael Struck-Schloen, Gerald Preinfalk, Thomas Wally, Gunde Jäch-Micko, Christian Lillinger. Foto: Christoph Becher

Podiumsgespräch vor dem Abschlusskonzert des DWL-Festivals im Garten der Kölner Orangerie. Von links: Michael Struck-Schloen, Gerald Preinfalk, Thomas Wally, Gunde Jäch-Micko, Christian Lillinger.

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Abschlussabend des DLW-Festivals in der Kölner Orangerie
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Die Spannung zwischen Komposition und Improvisation inspiriert Musiker und Komponisten seit Musik verschriftlicht wird. Da schadet es nicht, historische Reflektion und ästhetische Grübelei zunächst durch die Erfahrung des österreichischen Saxophonisten Gerald Preinfalk zu erden, der auf den schnöden Umstand verweist, dass Komponisten aus der Improvisationsszene von den Verwertungsgesellschaften schmaler entlohnt werden als die Partituren schreibenden Kolleginnen und Kollegen.

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Preinfalk berichtet von einer Verwechslung: Bei der akm (der österreichischen GEMA) habe man ihn für seinen komponierenden Kollegen Bernd Preinfalk gehalten und ihn nach der Aufklärung des Irrtums prompt hinabgestuft. Der Preinfalk Gerald nämlich hat viel Jazz gespielt und wird damit der U-Musik zugerechnet.

Ein von WDR-Moderator Michael Struck-Schloen geleitetes Podiumsgespräch machte indes deutlich, dass sich Improvisation und Komposition im Entstehungsprozess wenig schenken. Spricht der Wiener Geiger und Komponist Thomas Wally von einem halbjährigen Arbeitsprozess, so führt der Schlagzeuger Christian Lillinger skrupulöse Abstimmungen zur Improvisation im Trio Dell-Lillinger-Westergaard ins Feld. Wie ein 30/8-Takt, durchpflügt von 7/16-Figuren, weiterentwickelt werden kann, bedarf des Ausprobierens, vor allem aber der Absprache. Lillinger: „Wir verhandeln in Echtzeit. Nur so kann Wahrheit entstehen.“ Und Geigerin Gunde Jäch-Micko beschreibt die umfassende Vorbereitung auf das Violinsolo von Thomas Wally, das sich aus frei kombinierbaren Modulen zusammensetzt (Wally: „Komponieren und Legospielen ist nicht so weit auseinander“): Sie müsse zunächst die Module in die Finger bekommen, sodann deren Verzahnung, damit das Stück in Fluss geriete. Insgesamt bestätigte das Podium die Erfahrung, dass Musikmachen – ob improvisiert oder komponiert – eine ernste und aufwändige Sache ist. Aber, so Gastgeber Lillinger: „Wir machen das alles für die Gesellschaft.“

Das 2010 gegründete Trio Dell-Lillinger-Westergaard hatte eingeladen zum zweitägigen „DLW-Festival“ (3./4. Juni). Der Veranstaltungsort, die Kölner Orangerie, ist ein doppelt abgeschirmtes Kulturbiotop. Die Südstadt hält der Orangerie das wochenendliche Partytreiben vom Hals, der Volksgarten den Verkehrslärm. Das Programm setzte auf Begegnung: auf die musikalische im Theatersaal und auf die persönliche im Garten. Denn die Orangerie punktet auch mit einem idyllischen Außenbereich, in dem man schnell ins Gespräch kommt.

Am Vortag gastierten Sofia Lemberg und Tamara Stefanovich in Konzerten mit dem Trio, zum Abschlusskonzert trafen die drei dann auf ein Quartett des Klangforum Wien, neben Jäch-Micko und Preinfalk auch Anna D’Errico (Klavier) und Mikael Rudolfsson (Posaune). Das Septett „Axiom I“ hatte wenige Wochen zuvor bereits bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik Aufsehen erregt. Christopher Dell (Vibraphon), Christian Lillinger (Schlagzeug) und Jonas Westergaard (Kontrabass) weben ein quirliges, in sich stark verästeltes Musikgeflecht, dessen Raster sich nicht aufdrängt. Die Musikerinnen und Musiker berichten von komplexen Strukturen, auf der Bühne wirken sie davon befreit. „Axiom I“ verlässt sich lange auf die Septett-Formation und gestattet erst im letzten Drittel dynamische Abwechslung wie auch Binnenensembles.

Der Abend begann mit Gunde Jäch-Micko, die Wallys „Soliloguy IV: Fais ton jeu!“ mit bewundernswerter Klangfülle spielte, gefolgt von Gerald Preinfalk mit der Uraufführung von „Kintsugi“ von Georges Aperghis. Ist Wallys Solo durch die modulare Kompositionsweise vertikal strukturiert, so setzt Aperghis’ Saxophonstück auf die Horizontale: In diesem Monolog zeugt jede Figur neue Varianten, oft mikrotonal verschoben. Das gebannt zuhörende Publikum in der gut besuchten Orangerie nutzte die Gelegenheit, den Sonntagabend gemeinsam mit den Akteuren des DLW-Festivals ausklingen zu lassen.

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